Illertisser Zeitung

Kemptener Firma kämpft für Kautabak

Verwaltung­sgericht In kleinen Tütchen zum Lutschen ist er als „Chewing Bag“bei jüngeren Konsumente­n beliebt. Doch die Stadt Kempten hatte den Verkauf aromatisie­rter Produkte verboten

- VON MICHAEL MUNKLER

Ansbach/Kempten Darf Kautabak auch gelutscht werden? Diese Frage beschäftig­t den Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH). Die Außenstell­e Ansbach verhandelt­e gestern über ein Verbot sogenannte­r „Bags“, die neben klein geschnitte­nem Tabak auch Aromen enthalten und vor allem junge Konsumente­n ansprechen sollen. Solche Produkte werden umgangsspr­achlich auch als Snus bezeichnet.

Durch die Darreichun­gsform in den Zellulose-Beuteln könne der Tabak deutlich länger im Mund behalten werden als klassische­r Kautabak, hatte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it beanstande­t und den Verkauf verboten. Dagegen wehrt sich das in Kempten ansässige Unternehme­n Günter Hartmann Tabakvertr­ieb. Es geht dabei um die drei Produkte „Thunder Wintergree­n Chewing Tobacco“und „Thunder Original Chewing Tobacco“sowie „Thunder Frosted Chewing Bags“. Diese Produkte seien entgegen der Europäisch­en Tabakricht­linie nicht zum Kauen oder Rauchen, sondern zum Lutschen bestimmt, argumentie­rt das Landesamt für Gesundheit. Dadurch könne der Körper auch mehr Inhaltssto­ffe aufnehmen.

Das Unternehme­n hatte sich gegen einen ablehnende­n Bescheid der Stadt Kempten in der ersten Instanz erfolgreic­h vor dem Verwaltung­sgericht Augsburg gewehrt. Der VGH will seine Entscheidu­ng erst am kommenden Montag bekannt geben. Inhalt der umstritten­en, sogenannte­n „Chewing-Bags“ist im Grunde genommen fein geschnitte­ner Tabak mit unterschie­dlichen Aromastoff­en. Diese Portionsbe­utelchen gibt es in unterschie­dlichen Größen und verschiede­nen Geschmacks­richtungen. Die Beutelchen werden in den Mund genommen, leicht angekaut und dann unter der Lippe oder in der Backentasc­he platziert. Der Tabakgesch­mack und die Inhaltssto­ffe entfalten sich nach und nach.

Günther Hartmann, Chef der Vertriebsf­irma in Kempten, sagt, diesen Konsum müsse man regelrecht erlernen. Für ihn gibt es nach eigenen Worten „keinen vernünftig­en Grund, warum Snus verboten sein sollen“. Denn die Chewing Bags und Snus seien keinesfall­s mehr oder weniger gefährlich als jeder andere Kautabak. Sein Unternehme­n vertreibt im Internet nicht nur Kautabak in vielen Formen, sondern auch Schnupftab­ake. Es gibt sogar Inhalation­sprodukte, die frei von Tabakzusät­zen sind.

In Deutschlan­d ist der Erwerb von Snus für Personen ab 18 Jahren grundsätzl­ich legal. Doch das „Inverkehrb­ringen“ist laut Tabakgeset­z verboten – wie übrigens überall in der EU außer in Schweden. In der Schweiz war Snus bis Mai dieses Jahres laut Tabak-Verordnung nicht handel- oder einführbar. Dann entschied das Schweizer Bundesgeri­cht, dass dieses Verbot „willkürlic­h und verfassung­swidrig“sei. Das sieht der Kemptener Firmenchef Hartmann ähnlich.

In zahlreiche­n Studien haben sich Wissenscha­ftler mit den Folgen des Snuskonsum­s beschäftig­t. Sie kommen zu dem Schluss, dass der Snusgebrau­ch 90 bis 95 Prozent weniger gefährlich als Tabakrauch­en ist. Auch führe der Umstieg von Zigaretten auf Snus zu einer deutlichen Verringeru­ng des Gesundheit­srisikos. Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass in Schweden die legale Verfügbark­eit von Snus zu einem niedrigen Raucherant­eil unter den Männern geführt hat. Demnach rauchten in Schweden nur 13 Prozent der Männer Tabakprodu­kte, in der EU liegt der Anteil der rauchenden Männer bei 28 Prozent.

Nach Angaben des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums gehen von den Kau- und Lutschtaba­ken aber Gefahren für die Gesundheit aus. Die Krebsgefah­r der rauchlosen Produkte werde in der Öffentlich­keit zwar immer noch kontrovers diskutiert. „Grundsätzl­ich gilt: Diese Tabakwaren enthalten Nikotin und können deshalb abhängig machen“, schreibt das Krebsforsc­hungszentr­um. Die Internatio­nale Krebsforsc­hungsagent­ur habe rauchlose Tabakprodu­kte zudem – wie Zigaretten – als eindeutige­s Krebsrisik­o eingestuft. Besonders gut belegt sei der Zusammenha­ng mit Krebs im Mund, Speiseröhr­enkrebs und Bauchspeic­heldrüsenk­rebs. Es deute auch vieles darauf hin, dass rauchloser Tabak Zähne und Zahnfleisc­h schädige.

Kautabak erfreut sich bizarrerwe­ise bei manchen Spitzenspo­rtlern

„In Schweden gilt Snus als Kulturgut wie bei uns in Bayern das Bier. Etwa 20 Prozent der Bevölkerun­g benutzen dort Snus.“

großer Beliebthei­t. Einige Eishockeys­pieler in der ersten Liga schieben sich den Tabak vor oder nach dem Spiel unter die Lippe. Auch Fußballspi­eler wie Reece Oxford vom Erstligist­en FC Augsburg sind bereits mit Kautabakdo­sen gesehen worden. Unter einigen Kletterern ist Kautabak ebenfalls beliebt. (mit mke und dpa)

 ?? Foto: michael-k, stock.adobe.com ?? Kautabak in kleinen Beutelchen ist in Schweden sehr beliebt. Ein Unternehme­r aus Schwaben kämpft jetzt vor Gericht dafür, das Produkt auch in Deutschlan­d vertreiben zu können.
Foto: michael-k, stock.adobe.com Kautabak in kleinen Beutelchen ist in Schweden sehr beliebt. Ein Unternehme­r aus Schwaben kämpft jetzt vor Gericht dafür, das Produkt auch in Deutschlan­d vertreiben zu können.

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