Seehofer verspricht Juden besseren Schutz
Halle Ermittler sprechen von Terroranschlag mit dem Ziel, ein Massaker anzurichten
Berlin/Halle Werden Synagogen, jüdische Schulen und Kulturzentren in Deutschland nicht gut genug bewacht? Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hat Innenminister Horst Seehofer den jüdischen Gemeinden einen dauerhaft besseren Schutz ihrer Einrichtungen garantiert. Deutschland habe nach dem Zweiten Weltkrieg einen Schwur abgegeben: „Nie wieder“, sagte Seehofer. „Diese Bundesregierung wird alles tun, dass die Juden in unserem Land ohne Bedrohung, ohne Angst leben können.“Gesprächen und Worten müssten nun praktische Taten folgen, damit Deutschland seinem Schwur auch gerecht werde.
Justizministerin Christine Lambrecht bezeichnete den Rechtsextremismus als eine der aktuell größten Bedrohungen, denen der Rechtsstaat mit allen Mitteln gegenübertreten müsse. Auch der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte gegenüber unserer Redaktion ein deutlich schärferes Vorgehen gegen rechtsextremistischen Terrorismus. Der Staat müsse der rechten Gefahr so entschlossen entgegentreten wie in der Vergangenheit dem Terror der RAF. „Gemessen an dem, was der Staat damals getan hat, um die Demokratie zu schützen, ist man erstaunt, wie zurückhaltend heute gegen den Terror von Rechts agiert wird“, betonte Gabriel. „Wann endlich entwaffnen wir die irren Reichsbürger?“, fügte er hinzu. „Wann schließen wir die Schulungszentren der jungen und alten Nazis? Wann untersuchen wir die Finanzströme und Hintermänner?“Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am Abend nach seinem Besuch in Halle: „Ich bin es leid, dass Rechtsextremismus offen das Wort geredet wird und diese Borniertheit klammheimliche Zustimmung findet.“Der Staat müsse für jüdisches Leben in Deutschland Verantwortung übernehmen.
Zahlen der Bundesregierung zeigen, dass antisemitische Taten mit rechtsextremem Hintergrund zunehmen. Danach wurden im ersten Halbjahr 2018 exakt 349, im ersten Halbjahr 2019 hingegen 403 Taten gemeldet. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nimmt dabei auch die Justiz in die Pflicht: „Wenn ich die Urteile sehe, die Strafen, die verhängt werden – die sind nicht abschreckend. Damit laufen wir Gefahr, dass potenzielle Straftäter eher ermutigt als Straftaten verhindert werden.“
Die Ermittler stufen den Angriff von Halle als Terroranschlag ein. Der Täter habe sich zum Ziel gesetzt, in der Synagoge ein Massaker anzurichten, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank. Im Auto des Mannes wurden danach vier Kilo Sprengstoff sichergestellt. Bei den beiden Opfern handelt es sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur um eine 40 Jahre alte Frau aus Halle sowie einen 20 Jahre alten Mann aus Merseburg. Die Frau
Gabriel: Der Staat reagiert viel zu zurückhaltend
war von dem schwer bewaffneten Täter vor der Synagoge erschossen worden, der Mann wenig später in einem nahegelegenen Döner-Imbiss.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth fordert unter dem Eindruck der Ereignisse ein Demokratiefördergesetz. „Es kann nicht sein, dass Initiativen, die zum Teil seit Jahrzehnten unermesslich wichtige Arbeit im Bereich der Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention leisten, darum kämpfen müssen, überhaupt noch öffentliche Unterstützung zu erhalten“, betonte sie gegenüber unserer Redaktion. Ziel eines solchen Gesetzes müssten feste Förderungsstrukturen sein.
Eine Reportage aus Halle lesen Sie auf der Dritten Seite. Weitere Informationen und Hintergründe finden Sie in der Politik. (mit dpa)