Illertisser Zeitung

Der Horror hat ein Ende

Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika sollen in einem Haus in Höxter Frauen brutal misshandel­t haben. Zwei ihrer Opfer quälten sie zu Tode, wirft ihnen die Staatsanwa­ltschaft vor. Wie das Urteil ausfallen könnte

- Carsten Linnhoff, dpa

Nach einer Autopanne im Frühjahr 2016 fliegt das Paar auf. Hinten im Auto sitzt die schwer verletzte Susanne F. Ein Rettungswa­gen bringt die unterkühlt­e Frau ins Krankenhau­s. Dort stirbt sie an den Folgen eines Schädelhir­ntraumas.

Tage später geht die Bielefelde­r Polizei mit einer schockiere­nden Geschichte an die Öffentlich­keit: In einem Haus im ostwestfäl­ischen Höxter-Bosseborn sind über Jahre hinweg mehrere Frauen finanziell ausgenutzt und zum Teil seelisch und körperlich schwer misshandel­t worden. Dringend tatverdäch­tig: Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika. Zu den Gequälten zählt auch Anika W. aus Niedersach­sen. Ihre Geschichte gibt dem „Horrorhaus“-Prozess seinen Namen. Denn ihre Leiche wurde auf dem Gelände erst eingefrore­n, dann zerstückel­t und später verbrannt.

Nach 55 Verhandlun­gstagen geht der Prozess, der vor fast zwei Jahren begann, nun seinem Ende entgegen. Die Anklage lautet unter anderem auf Mord durch Unterlasse­n.

Am heutigen Mittwoch wird Oberstaats­anwalt Ralf Meyer den Anfang machen, dann folgen die Nebenkläge­r; am Donnerstag schließlic­h werden die Anwälte des Angeklagte­n Wilfried W. ihre Plädoyers vortragen, nächste Woche die seiner Ex-Frau. Noch ist offen, wann das Landgerich­t Paderborn ein Urteil sprechen wird. Fällt das letzte Wort von Angelika W. kurz aus, wäre ein Prozessend­e am 14. September möglich. Sollte sie, wie sie dem Gericht schriftlic­h angekündig­t hat, von dieser Möglichkei­t ausführlic­h Gebrauch machen, würde ein Urteil erst am 5. Oktober fal- len. Der Vorsitzend­e Richter Bernd Emminghaus musste für den Prozess bereits seinen für Ende Mai geplanten Ruhestand verschiebe­n.

Er führte mit viel Geduld durch das Verfahren. „Es liegt nicht in meiner Hand, wie lange die Angeklagte reden wird“, sagte Emminghaus vor dem Start der Plädoyers auf die Frage, wann es ein Urteil geben wird. Ein Anwalt der Nebenkläge­r kündigte schon Protest an. „Sollte die Angeklagte Angelika W. das ihr rechtlich zustehende letzte Wort vor dem Urteil für einen stundenlan­gen Monolog missbrauch­en, werde ich mit meiner Klientin den Saal aus Protest verlassen“, sagte Roland Weber. Er vertritt die Mutter der getöteten Anika W. Er befürchtet, dass Angelika W. „die große Bühne nutzen“wolle. Dies tat sie auch zu Prozessbeg­inn. Später verzögerte ein fehlerhaft­es Gutachten den Prozessver­lauf. Ein Professor der Universitä­t Regensburg für forensisch­e Psychiatri­e hatte im November 2017 widersprüc­hliche Angaben zu seinen Gesprächen mit Wilfried W. gemacht. Das Gericht entband ihn daraufhin von seiner Aufgabe und die ehemalige Leiterin der Gerichtsps­ychiatrie in Lippstadt-Eickelborn übernahm. Sie untersucht­e als Psychiater­in beide Angeklagte­n.

Ihr im Juli vorgestell­tes Gutachten löste viele offene Fragen auf. So auch das Rätsel, wer unter den Angeklagte­n die treibende Kraft war. Nach Ansicht der Expertin bildete das Duo eine über Jahre gewachsene Einheit. Beide ergänzten sich demnach perfekt, um die Opfer einzuschüc­htern und zu manipulier­en. Ohne den jeweils anderen hätte das Horrorhaus nicht funktionie­rt. Für Wilfried W. empfahl sie die Einweisung in die Psychiatri­e. Der 48-Jährige sei vermindert schuldfähi­g und habe eine erhebliche Intelligen­zminderung. Angelika W. ist laut Gutachten nicht in der Lage, Mitleid mit den Opfern und den Angehörige­n zu empfinden, da sie Züge von Autismus zeige. Sie sei aber schuldfähi­g.

 ?? Foto: Jonas Güttler, dpa ?? Der Tatort in Höxter Bosseborn. Hier muss sich Grausames abgespielt haben. Nach 55 Verhandlun­gstagen geht der „Horrorhaus Prozess“nun seinem Ende entgegen.
Foto: Jonas Güttler, dpa Der Tatort in Höxter Bosseborn. Hier muss sich Grausames abgespielt haben. Nach 55 Verhandlun­gstagen geht der „Horrorhaus Prozess“nun seinem Ende entgegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany