Was Urlauber in die Doppelstadt zieht
Ulm hat das Münster, doch was hat Neu-Ulm? Tourismus-Werber haben Wege gefunden, Reisende an beide Donauufer zu locken. Und sie sehen Potenzial
Das Münster, das Fischerviertel, das Schiefe Haus. Ulm eignet sich für spektakuläre Bilder. Aber Neu-Ulm? „Mit Neu-Ulm tut man sich erst mal schwer“, gesteht Wolfgang Dieterich. Der Geschäftsführer der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT) muss Reisende in beide Städte locken. Auch in die kleinere Schwesterstadt, die mit den Sehenswürdigkeiten und der Historie ihres Nachbarn kaum mithalten kann.
Die Lösung: Golfplatz, Kletterhalle, Biergärten, Bundesliga-Basketball und Bayern. Der Freistaat ist die stärkste Marke im Tourismus in Deutschland. Und Neu-Ulm ist eine Freizeit-Stadt mit vielen Möglichkeiten – oder eine Stadt, in der übernachten kann, wer in Ulm Urlaub machen will. Das ist die Botschaft der Tourismus-Werber der UNT.
Seit 25 Jahren wollen sie auf die Doppelstadt aufmerksam machen, Städteurlauber anlocken und Durchreisende von einem Zwischenstopp überzeugen. Für viele, die in den Süden fahren, liegt das Elchinger Kreuz auf dem Weg – perfekt für einen Abstecher.
Einen richtigen Startschuss für die Tourismus-GmbH der beiden Städte gab es nicht. 1993 ersetzten Ulm und Neu-Ulm ihr Verkehrsbüro durch die UNT. Im gleichen Jahr entstand im neu errichteten Stadthaus eine neue Tourist-Information. Zunächst führten die beiden Hauptamtsleiter die UNT. Zwei Jahre später übernahm ein 30-Jähriger aus dem Schwarzwald das Ruder – „aus einem kleinen Ort mit BollenhutTourismus“, wie Wolfgang Dieterich sagt. Er ist noch heute Geschäftsführer der UNT. Als er anfing, liefen die Stadtführungen bereits, erinnert sich Dieterich. Doch auf der Höhe der Zeit war noch nicht alles. Die Mitarbeiter mussten sich einen PC teilen, in einem Zimmer der Büroräume lagerten Pauken und Trompeten der Knabenmusik.
Seitdem hat sich viel geändert. Auch der Stellenwert des Tourismus in der Doppelstadt. Die Übernachtungszahlen steigen seit Jahren, seit Gründung der UNT haben sie sich mehr als verdoppelt: von 370 000 auf 848 000. Aus Sicht von Wolfgang Dieterich sind die Reisenden wichtig für die Städte und ihren Wohlstand: „Es ist besser, man hat mehrere Standbeine“, sagt er. Die Einnahmen tun auch den Industriestädten gut. Zu den Hoteliers und Gastronomen pflegt die UNT enge Kontakte. Dreimal im Jahr gibt es Treffen. Zudem sitzen mit Barfüßer-Chef Eberhard „Ebbo“Ried- müller und Karin Krings vom Ulmer Hotel Goldenes Rad zwei Branchenkenner im Aufsichtsrat.
Wie stark sich die Arbeit der Tourismus-Werber verändert hat, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre. 1996 ließ sich die UNT von der Mathe-Fakultät der Uni Ulm einen Internetauftritt zimmern, inzwischen laufen Werbekampagnen in den Sozialen Netzwerken und neben Reisejournalisten kommen auch Blogger, die auf ihren Seiten nicht die klassischen Sehenswürdigkeiten vorstellen wollen, sondern ungewöhnliche Orte, hippe Lokale und besondere Ereignisse: der Rapunzelturm, die Rosebottel und das Nabada.
Dass die Gästezahlen in der Doppelstadt in die Höhe geschossen sind, liegt nicht nur an der Arbeit der UNT. Seit das Legoland 2002 in Günzburg eröffnete, zieht es viel mehr Familien mit Kindern nach Ulm und Neu-Ulm. Die FußballWM 2006 machte deutsche Städte weltweit als Reiseziele für Städtetouren beliebter. Und vom UnescoWelterbe-Siegel für die Höhlen im Ach- und Lonetal profitiert auch die Doppelstadt.
Weil das Budget für die vielfältigen Aufgaben knapp geworden ist, setzt die UNT seit einem Jahr auf Hilfe aus der Wirtschaft. Knapp 40 Hoteliers und Gastronomen beteiligen sich am Tourismusfond. Im Gegenzug entscheiden die Unternehmer mit, wofür wie viel Geld ausgegeben wird. Sie werben mit den Besonderheiten der Doppelstadt, die sie Zweilandstadt nennen.
In einem Projekt sieht der UNTChef großes Potenzial. Genauer gesagt: in einer Person. Alle Touristen aus Asien und Amerika fragen nach Albert Einstein, berichtet Dieterich. Andere Städte werben mit ihren Dichtern. Die Universitätsstadt Ulm hat neben Einstein auch andere berühmte Wissenschaftler zu bieten: den Mathematiker, Astronomen und Theologen Johannes Kepler und den Mathematiker und Ingenieur Johannes Faulhaber. Wissenschaftsstadt ist Ulm nicht erst seit Gründung der Uni. Bis jetzt verkauft die UNT lediglich Einstein-Souvenirs. „Das läuft! Von der Handpuppe bis zur Badeente. Einstein ist ein richtiger Popstar“, sagt Dieterich.
Die Idee eines Discovery Center genannten Museums, das ein Verein in Ulm umsetzen will, gefällt ihm. Fürs erste setzt Dieterich auf Einsteins Geburtshaus in der Bahnhofstraße und das Haus Zum Engländer im Weinhof, in dem Verwandte des weltberühmten Physikers lebten. „Das ist einfach toll, weil es authentisch ist. Das kann sonst keiner bieten“, sagt Dieterich.