Streit um Juncker Vertrauten
Gutachten: Fehler bei Beförderung Selmayrs
Mit einer derart scharfen Kritik hatte sicherlich niemand gerechnet: Knapp sechs Monate nach der Blitz-Beförderung von Martin Selmayr, des engsten Vertrauten von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wurden am Dienstag erneut schwere Vorwürfe laut. In einem Gutachten sprach die Europäische Bürgerbeauftragte, Emily O’Reilly, von mehreren „Verwaltungsmissständen“. „Die Kommission wandte die einschlägigen Regeln nicht korrekt an – weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinne nach“, schrieb die 61-jährige Irin in ihrem Bericht. Dies habe „berechtigtes Unbehagen“ausgelöst.
Bereits vor einigen Wochen sprach das Europäische Parlament davon, dass das Vorgehen „als putschartige Aktion gesehen werden könnte, die die Grenzen des Rechts dehnt oder sogar überdehnt“. Selmayr, 47, war Ende Februar bei einer Sitzung der EU-Kommission zunächst zum stellvertretenden Generalsekretär ernannt und wenige Minuten danach zum Chef der fast 33 000 Beamten der Behörde befördert worden. „Künstlich“habe man den Eindruck geschürt, die Neubesetzung sei dringlich gewesen, weil man die schon länger absehbare Pensionierung des bisherigen Amtsinhabers Alexander Italianer geheim gehalten hatte. Damit, so die Bürgerbeauftragte jetzt weiter, wurde „gerechtfertigt, dass es keine Stellenausschreibung gab“.
Dieser Vorwurf trifft den für Personal zuständigen deutschen EUKommissar Günther Oettinger. Der hob hervor, dass die Entscheidung für Selmayr nicht infrage gestellt werde. O’Reilly sprach sich jetzt für ein „spezielles und separates Ernennungsverfahren“aus, damit sich ein solcher Fall nicht wiederhole. Oettinger versprach, die Anregungen zu „überdenken“. Mit anderen Worten: Da wird nicht viel kommen.
Selmayr darf sich damit trösten, dass seine fachliche Qualifikation für den Spitzenjob von niemandem infrage gestellt wurde. Es ging immer nur um das Verfahren seiner allzu raschen Beförderung.