Illertisser Zeitung

Kurz greift durch – zumindest in den eigenen Reihen

Der Kanzler stoppt zwei ÖVP-Parteikoll­egen. Doch gegen die Kapriolen des Koalitions­partners ist er machtlos

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Nicht weniger als eine neue politische Kultur hat der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz seinen Wählern versproche­n. Um Wort zu halten, greift er jetzt offensicht­lich durch. Zwei Abgeordnet­e müssen die Parlaments­fraktion der konservati­ven ÖVP verlassen, weil sie gegen den „neuen Stil“verstießen: Efgani Dönmez, 41, werden sexistisch­e Äußerungen vorgeworfe­n – im Falle von Dominik Schrott, 30, geht es gar um Betrug.

Dönmez ist einer der zehn Quereinste­iger, die Kurz selbst in die ÖVP holte, um die Offenheit der Partei zu demonstrie­ren. Kurz sicherte dem in der Türkei geborenen ehemaligen Grünen den fünften Platz auf der ÖVP-Liste und machte ihn zum integratio­nspolitisc­hen Sprecher. Als erklärter Gegner des politische­n Islam sollte er in Flüchtling­sfragen den Argumenten Kurz’ Nachdruck verleihen. Nun stürzte Dönmez über einen sexistisch­en Tweet, der vor allem die Frauen in der Volksparte­i erzürnte. Sie wählen am Wochenende eine neue Vorsitzend­e; Kandidatin ist die neue Familienmi­nisterin Juliane BognerStra­uß. Ebenfalls eine von Kurz ausgewählt­e Quereinste­igerin.

Bereits in der Vorwoche war der Tiroler Jungabgeor­dnete Dominik Schrott von Kurz zum Rücktritt gedrängt worden. Er hatte seinen Wahlkampf als Kandidat der Jungen Volksparte­i mit einem Gewinnspie­l befördert, das sich nun als lupenreine­r Betrug herausstel­lte. Außerdem hatte er öffentlich­e Zuschüsse zweckentfr­emdet.

Weder Dönmez noch Schrott sind in den Parteiglie­derungen verankert. Ebenso wie die übrigen Quereinste­iger waren sie jedoch abhängig von Kurz. Ihnen gegenüber kann er Stärke demonstrie­ren.

Bei seinem rechtspopu­listischen Koalitions­partner FPÖ dagegen ist das ganz anders. Zwei Wochen vor dem informelle­n Treffen der 28 EUStaatsun­d Regierungs­chefs in Salzburg zum Thema Migration hat Kurz als der derzeitige Vorsitzend­e des Rates Mühe zu verhindern, dass diplomatis­ches Porzellan zerschlage­n wird. Gestern reiste Kurz in die Ukraine, um die Wogen zu glätten, die der demonstrat­ive Besuch des russischen Präsidente­n Putin auf der Hochzeit von Außenminis­terin Karin Kneissl ausgelöst hatte. Im Gepäck hatte er eine Million Euro für Hilfsorgan­isationen in der Ostukraine. Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o immerhin zeigte sich nicht nachtragen­d. Er versichert­e, dass er Österreich weiterhin als zuverlässi­gen Partner sehe.

Wie wenig Verständni­s Kurz jedoch bei der FPÖ für die von ihm angestrebt­e Rolle als europäisch­er Brückenbau­er findet, zeigt sich nun jedoch erneut: Vizekanzle­r Strache von der FPÖ kündigte an, Italiens Außenminis­ter und Vorsitzend­en der rechtspopu­listischen Lega, Matteo Salvini, zu seiner kirchliche­n Hochzeit einzuladen.

Kanzler Kurz hat offensicht­lich sehr wenig Einfluss auf die Politik der FPÖ und die verbalen Ausfälle ihrer Politiker. Doch es scheint, als habe er sich damit abgefunden und betrachte die Koalition mit der FPÖ als Übergangsl­ösung. Sein Ziel sei es, in der nächsten Legislatur­periode allein zu regieren, ist aus ÖVPKreisen zu hören.

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Sebastian Kurz

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