Nächste Runde im Torwartduell
Im Sommer entschied sich Augsburgs Trainer Baum für Giefer. Nach dessen Patzern drängt sich Konkurrent Luthe auf. Gegen Bayern München wird er wohl dennoch nicht spielen
Auch wenn der FC Augsburg bereits seine achte Spielzeit in der Bundesliga erlebt, Begegnungen mit dem FC Bayern München bleiben etwas Außergewöhnliches. Sich mit einer der besten Vereinsmannschaft Europas zu messen, ist für die Augsburger, die ihr AußenseiterImage pflegen und den Klassenerhalt als Saisonziel ausgeben, schließlich nicht alltäglich.
Der Gegner allein verleiht der Partie in München am Dienstagabend Strahlkraft (20.30 Uhr). Die Gedanken von FCA-Trainer Manuel Baum kreisen allerdings nicht nur darum, wie er den außergewöhnlich begabten Kickern aus München den Spaß am Kombinationsfußball rauben kann, ihn beschäftigt zudem die Frage, mit welchem Torhüter er die Partie bestreiten wird. Vielleicht sogar, mit welchem er sie bestreiten muss.
Nachdem Fabian Giefer zuletzt gegen Mainz und Bremen entscheidend gepatzt hat, ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob der 28-Jährige noch in der Startelf zu halten ist. Baum müsste den Daumen über jenem Torwart senken, für den er sich erst vor wenigen Wochen als Nachfolger von Marwin Hitz entschieden hat. Wie schwierig für Baum diese Entscheidung ist, wie sehr ihn das Versagen Giefers persönlich mitgenommen hat, das offenbarte Baum tränenreich nach der 2:3-Niederlage in einem TV-Interview.
Am Montag wirkt Baum wieder gefasst, er versucht zu erklären, warum er derart emotional reagiert hat. Einerseits sei für ihn das Gefühl ungewohnt gewesen, durch fünf schwache Minuten und einen Fehler ein Spiel komplett aus der Hand zu geben. Andererseits hätte er mit dem Menschen Fabian Giefer gelitten. Dieser habe sich im Nachhinein beeindruckt gezeigt, wie Verein und Mannschaft mit seinem neuerlichen Fauxpas umgegangen seien. Und wie viel Mitgefühl sie gezeigt hätten. Dies habe ihm Giefer gesagt, berichtet Baum. Der Torwart hatte am Samstag die Augsburger Arena kommentarlos verlassen.
Ein Bekenntnis zu Giefer bleibt Trainer Baum vor der Begegnung mit dem deutschen Meister schuldig. Ganz allgemein äußert er sich nur selten zu seiner Aufstellung – bislang war die Torhüterposition davon ausgenommen. Unter normalen Umständen wäre es ein Leichtes, Giefer nun durch einen anderen Torwart aus dem Kader zu ersetzen. Doch Baum fehlen Alternativen, die er in eine Bundesligapartie gegen den FC Bayern schicken kann.
Im Sommer hat Andreas Luthe das Duell um den Platz zwischen den Pfosten gegen Giefer verloren. Nach dessen Missgeschicken könnte der 31-Jährige jetzt Ansprüche anmelden. Allerdings bremste Luthe zuletzt eine Sehnenentzündung im Knie. Baum verweist darauf, noch nicht zu wissen, ob Luthe in München einsatzfähig ist. Nach dem Torwarttraining am Sonntag hatte Luthe zumindest nicht mehr Schmerzen als zuvor, am Montag sollte geprüft werden, ob er intensivere Belastungen aushält. Sollte Luthe spielen können, werde er im Kader stehen, berichtet Baum. Näher äußert er sich nicht. Der Trainer schließt lediglich aus, dass Benjamin Leneis, der bisher in der U23 des FCA vier Regionalligaspiele bestritten hat, auflaufen wird. Augsburg sei zwar dafür bekannt, junge Spieler reinzuwerfen. „Wenn man im Profibereich sein erstes Spiel macht, sollte die Wahrscheinlichkeit aber größer sein, es mit einem positiven Ergebnis zu beenden.“In München ist das eher weniger der Fall.
