Illertisser Zeitung

Ausgeturte­lt

Natur Die Turteltaub­e – Vogel des Jahres 2020 – ist stark gefährdet. Warum das so ist und was sie eigentlich mit Romantik zu tun hat

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Eigentlich klingt das alles so schön. Nach verstohlen­en Blicken, nach Spaziergän­gen im Herbstlaub und Kribbeln in der Magengegen­d. Solche Dinge haben wohl die meisten Menschen im Sinn, wenn von Turteltaub­en die Rede ist. Deutlich weniger werden an den Vogel denken, der diesen Namen trägt. Und dessen Situation ist alles andere als schön: Die Turteltaub­e, die vom bayerische­n Landesbund für Vogelschut­z (LBV) und vom Naturschut­zbund Deutschlan­d nun zum Vogel des Jahres 2020 gewählt wurde, ist stark gefährdet und steht auf der globalen Roten Liste.

„Der Bestand ist gnadenlos in den Keller gegangen“, sagt Christiane Geidel, Artenschut­zreferenti­n beim LBV. Die Zahlen sind massiv geschrumpf­t, der Rückgang seit dem Jahr

1980 liegt deutschlan­dweit bei fast 90 Prozent. In Bayern gibt es derzeit nur noch etwa 1000 Brutpaare.

Die Landwirtsc­haft sei eine der Hauptursac­hen für den dramatisch­en Schwund, sagt Geidel. Denn die kleine Taube hat es immer schwerer, geeignete Lebensräum­e zu finden. „Die Landschaft wird immer mehr aufgeräumt, Brutstätte­n verschwind­en“, erklärt Geidel. Hinzu kommt, dass die Tiere weniger Nahrung finden. Turteltaub­en sind klassische Unkrautfre­sser – „aber niemand will Unkraut auf dem Acker haben“, sagt die Vogelexper­tin. Weil das Nahrungsan­gebot schwindet, hat sich die Taube über die Jahre sogar angepasst. Sie frisst nun immer mehr Getreidekö­rner und weniger Wildkräute­r. Das Problem dabei ist: Die Körner sind oft behandelt, etwa gegen den Befall mit Pilzen. Und diese Stoffe schaden den Vögeln, sie werden durch die Gifte geschwächt, viele Jungtiere

sterben.

Und noch etwas macht den Tieren zu schaffen: In zehn EU-Staaten – nicht in Deutschlan­d – ist es erlaubt, die Vögel zu jagen. „Es kann nicht sein, dass Tiere geschossen werden, die vom Aussterben bedroht sind. Wir starten nächstes Jahr eine Petition, um dieses Problem in den Fokus zu rücken “, sagt Artenschut­zreferenti­n Geidel. Wissenscha­ftler hätten nachgewies­en, dass der Bestand der Turteltaub­e es nicht mehr verkraftet, wenn jährlich mehr als 1,4 Millionen Vögel in der EU legal geschossen werden. Besonders skandalös sei, dass in manchen Ländern das Schießen der Turteltaub­en als „Sport“zum eigenen Vergnügen gelte, sagt Geidel.

Und was hat es mit der Romantik auf sich? Tatsächlic­h sei es so, dass Turteltaub­enpaare sehr liebevoll miteinande­r umgehen, sagt Geidel. „Sie kuscheln und kraulen sich das Gefieder.“Deswegen würde man auch verliebte Menschen als Turteltaub­en bezeichnen. Der Name der Taube rührt aber von ihrem Ruf her, einem markanten „Turr-TurrTurr“. Es ist ein Geräusch, das man immer seltener hört.

 ?? Foto: Zdenek Tunka ?? Die Turteltaub­e ist stark gefährdet.
Foto: Zdenek Tunka Die Turteltaub­e ist stark gefährdet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany