Hilfe außerhalb der regulären Sprechzeiten
Hat sich die neue Bereitschaftspraxis bewährt? Eine erste Bilanz
Die Notaufnahmen der Kliniken entlasten und gleichzeitig Bürgern mit nicht lebensbedrohlichen Beschwerden zentrale Anlaufstellen bieten – das sind zwei der wesentlichen Ziele der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) bei der Umstrukturierung des Bereitschaftsdienstes im Freistaat. In ein paar Regionen steht die Neuorganisation der medizinischen Versorgung für die Abendstunden, Wochenenden und Feiertage noch aus, im Landkreis Neu-Ulm ist die Umstellung bereits vor einem halben Jahr erfolgt. Am 30. Januar eröffnete die KVB die Bereitschaftspraxis an der Stiftungsklinik in Weißenhorn, gleichzeitig mit denen an der Kreisklinik Günzburg und am Klinikum Memmingen. Doch wie gut funktioniert das neue System? Und bringt es die gewünschten Verbesserungen?
Die Stiftungsklinik selbst zieht nach den ersten sechs Monaten eine sehr positive Bilanz. „Was zunächst von vielen Patienten sehr kritisch betrachtet wurde, hat sich in der Praxis bewährt“, sagt Edeltraud Braunwarth, die Pressesprecherin des Weißenhorner Krankenhauses. Die Patienten müssten im Bedarfsfall nicht mehr mühsam recherchieren, welcher Arzt Bereitschaftsdienst hat und wo sich diese Praxis befindet. Und die Notaufnahme werde von leichteren Fällen und Bagatellerkrankungen entlastet. Letzteres gilt nach Angaben von Johannes Kleber, dem Leiter der Notaufnahme, vor allem für den internistischen Bereich.
Mit einem eigens entwickelten Patientenleitsystem hilft die Stiftungsklinik den Menschen bei der Einordnung ihrer Beschwerden. Eine Übersicht am Eingang zeigt, in welchen Fällen sie die Notaufnahme aufsuchen sollten (zum Beispiel bei Brustschmerzen) und wann sie in die KVB-Bereitschaftspraxis gehen sollten (etwa bei einer Erkältung). Kleber zufolge ist die Selbsteinschätzung der Patienten meist richtig. Noch besser wäre es aber, wenn ein Arzt bei der Einordnung helfen würde, ergänzt Klinik-Sprecherin Braunwarth. Deshalb wäre es aus Sicht der Klinik ratsam, Bereitschaftspraxis und Notaufnahme künftig räumlich noch näher zusammenzurücken. Im Rahmen der Planungen für einen Umbau der Weißenhorner Notaufnahme soll geprüft werden, ob sich ein gemeinsamer Empfang umsetzen lässt, sagt Braunwarth.
Von durchweg positiven Rückmeldungen seit Eröffnung der Bereitschaftspraxis in Weißenhorn berichtet Birgit Grain, die Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung. Generell hätten sich dank des neuen Systems die Warte- und Behandlungszeiten für die leichter erkrankten Patienten deutlich verkürzt. Auch für die niedergelassenen Ärzte hat es nach Angaben der Sprecherin spürbare Erleichterungen gegeben. So sei deren Arbeitsbelastung im Bereitschaftsdienst merklich gesunken. Das bestätigt auch Dr. Jakob Berger. Der Facharzt für Allgemeinmedizin ist Vorstandssprecher für Schwaben der KVB und Mitglied im Bayerischen Hausärzteverband. Berger sagt: „95 Prozent der Kollegen sind zufrieden mit der neuen Struktur.“Auch die Patienten kommen seiner Erfahrung nach gut damit zurecht. Weder beim sogenannten Sitzdienst in den Bereitschaftspraxen als auch bei den neu geschaffenen Fahrdiensten, bei denen Ärzte in Begleitung eines medizinisch geschulten Fahrers außerhalb der Sprechzeiten Hausbesuche machen, sind Berger Probleme bekannt. Er habe lediglich Klagen von Kollegen gehört, wonach bei den Sitzdiensten zu wenig los sei.
Davon konnte gleich zum Start der Bereitschaftspraxis in Weißenhorn allerdings keine Rede sein: Weil dieser mit dem Beginn der Grippewelle im Februar zusammenfiel, wurden nach Angaben der Stiftungsklinik pro Dienst bis zu 85 Patienten in den Räumen behandelt, die abends und am Wochenende von der KVB angemietet werden. Inzwischen liegen die Zahlen deutlich darunter.