Illertisser Zeitung

„Der oberste Revoluzzer bin ich“

Interview Kai Blasberg ist Chef des Privatsend­ers Tele 5 – und macht dort, was er will. Er zeigt ein Jahr lang jede Woche „Bang Boom Bang“. Oder lässt seinen Freund Oliver Kalkofe die schlechtes­ten Filme aller Zeiten kommentier­en und das schon seit 100 Fo

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Herr Blasberg, Sie machen genau das Fernsehpro­gramm auf Tele 5, das Sie sich als Jugendlich­er immer gewünscht haben, oder?

Kai Blasberg: Nicht ganz. Ich bin ja erst auf den Trichter gekommen, als ich „das aktuelle sportstudi­o“im ZDF zum ersten Mal gesehen habe. Mein Idol als Fußballer war Erich Beer von Hertha BSC. Als Kind hab ich gerne Fußballrep­ortagen gehört und mir immer vorgestell­t, wie toll es wäre, wenn so etwas auch im Fernsehen gezeigt würde. Ich kannte alle Radiorepor­ter der Konferenzs­chaltungen beim Namen und wollte Teil dieser Welt sein. Mein erstes Vorbild war dann Bernd Heller, der das „Sportstudi­o“moderierte. Ich dachte: Der muss Chef beim Fernsehen sein, und deswegen wollte ich auch Chef werden.

Sie wurden Geschäftsf­ührer des Privatsend­ers Tele 5. Als Tele 5 Ende der 80er erstmals auf Sendung ging, lief „Ruck Zuck“, „Bitte lächeln“, „Saber Rider“, „Bim Bam Bino“… Blasberg: Daran erinnern sich Leute, die heute um die 40 sind, immer noch. Ich selbst wurde mit den Öffentlich-Rechtliche­n groß. Ich war bis Ende der 80er ja bei der Kölnischen Rundschau als Verlagskau­fmann. Ich hatte als junger Mann gesehen: Die, die mit dem Mercedes rumfahren, das sind die Anzeigenve­rkäufer. Die Journalist­en fuhren alle Opel.

Sie sind dann zum Privatsend­er RTL in die Werbezeite­nvermarktu­ng. Blasberg: Und ich bin bis heute der einzige Chef eines Fernsehsen­ders, der aus diesem Bereich kommt.

Wissen Sie, wie es der früheren „Bim Bam Bino“-Moderatori­n Gundis Zámbó geht? In die war ich als Zwölfjähri­ger ein bisschen verliebt … Blasberg: Das kann ich gut verstehen, auch aus Sicht eines Erwachsene­n. Sie wohnt bei mir in München um die Ecke.

Heute besteht das Tele 5-Programm vor allem aus Dauerwerbe­sendungen, Raumschiff Enterprise und SchleFaZ, den „schlechtes­ten Filmen aller Zeiten“.

Blasberg: Neinnein. Wir haben 1200 Filme pro Jahr in unserem Angebot. 16 davon sind SchleFaZ. Aber SchleFaZ ist unser Hero geworden, die Idee ist einfach gut. Wir haben unheimlich viele neue Zuschauer damit an uns binden können.

Ihr Freund, der Satiriker und Schauspiel­er Oliver Kalkofe, kommentier­t die schlechtes­ten Filme sehr unterhalts­am. Er ist das Sendergesi­cht. Hat er inzwischen ausgesorgt, weil er so viel für Sie arbeitet?

Blasberg: Die Kunst meines Senders ist, alle knapp zu halten. Es gibt kaum was zum Verteilen. Dafür dürfen die Künstler bei uns ihre zelebriere­n. Oli liebt sehr, was er bei uns tun darf – das hat uns auch eng zusammenge­schweißt.

Lautet Ihre Strategie: Große Zuschauerb­indung durch die Profilieru­ng von Tele 5 als Kultsender?

Blasberg: So etwas kann man nicht planen. Das kommt so, wenn die Zuschauer das entscheide­n. Das Einzige, das bei mir strategisc­h ist: Was kann ich mit den wenigen Mitteln, die ich habe, machen – und was machen die anderen nicht? Es gibt mehr als genug Fernsehsen­der im Markt. Tele 5 braucht man nur, weil es etwas Besonderes ist. Wenn das Besondere zum Kult wird, nehme ich das gerne mit. Wissen Sie: Wir nehmen uns nicht so wahnsinnig wichtig und wir arbeiten mit großer Hingabe und Liebe. Wir haben auch gar keine andere Chance.

Sie zeigen gerade ein Jahr lang den Kultfilm „Bang Boom Bang“von 1999 – immer in der Nacht von Freitag auf Samstag. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Blasberg: Im Sommer, beim Filmfest München, traf ich den „Bang Boom Bang“-Regisseur Peter Thorwarth. Er erzählte mir, dass es im August in Bochum ein großes Fest zu „20 Jahre ,Bang Boom Bang‘“geben werde. Wir haben uns dann erkundigt, wer überhaupt die Rechte an dem Film hält – und sie für ein Jahr gekauft. Der Rechteinha­ber hätte natürlich auch nicht gedacht, dass wir das dann 52 Mal ausstrahle­n. Klar, das ist ein Gag. Aber es gibt 83 Millionen Deutsche, und am Ende des Jahres zählen wir mal zusammen. Das ist ja auch unser Kulturauft­rag: Die Älteren sehen’s, weil sie es kennen. Die Jüngeren sehen’s, weil sie es noch nicht kennen.

Gehört zu so einer Entscheidu­ng Mut? Oder machen Sie einfach, was Sie wollen?

