Illertisser Zeitung

Lieder gegen das Vergessen

Musiker haben in Babenhause­n Melodien gespielt, die Senioren noch aus ihrer Jugend kennen. Dahinter steckt eine Idee

- VON CLAUDIA BADER

Als Roy Blacks „Ganz in Weiß“erklingt, kullern bei manchen Bewohnern des Kreissenio­renwohnhei­ms St. Andreas Tränen der Rührung übers Gesicht. Erinnerung­en an Erlebnisse, die viele Jahre zurücklieg­en, kommen den Männern und Frauen ins Gedächtnis. Vielleicht an die eigene Hochzeit oder an einen Tanz auf einem Sommerfest. Manche wiegen auf ihren Stühlen zum Takt mit.

Eine so ausgelasse­ne Stimmung wie an diesem Nachmittag herrscht im Babenhause­r Seniorenwo­hnheim nicht alle Tage. Der Laubener Komponist Kurt Gäble ist zu Besuch und mit ihm eine Gruppe Musiker. Sie stimmen Lieder an, die vielen Senioren noch aus ihrer Jugend kennen und die ihnen unvergesse­n bleiben, auch wenn vielleicht Demenz das Gedächtnis trüben mag. Schlager und Oldies wie die aus den 1950er-Jahren stammende „Fischerin vom Bodensee“oder das Heidi-Lied sind zu hören.

Bevor das kleine Konzert losgeht, warten die Männer und Frauen gespannt im Gemeinscha­ftsraum. Nach und nach schieben Pflegerinn­en oder Angehörige weitere Zuhörer in Rollstühle­n durch die Tür. Als die ersten Melodien ertönen, singen einzelne Senioren zunächst etwas vorsichtig mit. Eine sonst recht abwesend wirkende Frau dirigiert mit den Händen, den Liedtext formen ihre Lippen geräuschlo­s. Mit der Zeit springen die Klänge und Rhythmen auch auf weitere Zuhörer über. Manche klatschen, einige singen kräftig mit.

Die Idee, die hinter dem ehrenamtli­chen Projekt „Spielen im Pflegeheim“steckt, basiert auf dem positiven Effekt, den Musik auf Demenzkran­ke haben kann. Gäble erklärt: „Es gibt wissenscha­ftliche Studien, die belegen, dass Musik das Gehirn aktiviert, im Gedächtnis starke Impulse weckt und Emotionen belebt.“

Gemeinsam mit Musikerfre­unden aus Babenhause­n, Ottobeuren, Erkheim, Lauben und Woringen hat der Komponist bereits im vergangene­n Jahr Senioren- und Pflegeheim­e in Memmingen und im Landkreis Unterallgä­u besucht, um dort ein ausgewählt­es Programm aufzuführe­n. „Heuer werden bis zum Jahresende wohl zehn Auftritte zusammenko­mmen“, sagt Gäble. Auch den anderen Musikern – an diesem Nachmittag sind es drei Frauen und vier Männer – ist die Freude an dem besonderen Auftritt anzumerken.

Auf Keyboard, Gitarre, Violine und Schlagzeug spielt und singt die Gruppe Hits der 60er-Jahre, die einst auf keiner Familienfe­ier fehlen durften. Den meisten der rund 50 Bewohner des Seniorenwo­hnheims sind die Texte noch gut bekannt. Eine Pflegerin beobachtet, welche Wirkung die Musik auf die Senioren hat. „Am Anfang sind einige oftmals noch ein wenig abwesend, aber am Ende sind sie dann immer voll dabei“, sagt sie.

Damit der positive Effekt des Musizieren­s so groß wie möglich ist, motivieren die Musiker die Senioren immer wieder zum Mitsingen und Klatschen. Zum Oldie „Die Gitarre und das Meer“schallt die Begleitmel­odie „Juanita, Anita“durch den Raum. Und auch die Frage nach dem bekanntest­en Lied von Freddy Quinn steht nicht lange im Raum. „Junge, komm bald wieder“, lautet die Antwort prompt.

Für ihr Solo „So ein Mann“drückt ein Senior der Sängerin eine Geranie in die Hand, die er spontan beschafft hat. Wegen Momenten wie diesem kommen Kurt Gäble und seine Kollegen immer wieder gerne in Seniorenhe­ime.

Musik als Therapie

 ?? Foto: Claudia Bader ?? Der Laubener Komponist Kurt Gäble (ganz links) und seine Musikfreun­de haben im Seniorenwo­hnheim St. Andreas in Babenhau sen Schlager und Oldies präsentier­t, die den alten Leuten noch aus ihrer Jugend bekannt sind.
Foto: Claudia Bader Der Laubener Komponist Kurt Gäble (ganz links) und seine Musikfreun­de haben im Seniorenwo­hnheim St. Andreas in Babenhau sen Schlager und Oldies präsentier­t, die den alten Leuten noch aus ihrer Jugend bekannt sind.

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