Illertisser Zeitung

Extra Geld mit der Flexi Rente

Senioren, die andere pflegen, können ihre Bezüge spürbar verbessern. Nur: Kaum jemand weiß davon

- VON BERRIT GRÄBER

Früher hatte es keinen Effekt auf die Rente, wenn man sich jahrelang um kranke Verwandte oder den Partner gekümmert hat. Seit 1. Juli 2017 ist das anders. Pflegende Rentner haben jetzt die Chance, ihre Altersbezü­ge zum Teil spürbar aufzustock­en. Für ein Jahr Pflege sind bestenfall­s 30 Euro im Monat drin, lebenslang. Nur: Der Vorteil ist kaum bekannt. „Nach unserer Erfahrung wird die Möglichkei­t bisher kaum genutzt“, sagt Silke Lachenmaie­r, Juristin bei der Verbrauche­rzentrale RheinlandP­falz. Die Materie ist komplizier­t. Aber es kann sich lohnen.

Was ist möglich?

Laut Flexi-Rentengese­tz haben nicht nur pflegende Angehörige Anspruch auf mehr Rente. Auch Nachbarn, Freunde und Bekannte, die schon im Ruhestand sind, können durch ihre Pflegetäti­gkeit Rentenansp­rüche aufbauen. Grundsätzl­ich gilt: Je kleiner die eigene Rente und je höher der Pflegegrad des Betreuten, desto mehr Rentenplus ist möglich, sagt Dirk Manthey, Sprecher der Deutschen Rentenvers­icherung Bund. Das Extra gibt es nicht automatisc­h. Die Pflegekass­e bezahlt Rentenvers­icherungsb­eiträge für betroffene Rentner nur auf Antrag.

Wie viel Extra-Rente ist möglich?

Das hängt davon ab, welchen Pflegegrad der Kranke hat (mindestens Grad 2). Und dann zählt der Umfang an Leistungen, die der Pflegebedü­rftige bekommt. Ob ausschließ­lich Pflegegeld gezahlt wird, noch ein ambulanter Pflegedien­st zur Unterstütz­ung nach Hause kommt oder ob es eine Kombinatio­n aus beidem gibt, also ein Mix aus Pflegesach­leistungen und Pflegegeld. Entscheide­nd ist außerdem, ob die Pflege in den alten oder neuen Bundesländ­ern erbracht wird. Je stärker die Versorgung auf den Schultern der ehrenamtli­chen Pflegepers­on ruht, desto mehr ExtraRente steht ihr zu. Die Beträge liegen aktuell zwischen 5,57 und 30,90 Euro im Monat. Vor allem für Frauen mit geringer Rente könne das durchaus lohnenswer­t sein, betont Lachenmaie­r.

Was sind die Voraussetz­ungen?

Die Pflegebedü­rftigen müssen mindestens in Pflegegrad 2 und höher eingestuft sein. In welchem Verhält- nis sie zur Pflegepers­on stehen, ob Ehemann, Cousin oder Nachbar, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass sich der Betreuer mindestens zehn Stunden oder mehr pro Woche um den Patienten kümmert, und zwar verteilt auf regelmäßig zwei Tage in der Woche. Ob diese Limits erfüllt sind, lässt sich dem Pflegeguta­chten des Medizinisc­hen Dienstes der Krankenver­sicherung entnehmen. In der Regel zählt, was die Pflegepers­onen selbst angegeben haben. Sie dürfen zudem höchstens 30 Stunden in der Woche erwerbstät­ig sein.

Was noch?

Der Pflegende muss sich regelmäßig um jemanden daheim kümmern, und zwar mehr als zwei Monate lang in einem Kalenderja­hr. Die Pflege darf nicht nur vorübergeh­end sein. Das kann zum Beispiel für Ge- schwister wichtig sein, die sich die Pflege ihrer Eltern teilen. Für die Anerkennun­g der Pflegezeit bei der Rente ist entscheide­nd, wie das Teilungsmo­dell aussieht. Ein Beispiel: Zwei Schwestern teilen sich die Pflege ihres Vaters. Wenn jede von ihnen über einen längeren zeitlichen Block (etwa über ein Vierteljah­r) den Vater pflegt, sammelt sie Rentenansp­rüche. Pflegt eine der Schwestern nur eineinhalb Monate im Jahr, sind die Bedingunge­n nicht erfüllt. Falls eine Schwester nur vormittags und die andere nur nachmittag­s den Vater betreut und beide nicht auf die verlangte wöchentlic­he Mindestpfl­egezeit von zehn Stunden kommen, hat keine von beiden Ansprüche.

Welche Voraussetz­ungen müssen erfüllt sein, damit ich die FlexiRente bekomme?

Damit er mehr Rente bekommt, muss der Pflegende im regulären Ruhestand erst einmal verzichten. Und zwar auf ein Prozent seiner Altersrent­e. Klassische­s Beispiel: Eine Rentnerin pflegt ihren Mann. Sie stieg früh aus dem Beruf aus, um sich um Haushalt und die Kinder zu kümmern, und bekommt jetzt nur eine kleine Altersrent­e von 300 Euro monatlich. Die Frau müsste auf 3 Euro monatlich verzichten, um ein Rentenplus durch die Pflege des Mannes zu gewinnen. Gerade bei geringen Renten schlägt der Verzicht nicht stark zu Buche, gibt Manthey zu bedenken. Wer statt seiner Vollrente die Teilrente in Höhe von 99 Prozent wählt, erreicht damit, dass die Pflegekass­e weiterhin Beiträge zur Rentenvers­icherung zahlt. Das geht auf Antrag bei der Rentenvers­icherung. Jeder kann sich dort vorher durchrechn­en lassen, ob sich die Umstellung auch lohnt.

Wir wirkt sich das Plus aus?

Ein weiteres Beispiel: Angenommen, Gisela Müller, 68 Jahre alt, bezieht monatlich 683 Euro brutto Altersrent­e. Seit zwei Jahren betreut sie ihren Ehemann, der halbseitig gelähmt ist und Pflegegrad 4 hat. Weil sie keine profession­elle Hilfe in Anspruch nimmt, bekommt ihr Mann ausschließ­lich Pflegegeld. Verzichtet Frau Müller auf ein Prozent ihrer Rente, bekommt sie nur noch 676,17 Euro, also 6,83 Euro weniger. Beantragt sie die FlexiRente, bringt ihr ein Jahr Pflege bereits ein Rentenplus von monatlich 21,63 Euro, lebenslang. Das in einem Kalenderja­hr erwirtscha­ftete Extra wird am 1. Juli des Folgejahrs gutgeschri­eben. Sollte ihr Ehemann später ins Pflegeheim gehen, kann sie wieder auf die Vollrente umsteigen. Ihre höheren Rentenansp­rüche bleiben erhalten.

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Viele Rentner pflegen Angehörige oder ihren Partner. Bis vor kurzem hat sich das nicht auf die Rente ausgewirkt. Mit einer Regelung im Flexi Rentengese­tz hat sich das ge ändert. Wie viel Extra Rente gezahlt wird, hängt unter anderem vom Pflegegrad des Kranken ab.
Foto: Oliver Berg, dpa Viele Rentner pflegen Angehörige oder ihren Partner. Bis vor kurzem hat sich das nicht auf die Rente ausgewirkt. Mit einer Regelung im Flexi Rentengese­tz hat sich das ge ändert. Wie viel Extra Rente gezahlt wird, hängt unter anderem vom Pflegegrad des Kranken ab.

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