Rabbiner: Anschlag von Halle trifft die ganze Gesellschaft
Sicherheit Nach den Schüssen in Sachsen-Anhalt überwacht die Polizei weiterhin die Ulmer Synagoge
Ulm Der antisemitische Anschlag von Halle, bei dem zwei Menschen erschossen wurden, hat auch in Ulm Bestürzung ausgelöst. Rabbiner Shneur Trebnik drückte den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Er sieht nach dem von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten angerichteten Blutbad die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung. Und er konstatiert, dass Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland mittlerweile zum Alltag gehören.
„Unsere Befürchtungen haben sich leider bestätigt“, sagte der Ulmer Rabbiner am Donnerstag unserer Redaktion. „Der Anschlag hat gezeigt: Deutschland ist nicht anders als andere europäische Länder und als andere Länder auf der ganzen Welt“, sagte er mit Blick auf Attentate der jüngeren Vergangenheit. Das Verbrechen von Halle habe aber auch gezeigt: „Es ist kein Problem der jüdischen Gemeinde. Es ist ein Sicherheitsproblem für die gesamte deutsche Gesellschaft, für uns alle“, sagte Trebnik. „Und das müssen wir gründlich angehen.“Der schwer bewaffnete Tatverdächtige hatte am Mittwoch versucht, in die Synagoge von Halle einzudringen, in der sich am jüdischen Feiertag Jom Kippur etwa 70 Gläubige aufhielten. Als ihm dies nicht gelang, erschoss er den bisherigen Ermittlungen zufolge erst eine Passantin auf offener Straße und danach einen Mann in einem Döner-Imbiss. Er flüchtete in einem geraubten Taxi und wurde später auf einer Bundesstraße von der Polizei überwältigt. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen wegen Mordes.
In Ulm zeigte die Polizei auch am Tag nach dem Anschlag von Halle Präsenz vor der Synagoge am Weinhof. „Unsere Maßnahmen werden laufend überprüft und dann entsprechend angepasst“, sagte ein Sprecher der Ulmer Polizei. Nähere Details nennt das Präsidium aus Sicherheitsgründen und taktischen Überlegungen nicht.
Bereits beim Bau der Ulmer Synagoge 2012 wurde ein Sicherheitskonzept integriert. Dazu gehören Überwachungskameras und stets geschlossene Türen. Der Einlass wird immer durch Sicherheitspersonal überwacht. Nichtmitglieder der jüdischen Gemeinde dürfen das Gotteshaus nur nach Voranmeldung betreten.
Bei Führungen müssen die Teilnehmer ihre Ausweise vorlegen, es gibt außerdem Taschenkontrollen und eine Schleuse. „Wir machen das widerwillig, weil wir sehr gerne offen wären für die Stadtgesellschaft“, sagte Michael Joukov-Schwelling, Schatzmeister des Fördervereins zur Unterstützung der Synagoge, über die Sicherheitsmaßnahmen. „Aber es ist für jüdische Einrichtungen in Deutschland leider generell notwendig.“Stadtrat Joukov-Schwelling lobte die Ulmer Polizei für ihre schnelle Reaktion am Tag des Attentats. „In wenigen Minuten war ein Streifenwagen da. Das ist ein wichtiges Signal: Wir sind nicht allein.“