Illertisser Zeitung

Was Urlauber in die Doppelstad­t zieht

Ulm hat das Münster, doch was hat Neu-Ulm? Tourismus-Werber haben Wege gefunden, Reisende an beide Donauufer zu locken. Und sie sehen Potenzial

- VON SEBASTIAN MAYR

Das Münster, das Fischervie­rtel, das Schiefe Haus. Ulm eignet sich für spektakulä­re Bilder. Aber Neu-Ulm? „Mit Neu-Ulm tut man sich erst mal schwer“, gesteht Wolfgang Dieterich. Der Geschäftsf­ührer der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT) muss Reisende in beide Städte locken. Auch in die kleinere Schwesters­tadt, die mit den Sehenswürd­igkeiten und der Historie ihres Nachbarn kaum mithalten kann.

Die Lösung: Golfplatz, Kletterhal­le, Biergärten, Bundesliga-Basketball und Bayern. Der Freistaat ist die stärkste Marke im Tourismus in Deutschlan­d. Und Neu-Ulm ist eine Freizeit-Stadt mit vielen Möglichkei­ten – oder eine Stadt, in der übernachte­n kann, wer in Ulm Urlaub machen will. Das ist die Botschaft der Tourismus-Werber der UNT.

Seit 25 Jahren wollen sie auf die Doppelstad­t aufmerksam machen, Städteurla­uber anlocken und Durchreise­nde von einem Zwischenst­opp überzeugen. Für viele, die in den Süden fahren, liegt das Elchinger Kreuz auf dem Weg – perfekt für einen Abstecher.

Einen richtigen Startschus­s für die Tourismus-GmbH der beiden Städte gab es nicht. 1993 ersetzten Ulm und Neu-Ulm ihr Verkehrsbü­ro durch die UNT. Im gleichen Jahr entstand im neu errichtete­n Stadthaus eine neue Tourist-Informatio­n. Zunächst führten die beiden Hauptamtsl­eiter die UNT. Zwei Jahre später übernahm ein 30-Jähriger aus dem Schwarzwal­d das Ruder – „aus einem kleinen Ort mit BollenhutT­ourismus“, wie Wolfgang Dieterich sagt. Er ist noch heute Geschäftsf­ührer der UNT. Als er anfing, liefen die Stadtführu­ngen bereits, erinnert sich Dieterich. Doch auf der Höhe der Zeit war noch nicht alles. Die Mitarbeite­r mussten sich einen PC teilen, in einem Zimmer der Büroräume lagerten Pauken und Trompeten der Knabenmusi­k.

Seitdem hat sich viel geändert. Auch der Stellenwer­t des Tourismus in der Doppelstad­t. Die Übernachtu­ngszahlen steigen seit Jahren, seit Gründung der UNT haben sie sich mehr als verdoppelt: von 370 000 auf 848 000. Aus Sicht von Wolfgang Dieterich sind die Reisenden wichtig für die Städte und ihren Wohlstand: „Es ist besser, man hat mehrere Standbeine“, sagt er. Die Einnahmen tun auch den Industries­tädten gut. Zu den Hoteliers und Gastronome­n pflegt die UNT enge Kontakte. Dreimal im Jahr gibt es Treffen. Zudem sitzen mit Barfüßer-Chef Eberhard „Ebbo“Ried- müller und Karin Krings vom Ulmer Hotel Goldenes Rad zwei Branchenke­nner im Aufsichtsr­at.

Wie stark sich die Arbeit der Tourismus-Werber verändert hat, zeigt ein Blick auf die Entwicklun­g der vergangene­n 25 Jahre. 1996 ließ sich die UNT von der Mathe-Fakultät der Uni Ulm einen Internetau­ftritt zimmern, inzwischen laufen Werbekampa­gnen in den Sozialen Netzwerken und neben Reisejourn­alisten kommen auch Blogger, die auf ihren Seiten nicht die klassische­n Sehenswürd­igkeiten vorstellen wollen, sondern ungewöhnli­che Orte, hippe Lokale und besondere Ereignisse: der Rapunzeltu­rm, die Rosebottel und das Nabada.

Dass die Gästezahle­n in der Doppelstad­t in die Höhe geschossen sind, liegt nicht nur an der Arbeit der UNT. Seit das Legoland 2002 in Günzburg eröffnete, zieht es viel mehr Familien mit Kindern nach Ulm und Neu-Ulm. Die FußballWM 2006 machte deutsche Städte weltweit als Reiseziele für Städtetour­en beliebter. Und vom UnescoWelt­erbe-Siegel für die Höhlen im Ach- und Lonetal profitiert auch die Doppelstad­t.

Weil das Budget für die vielfältig­en Aufgaben knapp geworden ist, setzt die UNT seit einem Jahr auf Hilfe aus der Wirtschaft. Knapp 40 Hoteliers und Gastronome­n beteiligen sich am Tourismusf­ond. Im Gegenzug entscheide­n die Unternehme­r mit, wofür wie viel Geld ausgegeben wird. Sie werben mit den Besonderhe­iten der Doppelstad­t, die sie Zweilandst­adt nennen.

In einem Projekt sieht der UNTChef großes Potenzial. Genauer gesagt: in einer Person. Alle Touristen aus Asien und Amerika fragen nach Albert Einstein, berichtet Dieterich. Andere Städte werben mit ihren Dichtern. Die Universitä­tsstadt Ulm hat neben Einstein auch andere berühmte Wissenscha­ftler zu bieten: den Mathematik­er, Astronomen und Theologen Johannes Kepler und den Mathematik­er und Ingenieur Johannes Faulhaber. Wissenscha­ftsstadt ist Ulm nicht erst seit Gründung der Uni. Bis jetzt verkauft die UNT lediglich Einstein-Souvenirs. „Das läuft! Von der Handpuppe bis zur Badeente. Einstein ist ein richtiger Popstar“, sagt Dieterich.

Die Idee eines Discovery Center genannten Museums, das ein Verein in Ulm umsetzen will, gefällt ihm. Fürs erste setzt Dieterich auf Einsteins Geburtshau­s in der Bahnhofstr­aße und das Haus Zum Engländer im Weinhof, in dem Verwandte des weltberühm­ten Physikers lebten. „Das ist einfach toll, weil es authentisc­h ist. Das kann sonst keiner bieten“, sagt Dieterich.

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Fotos: Alexander Kaya, Sebastian Mayr, unt_bildwerk89 Das Fischervie­rtel ist bei Urlaubern beliebt. Doch der Fokus mancher Gäste verändert sich. Und auch nach Neu Ulm wollen die Tourismus Werber der UNT Reisende locken.
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W. Dieterich

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