Polizei nimmt Handy Sünder ins Visier
Bei einer Kontrollaktion wollen die Ordnungshüter auf die tödliche Gefahr durch Ablenkung am Steuer aufmerksam machen. Wie sich die ertappten Fahrer rechtfertigen
In den vergangenen Jahren hat die Polizei immer wieder bei Blitzermarathons auf gefährliche Regelverstöße im Straßenverkehr aufmerksam gemacht. Jetzt haben die Beamten den Fokus auf etwas anderes gelegt: auf die Ablenkung durch Smartphones.
Bundesweit haben rund 11 000 Polizisten gezielt Fahrer kontrolliert. Auch im Kreis Neu-Ulm und den umliegenden Landkreisen waren etliche Ordnungshüter im Einsatz. Das Präsidium Ulm setzte knapp 300 Beamte ein, das Präsidium Schwaben Süd/West in Kempten war ähnlich stark präsent. An jeweils etwa 100 Stellen nahmen sie Autos, Lastwagen und Fahrer ins Visier. Gegen 6 Uhr begannen die Kontrollen, bereits um 10.30 Uhr hatten die Beamten im Bereich des Kemptener Präsidiums 57 Männer und Frauen mit Mobiltelefonen erwischt und 111 weitere Verstöße registriert.
Die Polizei hatte die Aktion im Vorfeld ausgiebig angekündigt. Nach Gesprächen, die die Illertisser Polizei mit Fahrern geführt hat, hat das Wirkung gezeigt: Die Leute haben wohl noch stärker als sonst darauf geachtet, am Steuer kein Telefon in die Hand zu nehmen. Doch Polizeikommissar Thomas Schmidt hat auch eine grundsätzliche Beobachtung gemacht: „Die Handymoral hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren gebessert.“Seine Kollegen sind von morgens bis abends für Kontrollen unterwegs – an den großen Durchgangsstraßen im Illertisser Stadtgebiet genauso wie im Ortsteil Tiefenbach.
Ortstermin an der Augsburger Straße in Neu-Ulm. Ein Stück vor der Kontrollstelle hat sich ein Späher postiert, der den Verkehr im Auge hat. Der Zivilbeamte hält Ausschau nach Frauen und Männern, die das Smartphone während der Fahrt in der Hand halten oder keinen Sicherheitsgurt angelegt haben. Auch telefonierende Radfahrer entgehen dem Polizisten nicht. Über Funk meldet der Späher Verstöße an die Kontrollstelle: „Roter Lkw, Handy in der rechten Hand auf Lenkradhöhe, Hülle nach hinten umgeschlagen, tippend.“
Werner Lipp, Verkehrssachbearbeiter bei der Neu-Ulmer Polizei, schüttelt grinsend den Kopf. Nicht, weil er sich freut, dass jemand erwischt wurde – sondern weil die Augen des Spähers so gut sind, dass der Vorwurf „gerichtsfest“ist. „Was der alles sieht“, sagt Lipp anerkennend. Sekunden später macht ein weiterer Beamter in Warnweste und mit roter Kelle ein paar Schritte auf die Straße und zeigt dem Lastwagenfahrer, wo er anzuhalten hat.
Innerhalb einer Stunde hält die Polizei an der Augsburger Straße fünf Fahrer an. Zwei mit dem Handy in der Hand, zwei, weil sie nicht angeschnallt sind – und einen mit Telefon und ohne Gurt. Werner Lipp ist hin- und hergerissen: „Die Prävention und die Ankündigung des Kontrolltages zeigen wohl Wirkung.“Häufig hat er einen ganz anderen Eindruck: „Wie oft sieht man, wenn man privat unterwegs ist, im Auto neben sich jemanden tippen?“Die Zahl der Anzeigen seit der Bußgelderhöhung im Herbst 2017 ist im Zuständigkeitsbereich der Polizei Neu-Ulm um 15 Prozent gestiegen, Baden-Württemberg meldet sogar eine Zunahme von 30 Prozent.
Auch auf der Ulmer Seite wird eifrig kontrolliert, zum Beispiel an der B 28 am Ortsende von Blaustein in Richtung Ulm. Trotz der vielen Fahrzeuge müssen die Polizisten selten mit der Kelle auf die Straße laufen. Nur sechs Handyverstöße werden geahndet, dreimal war der Sicherheitsgurt nicht angelegt.
Der Polizei ist es wichtig, nicht nur Bußgelder zu verteilen. Die Beamten suchen gezielt das Gespräch und klären über das Risiko auf. Auch wenn das Handy als Ursache selten eindeutig nachweisbar ist: Wenn Autos von der Straße abkommen oder in den Gegenverkehr geraten, ohne das es Spuren gibt, spricht viel dafür, dass Ablenkung eine Rolle gespielt hat. In BadenWürttemberg trifft das nach neuen Untersuchungen auf rund ein Viertel aller tödlichen Unfälle zu.
Die ertappten Sünder in Ulm und Neu-Ulm geben ihren Fehler meist unumwunden zu und haben immer einen Grund parat. Ein Lastwagenfahrer sagt etwa: „Ich habe eine Nachricht von meinem Chef gelesen, wo die nächste Fahrt hingeht.“
An der Neu-Ulmer Kontrollstelle stoppen die Polizisten einen jungen Mann auf einem Fahrrad: Die linke Hand am Lenker, in der rechten das Handy, in einem Ohr der Kopfhörer und den Kopf mehr nach unten als nach vorne gerichtet. „Ich bin auf dem Weg zum Arzt, brauche das Navi“, behauptet er. Auf seine Ausrede „das machen doch alle so“bekommt er vom Beamten die Antwort: „Und wenn alle in die Donau springen, dann springen sie hinterher?“Neben dem Bußgeldbescheid gibt es eine Infobroschüre über die Gefahr der Ablenkung, am Ende des belehrenden Gesprächs trennt man sich per Handschlag, auch wenn die 55 Euro Buße für den jungen Mann eine Menge Geld sind.
Ursache nicht eindeutig nachzuweisen