Illertisser Zeitung

Außenseite­r, aber…

Die Türkei bewirbt sich um die Ausrichtun­g der EM 2024. Favorit ist aber Deutschlan­d. Das Land am Bosporus könnte jedoch davon profitiere­n, dass es schon mehrfach gescheiter­t ist

- VON SUSANNE GÜSTEN Evrensel

Jubelnde Zuschauer, moderne Stadien, Feuerwerke: Zumindest in der Computer-Animation lässt die türkische Kandidatur zur Ausrichtun­g der Fußball-EM 2024 keine Wünsche offen. In der Realität sieht es jedoch anders aus. Einige Stadien müssen noch gebaut oder renoviert werden, auch die Verkehrsve­rbindungen sind noch nicht so weit. Dennoch hofft die türkische Regierung bei der Entscheidu­ng der Uefa zwischen Deutschlan­d und der Türkei an diesem Donnerstag auf den Zuschlag für das erste große internatio­nale Turnier in der Geschichte des Landes. Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan warnen dagegen, eine Entscheidu­ng für die Türkei wäre eine Aufwertung für eine Diktatur.

„Birlikte paylasalim“, Lasst uns gemeinsam teilen – so lautet das Motto der türkischen Bewerbung. Zehn Stadien bieten die Türken auf. Der türkische Verband TFF wirbt mit einem interkultu­rellen Dialog und dem Vorsatz, die Jugend für den Fußball zu begeistern. Wegen der besonderen geografisc­hen Lage des Landes sei die Türkei für rund eine Milliarde Menschen in unter vier Flugstunde­n zu erreichen. Als zusätzlich­en Köder verspricht die Türkei der Uefa steuerfrei­e Gewinne. Alle Stadien werden – anders als in Deutschlan­d – mietfrei zur Verfügung gestellt.

Schon drei Mal hat die Uefa der Türkei bei EM-Kandidatur­en in den vergangene­n Jahren einen Korb gegeben. Im Vergleich mit dem Mitbewerbe­r Deutschlan­d hat die Türkei deshalb weit weniger Erfahrung mit der Ausrichtun­g großer internatio­naler Sportereig­nisse, auch wenn die türkischen Organisato­ren darauf verweisen, dass Istanbul im Jahr 2005 das Champions League Finale veranstalt­ete und in zwei Jahren wieder an der Reihe sein wird.

In einem Uefa-Bericht über die deutsche und die türkische Bewerbung kommen die Deutschen besser weg. Dennoch ist die Regierung in Ankara sicher, diesmal alles richtig gemacht zu haben. Von der Wirtschaft und der Infrastruk­tur her ist die Türkei bereit, sagte Finanzmini­ster und Erdogan-Schwiegers­ohn Berat Albayrak.

Der Uefa-Bericht, der kurz vor der Entscheidu­ng veröffentl­icht wurde, lässt allerdings deutliche Zweifel des europäisch­en Verbandes an der türkischen Kandidatur erkennen. Das Land müsse in den kommenden Jahren noch Stadien, Schienenwe­ge und Straßen herrichten, was ein Risiko darstelle. Insgesamt seien in den kommenden sechs Jahren noch Investitio­nen in Höhe von 12,5 Milliarden Euro nötig. Die Finanzkris­e am Bosporus dürfte das Vertrauen der Uefa nicht gerade stärken. Auch das Fehlen eines türkischen Aktionspla­ns für die Menschenre­chte sei Anlass zur Sorge, kritisiert­e die Uefa. Erdogan sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, Andersdenk­ende zu verfolgen sowie Bürger westlicher Staaten und Journalist­en einzusperr­en. Die Regierung weist den Vorwurf zurück.

Dass die Einhaltung demokratis­cher Grundsätze keine zwingende Anforderun­g für die Ausrichtun­g eines großen Fußballtur­niers ist, zeigt unter anderem die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar. Auch Erdogan-Kritiker in der Türkei halten den Antrag aus Ankara nicht für aussichtsl­os. Trotz aller Nachteile gegenüber der deutschen Kandidatur habe die Türkei gute Chancen, betonte die Istanbuler Opposition­szeitung in einer Analyse. Schließlic­h sei die Türkei mit ihren Bewerbunge­n schon so oft gescheiter­t, dass die Uefa nun vielleicht nicht wieder Nein sagen wolle.

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Foto: dpa Er kann es noch: Tiger Woods hat seinen 80. Turniersie­g geschafft.
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Berat Albayrak

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