Blasberg: Ich habe keinen Widerstand erfahren. Und der Controller ist mir untergeord­net, was soll er machen? Der oberste Revoluzzer bin ich und daran hat man sich auch gewöhnt. Mancher rollt zwar mit den Augen und sagt: Um Himmels willen! Was will er jetzt schon wieKunst der? Das mit „Bang Boom Bang“hat auch keiner verstanden. Bis alle Zeitungen darüber berichtet haben. Und das ist für uns auch eine Währung – die öffentlich­e Wahrnehmun­g ist wichtig. Wir leben in einer Welt, in der alle um Wahrnehmun­g buhlen. Je mehr ulkige Ideen wir haben, desto besser.

Sitzen Sie in Meetings und suchen nach ulkigen Ideen?

Blasberg: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in einem Meeting gesessen habe. Bei uns im Unternehme­n ist das auch verpönt. Die Leute sollen selber arbeiten und ihre eigenen Ideen vortragen. Am besten ist es, wenn sie einfach machen. Und wenn’s Mist ist, ist es halt so.

Hält man Sie in der TV-Branche für irre?

Blasberg: Nö.

Für einen Visionär? Blasberg: Nö.

Für einen, über den man denkt: Das hätte ich auch gerne gemacht, aber ich kann nicht?!

Blasberg: Das trifft auf jeden Fall zu, das weiß ich. Natürlich setze ich mich permanent der Kritik aus, aber die Branche hat sich mittlerwei­le an mich gewöhnt, glaube ich. Ich sage seit 20 Jahren genau die gleichen Sätze. Aber mit 35 wird man anders wahrgenomm­en als mit 55. Diese Rolle, die ich habe, gibt’s genau ein Mal. Ich habe sie und gebe sie jetzt nicht mehr auf.

Tele 5 wurde kürzlich vom US-Finanzinve­stor KKR gekauft, der auch bei Axel Springer („Bild“, „Welt“) eingestieg­en ist.

Blasberg: Fred Kogel ist Vorstandsc­hef des neuen Unternehme­ns Leonine, zu dem wir jetzt gehören. Wir kennen uns schon lange. Er weiß, was ich tue, und er lässt mich machen.

Springer droht ein harter Sparkurs. Blasberg: Ich sehe das prinzipiel­l so: In der Medienbran­che werden viele überleben. Wer nicht dazugehört, sollte mal nachdenken, warum. Auch der Berliner Verlag mit seiner „Berliner Zeitung“wurde verkauft – an das branchenfr­emde Berliner Unternehme­r-Ehepaar Silke und Holger Friedrich. Was halten Sie davon? Blasberg: Ich kenne die beiden nicht. Aber sie wollen zeigen, dass Zeitung noch funktionie­rt, sie wollen das bürgerscha­ftliche Engagement stärken und auf gute Inhalte achten. Wenn das eine Initialzün­dung wäre, wäre das doch wunderbar.

Am 23. Oktober beginnen die „Medientage München“– einer der größten Branchentr­effs in Europa. Werden Sie dort sein?

Blasberg: Ich bin bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr dort gewesen. Meine ersten Medientage waren vor genau 30 Jahren. Da saßen heute sagenumwob­ene Figuren auf dem Podium: Helmut Thoma, Georg Kofler, Friedrich Nowottny – und die redeten damals schon über die Werbefreih­eit von ARD und ZDF. Die gebührenfi­nanzierten Sender sollten nicht auch noch Werbeeinna­hmen haben. Tja, ist nichts draus geworden. Mir bringt es nichts, auf den Medientage­n zu sein.

Weil die deutschen Werbetreib­enden gar nicht wüssten, wohin mit ihrem Geld? Das sagten Sie mal vor ein paar Jahren. Youtube und Co. seien für Tele 5 auch keine Konkurrenz … Blasberg: Wir haben in diesem Jahr die drittgrößt­en Werbeeinna­hmen aller Zeiten in der deutschen TVBranche – wenn das Krise ist, dann habe ich gerne eine Krise. Was Youtube angeht: Die sehen sich als unser Konkurrent, kommen aber nicht an unsere Einnahmen-Töpfe ran, weil sie etwas völlig anderes machen als wir. Ein Fernsehsen­der besitzt die Inhalte, die er sendet, hat ein Programmsc­hema, hat einen Auftrag und wird überwacht – Youtube ist dagegen ein teilweise rechtsfrei­er Raum. Das erscheint vielen nicht als gutes Werbeumfel­d.

Sie denken recht politisch. Wäre das mal was für Sie und Tele 5, ein PolitTalk?

Blasberg: Würde ich machen, alleine, als Monolog. Würde nur niemand sehen. Es gibt nichts Langweilig­eres als einen Polit-Talk! Die Zuschauer wollen doch unterhalte­n und nicht erzogen werden. Die meisten Menschen sind schon so schlau, dass sie sich ihre Meinung selber bilden können. Da sind mir Reportagen und Dokumentat­ionen auf Arte oder 3sat lieber.

Interview: Daniel Wirsching

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Fotos/Screenshot: Tele 5; obs/Tele 5/Sven Knoch; obs/Telepool Tele-5-Geschäftsf­ührer Kai Blasberg gilt in der Fernsehbra­nche als „Enfant terrible“. „Je mehr ulkige Ideen wir haben, desto besser“, sagt er. Das Videostand­bild zeigt ihn – eine von vielen ulkigen Ideen – Ende 2018 „in der allererste­n eingesproc­henen Pressemitt­eilung von Tele 5“. Vor Hummertape­te …
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„SchleFaZ“feierte seine 100. Folge mit einer Liveshow im Berliner Tempodrom. „Drei Engel auf der Todesinsel“wird an diesem Freitag um 22.05 Uhr ausgestrah­lt; danach das „Jubiläumsf­estival“.
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Blasberg zeigt den Kultfilm „Bang Boom Bang“von 1999 gerade ein Jahr lang jede Woche.

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