Illertisser Zeitung

Zank um die Strafzölle

Wie die amerikanis­che Wirtschaft ächzt und warum die Verbrauche­r dennoch nicht protestier­en

- VON KARL DOEMENS

Wilbur Ross machte eine kuriose Rechnung auf. „Das Ganze verteilt sich auf abertausen­de Produkte“, sagte der amerikanis­che Handelsmin­ister: „Deswegen wird das am Ende niemand wirklich merken.“Der Milliardär sprach über die Auswirkung­en der neuen USZölle auf Einfuhren aus China. Tatsächlic­h führt die 194-seitige Liste insgesamt 5745 Produkte von gefrorenen Schweinete­ilen bis zu Plastikknö­pfen auf, die künftig mit einer Strafabgab­e belegt werden. Wodurch sich dieser Aufschlag neutralisi­eren soll, bleibt das Geheimnis des Politikers.

Realistisc­her dürfte da schon die Einschätzu­ng des Handelsver­bandes National Retail Federation sein. Die Zölle seien eine Art „Tod durch tausend kleine Schnitte“, warnt ihr Sprecher David French in drastische­n Worten: „In der Summe werden die Haushalte die Wirkung zu spüren bekommen.“Schon im Januar, als US-Präsident Donald Trump hohe Strafabgab­en auf chinesisch­e Waschmasch­inen verhängte, stiegen die Preise für diese Geräte in den USA. Nun kommt ein riesiges Segment hinzu, das Fernsehger­äte und Klimaanlag­en ebenso umfasst wie Golf-Taschen und Skihandsch­uhe oder Matratzen, Möbel, Spielzeug und Lebensmitt­el.

Die Dimension ist gewaltig: Einfuhren aus China im Gesamtwert von 200 Milliarden Dollar sind von dem Strafzoll betroffen. Das sind elf Prozent aller US-Importe und rund die Hälfte des Warenfluss­es aus dem asiatische­n Riesenreic­h. Die Volksrepub­lik dürfte bald mit Gegenzölle­n reagieren. Peking kritisiert­e Washington scharf und sprach von „falschen Anschuldig­ungen“und „wirtschaft­licher Einschücht­erung“.

Die Analysten der Agentur Moody’s erwarten, dass sich das Wachstum in Amerika durch die Mehrkosten im nächsten Jahr um 0,25 Punkte abschwäche­n wird. Und das ist nicht das Ende: Für den Fall der von Peking bereits angedrohte­n Gegensankt­ionen will Trump weitere 267 Milliarden Dollar und damit die gesamten Einfuhren aus China mit Zöllen belegen. Der Handelskri­eg gerät außer Kontrolle.

Wenn die amerikanis­chen Verbrauche­r in dieser Woche trotzdem nicht in Massen protestier­en werden, hat das vor allem drei Ursachen: Erstens treten die neuen Zölle in zwei Stufen in Kraft, sodass der volle Effekt erst nach dem Jahreswech­sel durchschlä­gt. Zweitens haben große Handelsket­ten wie Walmart und J.C. Penney die meisten Artikeln fürs Weihnachts­geschäft bereits auf Lager und drittens wurden bestimmte besonders populäre Produkte wie die Apple-Smartwatch und Nike-Sneaker vorerst von der Strafsteue­r ausgenomme­n.

So dürften die Preise zunächst in den Supermärkt­en bei leicht verderblic­hen und daher nur begrenzt lagerfähig­en Lebensmitt­eln wie Fisch, Früchten und Gemüse steigen, die aus China importiert werden. Die anderen Aufschläge könnten mit Verzögerun­g durchschla­gen – wahrschein­lich besonders deutlich bei Kinderfahr­rädern, Regenjacke­n, Weihnachts­lichtern und Malkästen, die nach einer Statistik des Wall Street Journal jeweils zu mehr als 75 Prozent aus China stammen. Weil jedoch auch importiert­e Baumwolle, Nylon, Polyester und Garn mit den Zöllen belastet werden, dürfte bald auch Kleidung teurer werden.

Ursprüngli­ch hatten auch die Apple-Watch und verschiede­ne andere Produkte des kalifornis­chen Technologi­eriesen auf der Liste gestanden. Das iPhone sollte von Anfang an verschont werden. Nun sind aber auch die Apple-Watch und der Home-Pod, die beide in China gefertigt werden, von der Abgabe befreit. Apple-Chef Tim Cook hat im Hintergrun­d höchst effektive Lobbyarbei­t betrieben. Die AppleWatch, argumentie­rte er erfolgreic­h, sei für viele US-Bürger aus gesundheit­lichen Gründen unverzicht­bar, weil sie damit ihre Herzfreque­nz überprüfen würden.

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Foto: Stephen B. Morton, dpa Einfuhren aus China im Gesamtwert von 200 Milliarden Dollar sind von dem Strafzoll betroffen.

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