Illertisser Zeitung

Leidet Flocke in Frankreich?

Als kleine Eisbärin war sie in Nürnberg ein Star. Später kam sie nach Antibes. Tierschütz­er erheben nun schwere Vorwürfe gegen das „Marineland“, in dem sie mit Eisbär Rasputin lebt

- VON BIRGIT HOLZER

Sie war ein Star von Geburt an, ein putziger Publikumsl­iebling, der die Besucher in Scharen in den Tiergarten Nürnberg strömen ließ und die Medien verzückte: Eisbärin Flocke, die dort im Dezember 2007 zur Welt kam. Wie ihr berühmter Artgenosse Knut, der ein Jahr vor ihr im Zoologisch­en Garten Berlin geboren wurde – und inzwischen gestorben ist –, wurde sie von Hand aufgezogen. Das große öffentlich­e Interesse an Flocke ist längst abgeebbt. Seit April 2010 lebt sie im Marineland, einem Themenpark für Meerestier­e im südfranzös­ischen Antibes. Doch wie geht es ihr dort eigentlich?

Für die französisc­he Tierschutz­vereinigun­g „C’est assez!“(„Es reicht!“) ist die Antwort so klar wie dramatisch: gar nicht gut. Gerade während der Hitzewelle in diesem Sommer mit Temperatur­en bis zu 40 Grad sei das Leben für Flocke und ihren Gefährten Rasputin die Hölle gewesen, erklären die Tierschütz­er. Das in einem Zoo in Moskau geborene Eisbär-Männchen kam bereits in Nürnberg zu Flocke – und von dort 2010 mit ihr nach Antibes. Im November 2014 brachte Flocke Eisbärin Hope auf die Welt.

Ein im Internet veröffentl­ichtes Video vom Juni zeigt Rasputin in der prallen Sonne, hechelnd und mit Schaum vorm Maul. Schatten gebe nicht und der Zugang zum eisgekühlt­en Keller sei durch ein Gitter versperrt, sodass er der drückenden Hitze nicht entkommen könne, klagten die Tierschutz-Aktivisten. Dass die Verantwort­lichen des Marineland Rasputins schäumende­s Maul als „Brunftverh­alten“deuteten, ist für sie Unfug. „Ein Eisbär ist geboren, um über Packeis zu gehen, unter dem Eis zu schwimmen, zu jagen. Ein Eisbär hat nicht in Gefangensc­haft zu sein.“

Gemeinsam mit acht anderen Tierschutz-Organisati­onen stellte „C’est assez!“noch im Juni eine Petition ins Internet; innerhalb von zwei Monaten kamen mehr als 170 000 Unterschri­ften zusammen. Darin fordern sie den französisc­hen Umweltmini­ster auf, mittelfris­tig die Haltung von Eisbären in Frank- reich zu verbieten sowie Flocke und Rasputin an einen Ort zu verlegen, der ihren Bedürfniss­en mehr entspreche. Als Beispiel nennen sie das neue Zuhause von Eisbärin Hope in einem Raubtierpa­rk in Schweden.

Ein Brief an Umweltmini­ster Nicolas Hulot sollte dann an dem Tag Ende August abgeschick­t werden, an dem er seinen Rücktritt ankündigte. Nun, sagt Christine Grandjean von „C’est assez!“, warte man den Amtsantrit­t von Hulots Nachfolger ab und hoffe, bis dahin die Marke von 200000 Unterschri­ften zu knacken. Sie befürchte allerdings, dass die Politik wenig ausrichten könne: „Es geht um Geld, weil Eisbären viele Besucher anziehen.“Druck ausüben wolle man trotzdem. Schon wiederholt war das Marineland Antibes Ziel von Vores würfen von Tierschütz­ern, auch hinsichtli­ch der Haltung von Walen und Delfinen. Der Park erhielt gleichwohl im Februar dieses Jahres das Zertifikat „Humane Certified“des internatio­nalen Programms American Humane Conservati­on für den Respekt des Tierwohls.

Auf die aktuellen Vorwürfe von „C’est assez!“antwortet der Generaldir­ektor von Marineland, Pascal Picot, es handele sich um einen „willkürlic­hen Angriff einer extremisti­schen Vereinigun­g, deren Ziel es ist, unseren Park schließen zu lassen“. Die Eisbären seien ihnen im „Rahmen eines Fortpflanz­ungsprogra­mms bedrohter Arten“anvertraut worden. Bedenken, es könnte Flocke und Rasputin in Südfrankre­ich zu heiß sein, hatte es dabei bereits mehrfach in den vergangene­n Jahren gegeben. Zuerst 2009, nachdem bekannt geworden war, dass die Eisbären nach Antibes kommen.

Das neue Gehege, das man gerade dort baue, habe „große Becken mit jahrein, jahraus auf 14 Grad gekühltem Wasser“, hieß es damals aus Antibes. Im Inneren sorge eine Klimaanlag­e für angenehme Temperatur­en. Für die Tierschütz­er von „C’est assez!“ist das rund 2200 Quadratmet­er-Gehege zu klein – und die gemeinsame Haltung von Flocke und Rasputin wider die Natur. Eisbären seien Einzelgäng­er, sagt Christine Grandjean. Und: Beide Tiere seien verhaltens­auffällig.

 ?? Fotos: Ralf Schedlbaue­r, Stadt Nürnberg, dpa; David Ebener, dpa; C’est assez! ?? 2008: Flocke, jung und putzig. Das Eisbär Weibchen wurde Mitte Dezember 2007 im Tiergarten Nürnberg geboren. Auf dem Foto, auf dem links unten ein Plüsch Eisbär zum Spielen zu sehen ist, ist sie wenige Wochen alt.
Fotos: Ralf Schedlbaue­r, Stadt Nürnberg, dpa; David Ebener, dpa; C’est assez! 2008: Flocke, jung und putzig. Das Eisbär Weibchen wurde Mitte Dezember 2007 im Tiergarten Nürnberg geboren. Auf dem Foto, auf dem links unten ein Plüsch Eisbär zum Spielen zu sehen ist, ist sie wenige Wochen alt.

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