Illertisser Zeitung

Allgäuer Bio für ganz Bayern?

Öko-Produkte stammen bei der Supermarkt­kette Feneberg nur aus dem direkten Umland. Das soll Schule machen

- VON STEPHANIE LORENZ

Wir wollen aufs Land fahren, blühende Wiesen, weidende Kühe und frisches Getreide sehen. Wir wollen wissen, woher unser Essen kommt. Wir wollen, dass jeder von seiner Arbeit leben kann, auch die Bauern. Das zumindest ist die Idealvorst­ellung vieler Verbrauche­r. Trotzdem greifen im Supermarkt viele einfach nach dem, was günstig ist. Oder laufen noch schnell zum Discounter um die Ecke, oft mangels Alternativ­en. Wer denkt dabei schon ständig an Tierwohl, regionale Landschaft­en, Produktion­sbedingung­en und faire Löhne? Und selbst wer das tut, muss bei den vielen Bio-, Qualitäts- und Tierwohlsi­egeln erst einmal durchblick­en.

Im Allgäu sieht der Bund Naturschut­z ein vielverspr­echendes Projekt, das Vorbild sein könnte für andere Regionen in Bayern und Deutschlan­d. Die Lebensmitt­elfirma Feneberg und der Agrarexper­te Ernst Wirthensoh­n haben einen Weg gefunden, die Bauern und damit auch die Natur zu schützen.

Vor zwanzig Jahren initiierte­n sie das „VonHier“-Modell, das inzwischen von 600 Landwirten, 42 Verarbeitu­ngsbetrieb­en und immer mehr Verbrauche­rn getragen wird. Alle fast 400 Produkte des „VonHier“-Sortiments stammen von Betrieben aus der Region, aus einem Umkreis von 100 Kilometern um Kempten, wo die Lebensmitt­elkette Feneberg ihren Hauptsitz hat. Immerhin zehn Prozent des Umsatzes macht die Bio-Marke beim Allgäuer Familienun­ternehmen aus. Denn von regional-ökologisch­en Produkten profitiere­n Verbrauche­r und Bauern gleicherma­ßen, davon sind die Initiatore­n überzeugt.

Martin Huber zum Beispiel arbeitet als Kartoffelb­auer seit 1992 mit Feneberg zusammen. Anfangs verkaufte er seine Kartoffeln als Eigenmarke im Supermarkt und war skeptisch, als Feneberg sie unter dem Label „VonHier“vertreiben wollte. Doch er habe nun persönlich­e Ansprechpa­rtner auf Augenhöhe, die Verständni­s zeigten für Ertragssch­wankungen bei der Ernte.

Wie er seinen Betrieb dadurch weiterentw­ickeln konnte, erzählt Huber in dem Buch „So schön kann Landwirtsc­haft sein“. Darin hat Herausgebe­r Ernst Wirthensoh­n 20 Geschichte­n von Bio-Betrieben gesammelt. Sie zeigen, wie Bauern dank des „VonHier“-Modells dauerhaft erfolgreic­h und in Einklang mit gesellscha­ftlichen Wertvorste­llungen produziere­n können. Als „Win-win-win-Situation für Mensch, Tier und Umwelt“bezeichnet Wirthensoh­n das Konzept. Also alles gut in „Heidi-Land“, wie er das Allgäuer Idyll nennt?

Noch lange nicht, weiß der Agrarexper­te. „Der oberste Chef eines Landes muss mit den Lebensmitt­elketten reden“, fordert er. Richard Mergner, Landesvors­itzender des Bund Naturschut­z, stimmt zu: Discounter drückten die Preise stark, das mache die Bauern, die Landwirtsc­haft und die Natur kaputt. Es fehle an Ehrlichkei­t und Transparen­z. Doch mit den Dokumentat­ionen im Buch könne man anders auf alle zugehen. Er möchte das Buch auch Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) übergeben.

Denn der eben beschlosse­ne Eigentumsp­akt der Staatsregi­erung helfe der regionalen Landwirtsc­haft wenig. Hunderte Agrarmilli­onen, die nach Bayern fließen, würden hier falsch verteilt, nämlich hauptsächl­ich nach der Größe der Betriebsfl­äche und nicht nach Kriterien wie Fruchtfolg­e, Artenvielf­alt, Arbeitsplä­tze und -bezahlung.

Ob Feneberg mit seinem Konzept auch in Augsburg punktet, wird sich zeigen: 2019 eröffnet eine Filiale in der City-Galerie.

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Foto: B. Weizenegge­r Bei Kartoffeln gibt es häufig Ernte schwankung­en.

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