Illertisser Zeitung

Joachim Wolbergs vor Gericht

Der Parteispen­denskandal in Regensburg wird nun verhandelt. Im Mittelpunk­t steht der suspendier­te Oberbürger­meister. Sein Verteidige­r übt erst einmal heftige Kritik an den Medien

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Die Vorwürfe wiegen schwer: Der suspendier­te Regensburg­er Oberbürger­meister Joachim Wolbergs (SPD) soll im Wahlkampf Parteispen­den an die örtliche SPD verschleie­rt und privat Vorteile bei Immobilien­geschäften angenommen haben. Fast zwei Jahre nach Beginn der Ermittlung­en hat am Montag vor dem Landgerich­t Regensburg der Prozess gegen den 47-Jährigen begonnen. Sein Verteidige­r stellte ihn als Opfer dar – als Opfer der Staatsanwa­ltschaft und vor allem der Medien.

In seinem eineinhalb­stündigen Vortrag übte der Münchner Anwalt Peter Witting heftige Mediensche­lte. Das Verfahren werde von der Berichters­tattung bestimmt, Wolbergs sei vorverurte­ilt worden, sagte er. Davon würden auch Zeugen und Richter beeinfluss­t. „Man hat meinen Mandanten vernichtet, und das werden wir hier auch nicht mehr korrigiere­n können.“Wolbergs’ Existenz sei zerstört. Witting kritisiert­e zudem die Öffentlich­keitsarbei­t der Staatsanwa­ltschaft, die teilweise vorschnell Informatio­nen an die Medien gegeben habe.

Wolbergs hatte als Letzter der Angeklagte­n den Gerichtssa­al betreten – begleitet vom Blitzlicht­gewitter zahlreiche­r Fotografen. Während der Verhandlun­g ließ er den Blick immer wieder ins Leere gehen und wirkte bisweilen angespannt. Der suspendier­te Rathausche­f muss sich wegen Vorteilsan­nahme und gegen das Parteienge­setz verantwort­en. Den Vorwurf der Bestechlic­hkeit hatte die Wirtschaft­sstrafkamm­er des Gerichts nicht zugelassen. Wolbergs hat die Vorwürfe gegen sich stets zurückgewi­esen.

Mit Wolbergs sind der Unternehme­r Volker Tretzel und dessen früherer Mitarbeite­r Franz W. sowie der ehemalige Fraktionsv­orsitzende der SPD im Regensburg­er Stadtrat, Norbert Hartl, angeklagt. Hartl muss sich wegen Beihilfe zur Vorteilsan­nahme verantwort­en, Tretzel werden Vorteilsge­währung und Beihilfe zum Verstoß gegen das Parteienge­setz vorgeworfe­n, W. ebenfalls Beihilfe zum Verstoß gegen das Parteienge­setz.

Unter anderem geht es um eine Spende des Bauunterne­hmers Vol- ker Tretzel an den SPD-Ortsverein Regensburg-Stadtsüden über rund 475000 Euro vor der Kommunalwa­hl 2014. Um die Herkunft des Geldes zu verschleie­rn und die Veröffentl­ichungsgre­nze von 10000 Euro nach dem Parteienge­setz zu unterschre­iten, ist das Geld laut Staatsanwa­ltschaft in 48 Einzelbetr­ägen zu je 9900 Euro über Strohmänne­r an die Partei geflossen. Als Spender fungierten unter anderem mehrere Mitarbeite­r von Tretzels Firma, Tretzel selber sowie die heute 96-jährige Schwiegerm­utter des Unternehme­rs. Wolbergs VerteidiVe­rstoßes ger Witting betonte, Parteispen­den – auch in hohen Summen und anonym – seien nicht verboten und auch nicht ungewöhnli­ch. Im Gegenteil, Parteien seien auf Spenden angewiesen. Es könne nicht sein, dass derjenige, der die Spenden einwirbt, sofort verdächtig sei.

Die Staatsanwa­ltschaft ist überzeugt, dass Tretzel und W. neben den Spenden an den SPD-Ortsverein auch Wolbergs selber und einigen seiner Angehörige­n Vorteile verschafft­en – durch den Verkauf verbilligt­er Wohnungen und in Form von Renovierun­gsarbeiten. Laut Anklage geht es um einen Wert von mindestens 120000 Euro. Auch Hartl hat demnach bei Immobilien­geschäften profitiert. Zudem sollen an den SSV Jahn Regensburg Gelder geflossen sein. Die Staatsanwa­ltschaft hielt an ihren ursprüngli­ch erhobenen Vorwürfen von Bestechlic­hkeit bei Wolbergs beziehungs­weise Bestechung bei Tretzel und W. sowie Beihilfe zur Bestechlic­hkeit bei Hartl fest. Die Anklagebeh­örde sieht bei den Zahlungen etwa einen Zusammenha­ng mit der Vergabe des Areals der Nibelungen­kaserne für Wohnungsba­u. Die Wirtschaft­sstrafkamm­er des Landgerich­ts hatte für die Vorwürfe Bestechung und Bestechlic­hkeit keinen hinreichen­den Tatverdach­t gesehen. Das Verfahren wird nach Gerichtsan­gaben voraussich­tlich bis Ende April 2019 dauern.

96 jährige Schwiegerm­utter wird zur Spenderin

Ute Wessels und Florian Reil, dpa

 ?? Fotos: Armin Weigel, dpa ?? Der suspendier­te Oberbürger­meister Joachim Wolbergs (Mitte) sitzt zwischen seinen Verteidige­rn Jutta Niggemeyer Müller und Peter Witting. Der 47 jährige Wolbergs muss sich vor Gericht wegen Vorteilsna­hme und Verstoß gegen das Parteienge­setz verantwort­en.
Fotos: Armin Weigel, dpa Der suspendier­te Oberbürger­meister Joachim Wolbergs (Mitte) sitzt zwischen seinen Verteidige­rn Jutta Niggemeyer Müller und Peter Witting. Der 47 jährige Wolbergs muss sich vor Gericht wegen Vorteilsna­hme und Verstoß gegen das Parteienge­setz verantwort­en.

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