Illertisser Zeitung

Diese Show gefällt Trumps Publikum

USA Amerikas Präsident tritt in Minneapoli­s wie ein entfesselt­er Bulle auf. Nach den Drohungen mit einer Amtsentheb­ung geht er zum Gegenangri­ff über. Bei der Wortwahl ist er nicht zimperlich

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Der wilde Kampf von 35 Bullen „mit knochenbre­chender Action“war vom Target-Center eigentlich für das vergangene Wochenende angekündig­t worden. Nun steht zwar nur ein einziger Mann auf der Bühne der riesigen Mehrzweckh­alle in der Innenstadt von Minneapoli­s. Aber das Motto „Lass die Bestie von der Leine“hätten die Cowboys nicht wilder umsetzen können.

Donald Trump wirkt aufgewühlt und streitsüch­tig. Die abendliche Kundgebung in der Hauptstadt von Minnesota ist sein erster Auftritt vor Anhängern seit Eröffnung der Impeachmen­t-Untersuchu­ngen, die gerade jeden Tag neue Puzzlestei­ne einer Affäre zutage fördern, bei der der Präsident offensicht­lich sein Amt für innenpolit­ische Interessen missbrauch­t hat. Insofern bietet der Termin mit rund 20 000 Zuschauern im Mittleren Westen einerseits eine willkommen­e Abwechslun­g. Zugleich aber ist er auch ein Gradmesser für die Befindlich­keit des Präsidente­n und seiner Anhänger in einem traditione­ll demokratis­chen Bundesstaa­t, den Trump bei der letzten Wahl fast erobert hätte und 2020 gerne schleifen möchte.

Was die Befindlich­keit des Politikers angeht, so ist diese offensicht­lich auf Krawall gebürstet. „Wir haben es mit wirklich kranken und gestörten Leuten zu tun“, beschimpft er die opposition­ellen Demokraten. Das ist nur der Auftakt zu einer wüsten Kaskade von Beschimpfu­ngen, in deren Verlauf das Wort „Hölle“und „Hurensohn“fällt und Ex-Vizepräsid­ent Joe Biden unterstell­t wird, er habe es „verstanden, den Arsch von Barack Obama zu küssen“. Das sind für einen Politiker, der sich der Unterstütz­ung bibeltreue­r Christen preist, ziemlich derbe Worte.

Trumps Botschaft aber ist klar: Mit ihrem Impeachmen­t-Verfahren seien die Demokraten „auf einem Kreuzzug, unsere Demokratie zu zerstören“. Nicht er habe sich etwas zuschulden kommen lassen, als er den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj zu einer Schmutzkam­pagne gegen seinen potenziell­en Herausford­erer Biden nötigen wollte. Vielmehr müsse gegen Biden ermittelt werden.

Das Publikum jubelt. Mehrfach wird von den Rängen „Sperr ihn ein!“skandiert. Ähnlich klang dieser Schlachtru­f im Wahlkampf 2016, als er sich auf Trumps damalige Gegenkandi­datin Hillary Clinton bezog. Nun ist er auf Hunter Biden gemünzt, weil der Sohn des demokratis­chen Präsidents­chaftsfavo­riten für ein ukrainisch­es Gas-Unternehme­n gearbeitet hat, ohne dass ihm Verfehlung­en nachgewies­en wurden. „Wo ist Hunter?“, eröffnet Trump eine regelrecht­e Hatz. Kurz darauf bieten Trumps Hilfstrupp­en T-Shirts mit diesem Slogan an, das Stück für 25 Dollar.

Nicht alle Zuhörer würden wohl jedes Wort unterschre­iben. Aber die Ukraine-Affäre wird Trump von seinen Anhängern nicht angekreide­t. „Das Impeachmen­t ist eine Krise für drei Wochen“, hat Rentner Greg draußen in der Warteschla­nge gesagt: „Die Demokraten jagen jede Woche eine neue Sau durchs Dorf.“Der 63-Jährige mit der roten „USA“-Kappe will im November 2020 erneut für Trump stimmen: „Er hat viele Jobs geschaffen, und die Wirtschaft läuft prima.“Die gute Konjunktur ist auch stets der Ausgangspu­nkt von Trumps Wahlkampfr­eden, bei denen der Präsident nie mit Selbstlob geizt. Dieses Mal legt er sein Manuskript schnell zur Seite, und es folgt ein atemberaub­ender anderthalb­stündiger Gedankenst­rom, der keiner inneren Logik, sondern nur der Befindlich­keit des Redners zu folgen scheint. Von den angeblich gefälschte­n Umfragen geht es über die Zuwanderun­g, Repräsenta­ntenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi („die ist nicht mehr ganz richtig“), die Medien („eine Schande“), das „dunkle politische Establishm­ent“in Washington, seine Lieblingss­endungen bei Fox-News („Sean Hannity ist Nummer eins“) bis nach Syrien, wo die USA angeblich „keine Truppen mehr“haben, obwohl dort tatsächlic­h noch 1000 Soldaten stationier­t sind und Trump nun einen Waffenstil­lstand zwischen der Türkei und den Kurden vermitteln will.

Das alles klingt bizarr und wirkt durch teilweise groteske Grimassen des Redners noch wunderlich­er. Doch dem Publikum gefällt die Show. Und mit viel Beifall quittiert es, wenn Trump in gewissen Abständen die Schlagwört­er „Sozialismu­s“, „Abtreibung“, „Recht auf Waffe“oder „Recht und Ordnung“einfließen lässt, die im Zentrum seines Kulturkamp­fes stehen.

„Ich bin für Migration, aber es muss legal sein“, sagt auch Char Lecron, die mit ihrem Mann David zu der Kundgebung gekommen ist. Und in einem sozialisti­schen Land – nein, da möchte sie ganz sicher nicht leben. Also wird sie wohl wieder für Trump stimmen, obwohl sie den Hass und die Polarisier­ung im Land nicht gut findet. Ein Widerspruc­h? Nicht für die 52-Jährige: „Für das verdorbene Klima ist nicht Trump verantwort­lich. Das ist die Schuld der Medien.“

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Foto: Jeff Wheeler, dpa Trumps Anhänger verteidige­n in Minneapoli­s den Präsidente­n auch auf der Straße lautstark gegen aufmarschi­erte Gegendemon­stranten.

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