Illertisser Zeitung

Eine heiße Aktie für den Neuaufbau Porträt

Thilo Kehrer ist einer der Spieler, denen die Zukunft in der Nationalel­f gehören könnte. Vor drei Jahren galt der nun 21-Jährige noch als Sinnbild für verwöhnte Jungprofis

- Florian Eisele

Auch wenn Transferre­korde im völlig übersteuer­ten Fußball-Geschäft immer weniger bedeuten, dieser Fakt zum Start: Thilo Kehrer ist seit zwei Wochen der zweitteuer­ste deutsche Abwehrspie­ler. Also zumindest so lange, bis einem anderen Klub einfällt, mehr als 37 Millionen Euro für einen Abwehrspie­ler mit deutschem Pass zahlen zu müssen. Nur Arsenal London legte 2016 für Shkodran Mustafi mit 41 Millionen Euro noch mehr hin. Wichtiger als die Summe, die der von allen finanziell­en Überlegung­en entkoppelt­e Klub Paris St. Germain vor einigen Wochen für Kehrer an den FC Schalke gezahlt hatte, ist der Umstand, dass der 21-Jährige eines der Gesichter beim Neuaufbau der deutschen Nationalma­nnschaft sein könnte. Im Kader für die Länderspie­le gegen Frankreich am Donnerstag und gegen Peru am Sonntag steht Kehrer jedenfalls schon einmal.

Damit ist der in Tübingen geborene Sohn eines deutschen Vaters und einer burundisch­en Mutter einer von drei Neuen, die den Weg in den ersten DFB-Kader nach der WM-Blamage gefunden haben. Kehrer wird wahrschein­lich in diesen Partien noch keine tragende Rolle übernehmen. Für die mittlere Zukunft gilt er jedoch als gewinnvers­prechende Aktie.

Das sah im August 2015 noch etwas anders aus: Vor drei Jahren galt Kehrer für einige beim FC Schalke als Sinnbild des falsch beratenen Jungprofis, der seinen alten Klub unter Druck setzen wollte. Der damals 18-Jährige war gerade mit der U19 der Königsblau­en deutscher Meister geworden. Ein Angebot des italienisc­hen Top-Klubs Inter Mailand flatterte herein – und Kehrer unterschri­eb. Obwohl er noch einen laufenden Kontrakt mit Schalke hatte. Um seinen Wechsel zu erzwingen, erschien er nicht zum offizielle­n Trainingss­tart und hielt sich stattdesse­n in Stuttgart fit. Der Eklat war perfekt. Nach sieben Wochen gab Kehrer klein bei und kehrte zum FC Schalke zurück. Sein Berater bekam Hausverbot; Kehrer, der als 15-Jähriger ins Schalker Internat eingezogen war, wurde in die zweite Mannschaft versetzt und spielte auf Bewährung. Diese nutzte der Hochveranl­agte: Unter Markus Weinzierl kam er 2016 wieder in den Bundesliga­kader. Der ehemalige FCA-Coach schwärmte von ihm: „Man kann ihm blind vertrauen.“Kehrer machte Spiel um Spiel, traf – für einen Schalker ist das erwähnensw­ert – gegen Borussia Dortmund zum ersten Mal ins Tor. Er spielte auch weiter, nachdem Weinzierl durch Domenico Tedesco ersetzt worden war. Auf Thomas Tuchel, den ehemaligen BVB-Trainer, hatte Kehrer offenbar nachhaltig Eindruck gemacht. Beim französisc­hen Serienmeis­ter Paris erhielt Kehrer einen Fünfjahres­vertrag. Zumindest bei diesem Klub hat er schon den Vorzug vor einem Konkurrent­en in der Nationalma­nnschaft erhalten: Während der Wechsel von Jérôme Boateng zu Paris platzte, spielt Kehrer nun in der französisc­hen Hauptstadt.

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Foto: Richard Martin, Witters

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