Wieder macht ein Zuschuss Ärger
Die Bayerische Staatsregierung will Pflegebedürftige mit zusätzlichen 1000 Euro pro Jahr unterstützen. Wer von Grundsicherung lebt, könnte allerdings leer ausgehen
Noch immer streiten Bund und bayerische Staatsregierung um das Familiengeld. Schon steht der nächste Zuschuss der bayerischen Regierung auf dem Prüfstand. 1000 Euro mehr sollen Pflegebedürftige im Freistaat im Jahr erhalten. Das Landespflegegeld ist Teil eines Pflegepakets, das im Mai beschlossen wurde.
Nun prüft das Bundessozialministerium unter Leitung von Hubertus Heil (SPD), ob die Versprechen der CSU-Regierung in Bayern überhaupt mit den geltenden Gesetzen konform sind, wie eine Sprecherin bestätigte. Die Parallelen zur Debatte um das Familiengeld, mit dem ab diesem Monat bayerische Familien mit kleinen Kindern unterstützt werden, sind kaum zu übersehen: Stein des Anstoßes ist in beiden Fällen die Frage, ob die Leistungen auf die Grundsicherung beziehungsweise Hartz IV angerechnet werden müssen. Beim Familiengeld hatte das Bundessozialministerium nach seiner Prüfung entschieden, die Jobcenter müssten den Betrag, anders als es die Bayerische Staatsregierung geplant hatte, von Sozialleistungen wie Hartz IV abziehen. Der Freistaat will das Geld trotzdem ausbezahlen. Heil drohte mit Klage und damit, zuviel bezahltes Geld von den Kommunen zurückzufordern.
Claudia Spiegel, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik beim VdK Bayern, hofft, dass das Landespflegegeld aber am Ende allen zu Gute kommt: „Mit Sicherheit werden die 1000 Euro eine Erleichterung für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sein. Wenn das Geld bei bestimmten Personen wieder abgezogen wird, wäre das sehr bitter.“
Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hält trotz der Prüfung des Bundessozialministeriums an den Plänen der Staatsregierung fest. Auf Anfrage sagte sie: „Unser Ziel bleibt, dass das Bayerische Landespflegegeld ungeschmälert in der vollen Höhe von jährlich 1000 Euro an alle Berechtigten ausgezahlt wird.“Das bedeutet, es soll nicht auf die Hilfe zur Pflege angerechnet werden. Die sogenannte Hilfe zur Pflege ist eine Leistung, die Pflegebedürftige bekommen, die von der Grundsicherung leben. 2016 waren das im Jahresverlauf rund 55000 Menschen in Bayern, sagt VdK-Abteilungsleiterin Spiegel. Nach Angaben des Bayerischen Gesundheitsministeriums lebten im Freistaat 2015 insgesamt rund 350 000 Pflegebedürftige. Eine neuere Pflegestatistik liege dem Ministerium nicht vor.
Bisher haben rund 230000 Menschen einen Antrag auf das Landespflegegeld gestellt. Anspruch auf das Geld haben Menschen, deren Hauptwohnsitz in Bayern ist und die mindestens Pflegegrad 2 haben. Ab diesem Grad bezahlen die Pflegeversicherungen auch das reguläre Pflegegeld aus. Ob der Betroffene im Heim lebt oder zu Hause von Angehörigen gepflegt wird, spielt keine Rolle.
Wie sich das Bundessozialministerium in Sachen Landespflegegeld entscheidet, ist noch völlig offen. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte auf Anfrage, dass die entsprechenden Gesetze Ausnahmen für Leistungen anderer Stellen, beispielsweise der bayerischen Staatsregierung, vorsehen. Aber ob diese beim Landespflegegeld auch greifen, also ob der Betrag dann nicht von der Grundsicherung im Alter, von Hartz IV oder der Hilfe zur Pflege abgezogen wird, müsste nun überprüft werden.
„Das Landespflegegeld dient nicht der Deckung des notwendigen pflegerischen Bedarfs, von Teilhabebedarfen oder der Existenzsicherung“, betont Huml. Es solle Betroffenen ermöglichen, ihren Helfern eine finanzielle Anerkennung zukommen zu lassen oder auch sich selbst etwas Gutes zu tun.
Erst der Ärger ums bayerische Familiengeld, jetzt die Unklarheiten beim Landespflegegeld – Ministerpräsident Markus Söder scheint nicht viel Glück zu haben mit seinen Sozialprojekten. Er wollte sie noch vor dem Wahltag umsetzen, um zu demonstrieren, dass er nicht nur redet, sondern etwas tut. Nun muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, Gesetze mit heißer Nadel gestrickt zu haben.
Beim Familiengeld war da – nach allem, was man bisher weiß – ziemlich viel Eigensinn unterwegs nach dem Motto: Wir wollen doch mal sehen, ob die Sozis in der Bundesregierung sich trauen, uns da reinzugrätschen. Familien mehr Geld zu geben, kann doch kein Fehler sein, selbst wenn man damit gegen die selbstgesetzten, bundesweit gültigen Regeln bei Hartz IV verstößt. Nur zur Erinnerung: Gerade die CSU hat in der Vergangenheit mit durchaus plausiblen Argumenten darauf bestanden, dass Zusatzleistungen auf Hartz IV angerechnet werden, um keine Anreize zu schaffen, es sich „in der sozialen Hängematte“bequem zu machen.
Beim Pflegegeld sieht es anders aus. Hier gibt es noch keinen erklärten Widerstand der Bundesregierung, sondern nur die Aussage des zuständigen Ministeriums, die Rechtmäßigkeit der Auszahlung an Empfänger von Grundsicherung zu prüfen. Das Argument, keine Anreize zu schaffen, sich einer Arbeit zu verweigern, sollte bei Pflegebedürftigen keine Rolle spielen.
Ob hier anderweitig gemurkst wurde, steht also noch nicht fest. Klar scheint aber, dass die CSUStaatsregierung, weil der Wahltag näher rückt, gar nicht erst versucht hat, sich mit dem Bund ins Benehmen zu setzen. Es ist eine weitere ärgerliche Hängepartie für Söder.