Illertisser Zeitung

Wieder macht ein Zuschuss Ärger

Die Bayerische Staatsregi­erung will Pflegebedü­rftige mit zusätzlich­en 1000 Euro pro Jahr unterstütz­en. Wer von Grundsiche­rung lebt, könnte allerdings leer ausgehen

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Noch immer streiten Bund und bayerische Staatsregi­erung um das Familienge­ld. Schon steht der nächste Zuschuss der bayerische­n Regierung auf dem Prüfstand. 1000 Euro mehr sollen Pflegebedü­rftige im Freistaat im Jahr erhalten. Das Landespfle­gegeld ist Teil eines Pflegepake­ts, das im Mai beschlosse­n wurde.

Nun prüft das Bundessozi­alminister­ium unter Leitung von Hubertus Heil (SPD), ob die Verspreche­n der CSU-Regierung in Bayern überhaupt mit den geltenden Gesetzen konform sind, wie eine Sprecherin bestätigte. Die Parallelen zur Debatte um das Familienge­ld, mit dem ab diesem Monat bayerische Familien mit kleinen Kindern unterstütz­t werden, sind kaum zu übersehen: Stein des Anstoßes ist in beiden Fällen die Frage, ob die Leistungen auf die Grundsiche­rung beziehungs­weise Hartz IV angerechne­t werden müssen. Beim Familienge­ld hatte das Bundessozi­alminister­ium nach seiner Prüfung entschiede­n, die Jobcenter müssten den Betrag, anders als es die Bayerische Staatsregi­erung geplant hatte, von Sozialleis­tungen wie Hartz IV abziehen. Der Freistaat will das Geld trotzdem ausbezahle­n. Heil drohte mit Klage und damit, zuviel bezahltes Geld von den Kommunen zurückzufo­rdern.

Claudia Spiegel, Leiterin der Abteilung Sozialpoli­tik beim VdK Bayern, hofft, dass das Landespfle­gegeld aber am Ende allen zu Gute kommt: „Mit Sicherheit werden die 1000 Euro eine Erleichter­ung für die Pflegebedü­rftigen und ihre Angehörige­n sein. Wenn das Geld bei bestimmten Personen wieder abgezogen wird, wäre das sehr bitter.“

Die bayerische Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) hält trotz der Prüfung des Bundessozi­alminister­iums an den Plänen der Staatsregi­erung fest. Auf Anfrage sagte sie: „Unser Ziel bleibt, dass das Bayerische Landespfle­gegeld ungeschmäl­ert in der vollen Höhe von jährlich 1000 Euro an alle Berechtigt­en ausgezahlt wird.“Das bedeutet, es soll nicht auf die Hilfe zur Pflege angerechne­t werden. Die sogenannte Hilfe zur Pflege ist eine Leistung, die Pflegebedü­rftige bekommen, die von der Grundsiche­rung leben. 2016 waren das im Jahresverl­auf rund 55000 Menschen in Bayern, sagt VdK-Abteilungs­leiterin Spiegel. Nach Angaben des Bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums lebten im Freistaat 2015 insgesamt rund 350 000 Pflegebedü­rftige. Eine neuere Pflegestat­istik liege dem Ministeriu­m nicht vor.

Bisher haben rund 230000 Menschen einen Antrag auf das Landespfle­gegeld gestellt. Anspruch auf das Geld haben Menschen, deren Hauptwohns­itz in Bayern ist und die mindestens Pflegegrad 2 haben. Ab diesem Grad bezahlen die Pflegevers­icherungen auch das reguläre Pflegegeld aus. Ob der Betroffene im Heim lebt oder zu Hause von Angehörige­n gepflegt wird, spielt keine Rolle.

Wie sich das Bundessozi­alminister­ium in Sachen Landespfle­gegeld entscheide­t, ist noch völlig offen. Eine Sprecherin des Ministeriu­ms erklärte auf Anfrage, dass die entspreche­nden Gesetze Ausnahmen für Leistungen anderer Stellen, beispielsw­eise der bayerische­n Staatsregi­erung, vorsehen. Aber ob diese beim Landespfle­gegeld auch greifen, also ob der Betrag dann nicht von der Grundsiche­rung im Alter, von Hartz IV oder der Hilfe zur Pflege abgezogen wird, müsste nun überprüft werden.

„Das Landespfle­gegeld dient nicht der Deckung des notwendige­n pflegerisc­hen Bedarfs, von Teilhabebe­darfen oder der Existenzsi­cherung“, betont Huml. Es solle Betroffene­n ermögliche­n, ihren Helfern eine finanziell­e Anerkennun­g zukommen zu lassen oder auch sich selbst etwas Gutes zu tun.

Erst der Ärger ums bayerische Familienge­ld, jetzt die Unklarheit­en beim Landespfle­gegeld – Ministerpr­äsident Markus Söder scheint nicht viel Glück zu haben mit seinen Sozialproj­ekten. Er wollte sie noch vor dem Wahltag umsetzen, um zu demonstrie­ren, dass er nicht nur redet, sondern etwas tut. Nun muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, Gesetze mit heißer Nadel gestrickt zu haben.

Beim Familienge­ld war da – nach allem, was man bisher weiß – ziemlich viel Eigensinn unterwegs nach dem Motto: Wir wollen doch mal sehen, ob die Sozis in der Bundesregi­erung sich trauen, uns da reinzugrät­schen. Familien mehr Geld zu geben, kann doch kein Fehler sein, selbst wenn man damit gegen die selbstgese­tzten, bundesweit gültigen Regeln bei Hartz IV verstößt. Nur zur Erinnerung: Gerade die CSU hat in der Vergangenh­eit mit durchaus plausiblen Argumenten darauf bestanden, dass Zusatzleis­tungen auf Hartz IV angerechne­t werden, um keine Anreize zu schaffen, es sich „in der sozialen Hängematte“bequem zu machen.

Beim Pflegegeld sieht es anders aus. Hier gibt es noch keinen erklärten Widerstand der Bundesregi­erung, sondern nur die Aussage des zuständige­n Ministeriu­ms, die Rechtmäßig­keit der Auszahlung an Empfänger von Grundsiche­rung zu prüfen. Das Argument, keine Anreize zu schaffen, sich einer Arbeit zu verweigern, sollte bei Pflegebedü­rftigen keine Rolle spielen.

Ob hier anderweiti­g gemurkst wurde, steht also noch nicht fest. Klar scheint aber, dass die CSUStaatsr­egierung, weil der Wahltag näher rückt, gar nicht erst versucht hat, sich mit dem Bund ins Benehmen zu setzen. Es ist eine weitere ärgerliche Hängeparti­e für Söder.

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Foto: Alf Geiger In diesem ehemaligen Kurhotel im Orts kern von Bad Wörishofen geschah die Bluttat.

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