Lieder gegen das Vergessen
Musiker haben in Babenhausen Melodien gespielt, die Senioren noch aus ihrer Jugend kennen. Dahinter steckt eine Idee
Als Roy Blacks „Ganz in Weiß“erklingt, kullern bei manchen Bewohnern des Kreisseniorenwohnheims St. Andreas Tränen der Rührung übers Gesicht. Erinnerungen an Erlebnisse, die viele Jahre zurückliegen, kommen den Männern und Frauen ins Gedächtnis. Vielleicht an die eigene Hochzeit oder an einen Tanz auf einem Sommerfest. Manche wiegen auf ihren Stühlen zum Takt mit.
Eine so ausgelassene Stimmung wie an diesem Nachmittag herrscht im Babenhauser Seniorenwohnheim nicht alle Tage. Der Laubener Komponist Kurt Gäble ist zu Besuch und mit ihm eine Gruppe Musiker. Sie stimmen Lieder an, die vielen Senioren noch aus ihrer Jugend kennen und die ihnen unvergessen bleiben, auch wenn vielleicht Demenz das Gedächtnis trüben mag. Schlager und Oldies wie die aus den 1950er-Jahren stammende „Fischerin vom Bodensee“oder das Heidi-Lied sind zu hören.
Bevor das kleine Konzert losgeht, warten die Männer und Frauen gespannt im Gemeinschaftsraum. Nach und nach schieben Pflegerinnen oder Angehörige weitere Zuhörer in Rollstühlen durch die Tür. Als die ersten Melodien ertönen, singen einzelne Senioren zunächst etwas vorsichtig mit. Eine sonst recht abwesend wirkende Frau dirigiert mit den Händen, den Liedtext formen ihre Lippen geräuschlos. Mit der Zeit springen die Klänge und Rhythmen auch auf weitere Zuhörer über. Manche klatschen, einige singen kräftig mit.
Die Idee, die hinter dem ehrenamtlichen Projekt „Spielen im Pflegeheim“steckt, basiert auf dem positiven Effekt, den Musik auf Demenzkranke haben kann. Gäble erklärt: „Es gibt wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Musik das Gehirn aktiviert, im Gedächtnis starke Impulse weckt und Emotionen belebt.“
Gemeinsam mit Musikerfreunden aus Babenhausen, Ottobeuren, Erkheim, Lauben und Woringen hat der Komponist bereits im vergangenen Jahr Senioren- und Pflegeheime in Memmingen und im Landkreis Unterallgäu besucht, um dort ein ausgewähltes Programm aufzuführen. „Heuer werden bis zum Jahresende wohl zehn Auftritte zusammenkommen“, sagt Gäble. Auch den anderen Musikern – an diesem Nachmittag sind es drei Frauen und vier Männer – ist die Freude an dem besonderen Auftritt anzumerken.
Auf Keyboard, Gitarre, Violine und Schlagzeug spielt und singt die Gruppe Hits der 60er-Jahre, die einst auf keiner Familienfeier fehlen durften. Den meisten der rund 50 Bewohner des Seniorenwohnheims sind die Texte noch gut bekannt. Eine Pflegerin beobachtet, welche Wirkung die Musik auf die Senioren hat. „Am Anfang sind einige oftmals noch ein wenig abwesend, aber am Ende sind sie dann immer voll dabei“, sagt sie.
Damit der positive Effekt des Musizierens so groß wie möglich ist, motivieren die Musiker die Senioren immer wieder zum Mitsingen und Klatschen. Zum Oldie „Die Gitarre und das Meer“schallt die Begleitmelodie „Juanita, Anita“durch den Raum. Und auch die Frage nach dem bekanntesten Lied von Freddy Quinn steht nicht lange im Raum. „Junge, komm bald wieder“, lautet die Antwort prompt.
Für ihr Solo „So ein Mann“drückt ein Senior der Sängerin eine Geranie in die Hand, die er spontan beschafft hat. Wegen Momenten wie diesem kommen Kurt Gäble und seine Kollegen immer wieder gerne in Seniorenheime.
Musik als Therapie