Dass Baum ausgerechnet gegen München einen nicht zu einhundert Prozent fitten Luthe aufbietet, ist unwahrscheinlich. Die Tendenz geht zu Giefer. Mit einer formidablen Leistung könnte sich dieser zumindest ein Stück weit rehabilitieren.
Bei den FCA-Fans scheint das bayerische Derby nicht mehr die Faszination vergangener Jahre hervorzurufen. Lediglich 1700 Karten sicherten sie sich – ein Minusrekord. Zwei Gründe scheinen naheliegend: Spiele unter der Woche sind bei Auswärtsfans weniger beliebt, zudem sind Partien gegen Bayern dann doch alltäglich geworden.
Wenn am Dienstag alles seinen gewohnten Gang nimmt, dann wird der FC Augsburg gegen 22.15 Uhr ein Jubiläum „feiern“müssen, das der Bundesligist gerne noch ein Weilchen aufgeschoben hätte. Sollte der FCA wie von allen Experten, Nicht-Experten, Buchmachern, Wahrsagern oder Realisten erwartet, gegen den FC Bayern München verlieren, wäre es die 100. Niederlage in der Bundesliga.
Erstens ist Wiesn-Zeit und da spielen die Bayern seit Jahren wie entfesselt auf. Seit 2010 haben die Münchner in diesen Ausnahmewochen nur ein Spiel verloren. Im Oktober 2010, 0:2 bei Borussia Dortmund. Es gibt aber auch nüchternes Zahlenwerk, das die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommen wird, und da braucht man kein Mathe-Studium, untermauert. Die Punktspiel-Bilanz des FCA gegen den großen Nachbarn liest sich ernüchternd. 14 Spiele, zwölf Niederlagen. Und da waren einige Abreibungen dabei. Wie das 0:6 am 1. April 2017 (kein Aprilscherz). Es war der Auftakt in eine desaströse englische Woche mit drei Niederlagen, die den FCA und seinen neuen Trainer Manuel Baum, er hatte Mitte Dezember Dirk Schuster abgelöst, in eine Krise stürzte. Baum hatte wichtige Stammspieler geschont und dafür Tim Rieder, Kevin Danso und Christoph Janker auflaufen lassen. Und wurde dafür bestraft.
Auch vor dem dienstäglichen Gastspiel bei den Bayern spielt die Frage der Aufstellung eine ganz zentrale Rolle. Aber diesmal geht es nur um eine Position: die des Torhüters. Bekommt Fabian Giefer nach seinen Fehlgriffen in den vergangenen beiden Spielen noch einmal eine Chance, oder wird er den immer noch etwas angeschlagenen Andreas Luthe einsetzen? Eine diffizile Entscheidung. Trainer Manuel Baum hält sich noch bedeckt, wird seine Personal-Entscheidung erst kurz vor dem Spiel öffentlich machen.
Fest steht aber, dass Ja-Cheol Koo nicht spielen kann. Und so komisch das klingen mag, für den FCA könnte die sportliche Schwächung sogar ein kleiner Hoffnungsschimmer sein. Denn der Südkoreaner verlor alle seine zwölf Bundesligaspiele gegen den FC Bayern. Es ist eine historisch schlechte Bilanz. Kein andere Bundesligaspieler hat so eine Pleitenserie gegen einen anderen Klub hingelegt.
Den FCA-Fans ist dieser Hoffnungsschimmer aber anscheinend zu schwach. Nur 1700 Karten im Gästeblock wurden bisher verkauft. So wenig FCA-Fans haben ihren Verein in acht Jahren Bundesliga noch nie nach München begleitet. Sie wollen die Jubiläumsniederlage nicht live miterleben, aber vielleicht verpassen sie eine Sensation.