„Die Emotionen sind übergekocht“
Wechselbad der Gefühle: Arthur Abeles Trainer Christopher Hallmann über die Leichtathletik-EM in Berlin
Arthur Abeles Goldmedaille bei der Leichtathletik-Europameisterschaft war einer der Höhepunkte des Turniers. Nach seiner langen Leidenszeit mit vielen Verletzungen stand der Zehnkämpfer endlich auf dem Treppchen. Auch ein Verdienst von Christopher Hallmann, Abeles Trainer beim SSV Ulm. Im Interview erinnert er sich zurück an die Europameisterschaft.
Christopher Hallmann, vor rund zwei Wochen wurde auf dem Berliner Breitscheidplatz für Arthur Abele die Nationalhymne gespielt. Es war auch für Sie als Trainer die erste internationale Goldmedaille. Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Die Emotionen sind übergekocht. Mir sind schwierige Situationen durch den Kopf geschossen. Ich habe mir den Zehnkampf im Zeitraffer noch mal in Erinnerung gerufen – das war emotional auch für mich etwas ganz Besonderes.
Hand aufs Herz: Als wie realistisch hätten Sie diesen Erfolg noch zu Beginn des Jahres 2018 eingeschätzt?
Zu Beginn des Jahres hatte Arthur mit vielen Verletzungen und Krankheiten zu kämpfen. Eine zielgerichtete Vorbereitung war da gar nicht möglich. Der jetzige Erfolg war nicht abzusehen. Dass Arthur das Potenzial hat, internationale Medaillen, vielleicht sogar Gold, zu gewinnen, das haben wir in seinem ganz engen Umfeld immer wieder so eingeschätzt.
Wie haben Sie es geschafft, dass er in Berlin in Topform antreten konnte? Welches Team steckt dahinter?
Im engsten Team sehe ich unsere medizinische Abteilung und mich. Unseren Physiotherapeuten Tim Gulde und Benedikt Friemert vom Bundeswehr-Krankenhaus in Ulm. Wir haben nach Rückschlägen immer versucht, so schnell wie möglich Wege des alternativen Trainings zu finden.
Mit Mathias Brugger hat sich ein weiterer Ulmer Zehnkämpfer für die EM qualifiziert. Ein gutes Ergebnis war für ihn aber schon früh nach drei ungültigen Versuchen im Weitsprung außer Reichweite. Was war da los?
Auch der Weg von Mathias war nicht einfach. Er hatte sich im vergangenen Jahr bei der WM schwer verletzt, auch seine Vorbereitung war von vielen Schwierigkeiten geprägt. Die Verletzung am Knie war sehr langwierig, zudem hat er ein Studium begonnen. Dass er sich qualifiziert hat, ist sehr hoch einzuschätzen. Er war schon über 100 Meter ein bisschen fest, konnte nicht so frei laufen wie bei der Qualifikation. Und im Weitsprung war es dann eine Mischung aus Übermotivation und fehlender Handlungsfähigkeit. Er konnte seinen Fehler im Anlauf einfach nicht abstellen.
Wie fühlt sich ein solcher Moment als Trainer an? Der eine Athlet schießt sich selbst aus dem Rennen um die Medaillen. Der andere ist auf einmal nach dem Weitsprung Goldkandidat …
Schwarz und Weiß. Ein größerer Kontrast ist schwer vorstellbar. Meine Gedanken waren in dem Moment aber doch eher bei Mathias Brugger.
Es wird deutlich: Zwei Tage Zehnkampf, das sind zwei Tage geprägt von Höhen und Tiefen und zahlreichen Emotionen. Was ist bei Ihnen vom EM-Zehnkampf besonders hängen geblieben?
Die Stärke und die Präsenz von Arthur. Er war immer handlungsfähig – selbst im Stabhochsprung, wo er einfach mit der Anlage nicht so gut klarkam. Er hat immer eine Idee von jeder Disziplin gehabt, wusste, wie er handeln und wie er ansteuern muss. Das war aus meiner Sicht echt stark, das habe ich bei Arthur besonders in früheren Jahren schon ganz anders erlebt.
Mit Manuel Eitel und Tim Nowak haben in Ratingen im Juni zwei weitere junge Ulmer Zehnkämpfer überzeugt. Wie sehen Sie insgesamt die Zukunft des Mehrkampf-Stützpunkts Ulm?
Sehr positiv! Die Leistungskurve aller Ulmer Zehnkämpfer hat in diesem Jahr nach oben gezeigt, fast alle haben Bestleistung gemacht. Dazu haben wir mit Manuel und Tim zwei neue Mitglieder im Kreis der 8 000-Punkte-Zehnkämpfer. Alle sind bisher unverletzt aus der Saison gekommen, die Zeichen stehen auf Grün und voll auf Angriff.