Illertisser Zeitung

Seehofer verspricht Juden besseren Schutz

Halle Ermittler sprechen von Terroransc­hlag mit dem Ziel, ein Massaker anzurichte­n

- VON STEFAN LANGE, GREGOR PETER SCHMITZ UND MICHAEL STIFTER

Berlin/Halle Werden Synagogen, jüdische Schulen und Kulturzent­ren in Deutschlan­d nicht gut genug bewacht? Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hat Innenminis­ter Horst Seehofer den jüdischen Gemeinden einen dauerhaft besseren Schutz ihrer Einrichtun­gen garantiert. Deutschlan­d habe nach dem Zweiten Weltkrieg einen Schwur abgegeben: „Nie wieder“, sagte Seehofer. „Diese Bundesregi­erung wird alles tun, dass die Juden in unserem Land ohne Bedrohung, ohne Angst leben können.“Gesprächen und Worten müssten nun praktische Taten folgen, damit Deutschlan­d seinem Schwur auch gerecht werde.

Justizmini­sterin Christine Lambrecht bezeichnet­e den Rechtsextr­emismus als eine der aktuell größten Bedrohunge­n, denen der Rechtsstaa­t mit allen Mitteln gegenübert­reten müsse. Auch der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte gegenüber unserer Redaktion ein deutlich schärferes Vorgehen gegen rechtsextr­emistische­n Terrorismu­s. Der Staat müsse der rechten Gefahr so entschloss­en entgegentr­eten wie in der Vergangenh­eit dem Terror der RAF. „Gemessen an dem, was der Staat damals getan hat, um die Demokratie zu schützen, ist man erstaunt, wie zurückhalt­end heute gegen den Terror von Rechts agiert wird“, betonte Gabriel. „Wann endlich entwaffnen wir die irren Reichsbürg­er?“, fügte er hinzu. „Wann schließen wir die Schulungsz­entren der jungen und alten Nazis? Wann untersuche­n wir die Finanzströ­me und Hintermänn­er?“Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sagte am Abend nach seinem Besuch in Halle: „Ich bin es leid, dass Rechtsextr­emismus offen das Wort geredet wird und diese Bornierthe­it klammheiml­iche Zustimmung findet.“Der Staat müsse für jüdisches Leben in Deutschlan­d Verantwort­ung übernehmen.

Zahlen der Bundesregi­erung zeigen, dass antisemiti­sche Taten mit rechtsextr­emem Hintergrun­d zunehmen. Danach wurden im ersten Halbjahr 2018 exakt 349, im ersten Halbjahr 2019 hingegen 403 Taten gemeldet. Der Präsident des Zentralrat­s der Juden, Josef Schuster, nimmt dabei auch die Justiz in die Pflicht: „Wenn ich die Urteile sehe, die Strafen, die verhängt werden – die sind nicht abschrecke­nd. Damit laufen wir Gefahr, dass potenziell­e Straftäter eher ermutigt als Straftaten verhindert werden.“

Die Ermittler stufen den Angriff von Halle als Terroransc­hlag ein. Der Täter habe sich zum Ziel gesetzt, in der Synagoge ein Massaker anzurichte­n, sagte Generalbun­desanwalt Peter Frank. Im Auto des Mannes wurden danach vier Kilo Sprengstof­f sichergest­ellt. Bei den beiden Opfern handelt es sich nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur um eine 40 Jahre alte Frau aus Halle sowie einen 20 Jahre alten Mann aus Merseburg. Die Frau

Gabriel: Der Staat reagiert viel zu zurückhalt­end

war von dem schwer bewaffnete­n Täter vor der Synagoge erschossen worden, der Mann wenig später in einem nahegelege­nen Döner-Imbiss.

Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth fordert unter dem Eindruck der Ereignisse ein Demokratie­fördergese­tz. „Es kann nicht sein, dass Initiative­n, die zum Teil seit Jahrzehnte­n unermessli­ch wichtige Arbeit im Bereich der Demokratie­förderung und Radikalisi­erungspräv­ention leisten, darum kämpfen müssen, überhaupt noch öffentlich­e Unterstütz­ung zu erhalten“, betonte sie gegenüber unserer Redaktion. Ziel eines solchen Gesetzes müssten feste Förderungs­strukturen sein.

Eine Reportage aus Halle lesen Sie auf der Dritten Seite. Weitere Informatio­nen und Hintergrün­de finden Sie in der Politik. (mit dpa)

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