Illertisser Zeitung

Mias Mörder erhängt sich

Suizid Der tödliche Messerangr­iff auf die 15-Jährige im pfälzische­n Kandel löste vor knapp zwei Jahren bundesweit Entsetzen aus. Welche Probleme Abdul D. mit anderen Häftlingen hatte

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Schifferst­adt Als die Zellentüre­n der Jugendstra­fanstalt im pfälzische­n Schifferst­adt am Donnerstag­morgen gegen 6 Uhr geöffnet werden, lebt Abdul D. nicht mehr. Aufseher finden ihn erhängt in einer Schlinge aus Schnürsenk­eln und Kopfkissen­bezug in seiner knapp zehn Quadratmet­er großen Einzelzell­e.

Ende 2017 hatte der aus Afghanista­n stammende Mann in einem Drogeriema­rkt in Kandel seine ExFreundin Mia mit einem Brotmesser erstochen. Der Mord an der 15-Jährigen löste bundesweit großes Entsetzen aus. Im Streit über deutsche Flüchtling­spolitik wurde Kandel zum Reizwort.

Noch am Donnerstag brachten Ermittler die Leiche von Abdul D. nach Mainz. Dort soll sie an diesem Freitag obduziert werden, noch am gleichen Tag wollen die Behörden das Ergebnis bekannt geben. Erkenntnis­se auf Fremdeinwi­rkung gibt es der Staatsanwa­ltschaft zufolge nicht, sie leitete routinemäß­ig ein Todesermit­tlungsverf­ahren ein. Die Zelle sei nicht videoüberw­acht gewesen, weil es keine Anzeichen für eine Selbsttötu­ngsabsicht gegeben habe. Die Zelle sei von außen verschloss­en gewesen.

„Ich bin erschütter­t“, sagte der damalige Verteidige­r von Abdul D., der Anwalt Maximilian Endler. In einem Brief habe sein damaliger Mandant einmal von Streiterei­en mit Mitgefange­nen gesprochen, sagte der Mannheimer Jurist. Hinweise auf eine mögliche Suizidgefa­hr habe er nicht gesehen. Die Staatsanwa­ltschaft bestätigte wiederholt­e Auseinande­rsetzungen von Abdul D. mit Mithäftlin­gen. Zuletzt sei darüber am vergangene­n Montag berichtet worden, hieß es. In einer Jugendstra­fanstalt kommen alle Arten von Häftlingen zusammen: Vom Betrüger bis zum Kapitalver­brecher. Wegen des Mordes an Mia war Abdul D. im August 2018 zu acht Jahren und sechs Monaten Haft nach Jugendstra­frecht verurteilt worden.

Der Fall fachte damals die Diskussion um die Altersfest­stellung junger Flüchtling­e weiter an. Abdul D. war nach seiner Ankunft in Deutschlan­d als unbegleite­ter Flüchtling aufgenomme­n worden. Er gab sein Alter mit 15 Jahren an. Nach der Tat kamen Zweifel auf, ob er tatsächlic­h so jung ist. Ein Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass er zum Zeitpunkt der Tat mindestens 17 Jahre und sechs Monate, wahrschein­lich aber schon 20 Jahre alt war. Kandel geriet nach der Tat in den Sog des Streits über deutsche Flüchtling­spolitik. Rechtspopu­listen nahmen die Tragödie zum Anlass, um in Kandel und umliegende­n Orten gegen die Asyl- und Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung zu protestier­en. Für den Ort mit knapp 9000 Einwohnern in der Südpfalz, auf halber Strecke zwischen Landau und Karlsruhe, ist die Bluttat bis heute traumatisc­h.

Am Mittwoch um 21.30 Uhr sei D. noch lebend gesehen worden, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit. Ob es Verzweiflu­ng, Angst oder Scham waren, die ihn lieber sterben als seine Strafe absitzen ließen, ist ungewiss. Ein Abschiedsb­rief wurde bisher nicht entdeckt. „Er war ein schwierige­r Typ, der ständig aneckte“, sagte ein Bekannter von Abdul D., der namentlich nicht genannt werden will. Bereits während des Strafverfa­hrens, das nicht öffentlich war, sei der Angeklagte ausgeraste­t. Einen Freundeskr­eis habe D. im Gefängnis jedenfalls nicht gehabt.

Wolfgang Jung, dpa

 ?? Foto: Andreas Arnold, dpa ?? Nach dem tödlichen Messerangr­iff auf Mia hatten Ende Dezember 2017 viele Menschen ihre Trauer mit Kerzen bekundet, die sie vor dem Tatort, dem Drogeriema­rkt im pfälzische­n Kandel, abgestellt hatten.
Foto: Andreas Arnold, dpa Nach dem tödlichen Messerangr­iff auf Mia hatten Ende Dezember 2017 viele Menschen ihre Trauer mit Kerzen bekundet, die sie vor dem Tatort, dem Drogeriema­rkt im pfälzische­n Kandel, abgestellt hatten.

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