Im Zeichen der Kreuzpartikel
Zum doppelten Jubiläum gibt es in Wiblingen Gottesdienste, eine Reiterprozession – und hohen Besuch
Ein vierfacher Anlass war es, zu dem sich jüngst zahlreiche Gläubige, kirchliche Prominenz angeführt von Walter Kardinal Kasper aus Rom, und nicht zuletzt einer Prozession aus nahezu fünfzig Reitern mit ihren prächtig herausgeputzten Rössern im Wiblinger Klosterhof versammelten: Vor 925 Jahren wurde das Kloster Wiblingen gegründet; vor 115 Jahren wurde ein Teil des berühmten Kreuzpartikels – der Überlieferung zufolge Splitter vom Kreuz Jesu – von Wiblingen nach Gögglingen überführt.
Vor 25 Jahren – als der heutige Kardinal Kasper noch Bischof von Rottenburg-Stuttgart war – wurde die ehemalige Klosterkirche von Papst Johannes Paul II. zur Päpstlichen Basilika ernannt. Und alljährlich am 14. September feiern mehrere christliche Konfessionen das liturgische Fest „Kreuzerhöhung“zur Erinnerung an die Auffindung des Kreuzes durch Kaiserin Helena anno 325. Dekan Ulrich Kloos, Leiter der Ulmer Seelsorgeeinheit, hatte die Initiative zu einer Reiterprozession gegeben, die den Gögglinger Kreuzpartikel in einer vierspännigen Kutsche erstmals seit 1803 wieder für einen Tag nach Wiblingen zurückgeleitete. So kam ein festlicher Zug in den Klosterhof, und dort spendeten der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart und heutige Kardinal, Walter Kasper, sowie Dekan Ulrich Kloos den Reiterinnen und Reitern sowie ihren Rössern den Segen mit dem Wiblinger und dem Gögglinger Kreuz, wozu diese jeweils einzeln oder paarweise nach vorne kamen.
Einen farben- und klangprächtigen Hintergrund für die feierliche Handlung boten zahlreiche Fahnen und Prozessionskreuze, der Musikverein Wiblingen und eine Abordnung der Historischen Bürgerwehr Dietenheim mit Fahne, Offizierskorps und Ehrenzug unter Gewehr. Zahlreich vertreten war auch die ökumenische Vereinigung „Unità Dei Cristiani“, die 2001 auf Initiative von Kardinal Kasper zur Förderung der Ökumene gegründet wurde und heute mit rund dreihundert Mitgliedern in ganz Oberschwaben vertreten ist.
Unità-Präsident Max Semler, Dietenheim, hatte gemeinsam mit Dekan Kloos das Fest organisiert. Nach der Segnung zog die Gemeinde in die Basilika ein, wo Kardinal Kasper mit zahlreichen Geistlichen und wiederum unter großer Anteilnahme einen Festgottesdienst feierte. Unter den Konzelebranten sah man auch den aus Ulm stammenden und heute in Rom amtierenden Generalabt des Prämonstratenserordens, P. Thomas Handgrätinger.
In der vorderen Reihe der Gottesdienstteilnehmer waren hochrangige Repräsentanten der evangelischen, orthodoxen und neuapostolischen Kirchengemeinschaften sowie politische Prominenz vertreten. In seiner Predigt erklärte Kardinal Kasper die Bedeutung des Kreuzes für unsere Zeit als Zeichen der Orientierung für ein sinnerfülltes Leben.
In diesem Zusammenhang ging er auch ausführlich auf den Missbrauchsskandal ein, der aktuell die Kirche erschüttert. Er nehme diesen, so der Kardinal, „mit Scham und Reue“zur Kenntnis, und es gelte, sowohl im Hinblick auf die Täter als auch besonders auf die Opfer, die gesamten Ereignisse schonungslos aufzuarbeiten. Dabei, so Kasper weiter, habe Papst Franziskus die volle Unterstützung der Kirche verdient, obwohl dies leider nicht immer der Fall sei. Der Papst, so berichtete er, werde bei seinen Bemühungen um die Aufklärung und daraus resultierende Maßnahmen offensichtlich sogar von interessierten Kreisen gehindert. Wie traurig der Papst darüber sei, zeige sich darin, dass er sich nach persönlichen Gesprächen mit ihm anstelle eines Grußes nur noch mit den Worten „Bete für mich !“verabschiede. Mit festlicher Musik einer Bläsergruppe und des Männerchores der Basilika war der Gottesdienst umrahmt worden, der mit dem traditionellen „Wiblinger Heilig-KreuzLied“ausklang.