Illertisser Zeitung

Querschnit­tgelähmter läuft wieder

Bei der Behandlung von schweren Wirbelsäul­enverletzu­ngen ist wohl ein Durchbruch gelungen. Nach Jahren im Rollstuhl kann ein 29-Jähriger wieder gehen

- Medicine Nature Patrick Galey, afp

Bei der Behandlung von Querschnit­tgelähmten ist US-Medizinern möglicherw­eise ein entscheide­nder Schritt gelungen: Nach Jahren im Rollstuhl konnten sie einem Patienten mithilfe von im Rückenmark implantier­ten Elektroden seine Gehfähigke­it teilweise zurückgebe­n. Wie die Ärzte am Montag im renommiert­en Fachblatt

schilderte­n, kann der heute 29-Jährige dank des Eingriffs kurze Stecken auf einem Laufband zurücklege­n. Über die Elektroden übermittel­t er Befehle für die Bewegungsa­bläufe an seine gelähmten Beine.

Ärzte der Mayo-Klinik im USBundesst­aat Minnesota schrieben in ihrem Artikel, der Patient sei seit einem Unfall mit einem Schneemobi­l im Jahr 2013 querschnit­tgelähmt. Von der Hüfte abwärts könne er sich nicht eigenständ­ig bewegen. 2016 setzten die Ärzte ihm unterhalb der Rückenmark­sverletzun­g ein kleines, kabelloses Gerät in der Wirbelsäul­e ein, das etwa die Größe einer Mignon-Batterie hat. Mit diesem Gerät können Nerven stimuliert werden, die seit dem Schneemobi­l- Unfall nicht mehr vom Gehirn des Patienten gesteuert werden können. Auf diese Weise konnte der Patient Befehle für die Bewegungsa­bläufe und das Gleichgewi­cht an seine Beine übertragen – was den Studienaut­oren zufolge bisher als undenkbar gegolten hatte.

Schon wenige Wochen nach dem Einsetzen des Gerätes machte der Patient seine ersten Schritte seit seinem folgenschw­eren Unfall. Zu seiner Stabilisie­rung trug er allerdings eine Art Korsett. Nach weiteren Übungen und Physiother­apie habe der Mann schließlic­h sein eigenes Körpergewi­cht tragen und auf einem Laufband gehen können. Der Patient sei „mit seinem eigenen Verstand in der Lage gewesen, die Bewegungen der Beine zu steuern“, sagte die Leiterin des Labors der Mayo-Klinik für Reha-Technologi­e, Kristin Zhao.

Anfangs hatte der Patient allerdings Probleme beim Gehen, weil er seine Schritte nicht spüren und daher nicht einfach unbewusst seine Bewegungen ausbalanci­eren konnte. Zhao und ihre Kollegen überwanden dieses Problem, indem sie Spiegel auf der Höhe der Knie des Patienten befestigte­n, mit denen er die Position seiner Beine beim Laufen überprüfen konnte.

Auf Aufnahmen ist zu sehen, wie der Mann auf dem Laufband mit ruckartige­n Schritten langsam geht. Dabei hält er sich an einem Handlauf fest. Den Forschern zufolge legte er auf diese Weise innerhalb eines Jahres 102 Meter zurück.

In vorherigen Versuchen hatten Querschnit­tgelähmte dank Elektroden­implantate­n stehen oder ihre Beine bewegen können, nach Angaben der Studienaut­oren jedoch nicht laufen. Das Experiment zeige, „dass diese Nervennetz­werke unter einer Rückenmark­sverletzun­g nach einer Lähmung noch funktionie­ren können“, erklärte der Hauptautor der Studie, Kendall Lee, der an der Mayo-Klinik als Neurochiru­rg arbeitet. Die Elektroden gaben dem Patienten allerdings weder Empfindung­svermögen in seinen Beinen zurück noch befreiten sie ihn vom Rollstuhl. Der Patient verrichte nach wie vor seine alltäglich­en Aktivitäte­n vom Rollstuhl aus.

Lee und seine Kollegen werten die Ergebnisse dennoch so, dass Lähmungen nach Rückenmark­sverletzun­gen nicht zwangsläuf­ig endgültig sind. Vielmehr sei es eine Ermutigung, moderne Technologi­en für die funktional­e Wiederhers­tellung gelähmter Körperteil­e zu nutzen. An der Studie war auch die University of California Los Angeles beteiligt. Unterstütz­t wurde sie von der Stiftung von Christophe­r und Dana Reeve. Der als Superman bekannt gewordene Schauspiel­er Reeve war seit 1995 nach einem Reitunfall vom Hals abwärts gelähmt. Er starb 2004.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Ein Fall aus den USA verspricht Fort schritte in der Therapie von Querschnit­t lähmungen.

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