Illertisser Zeitung

Es kann nur einen geben

Hintergrun­d Schritt für Schritt baut Markus Söder seinen Machtappar­at aus. Kontrolle hat für ihn oberste Priorität. Das Prinzip heißt: Themen setzen, Themen lenken und, wenn es gerade mal sein muss, von Themen ablenken

- VON ULI BACHMEIER

München Strauß, Stoiber, Söder. Das ist das neue Dreigestir­n am politische­n Himmel der Bayern. So sieht es zumindest Markus Söder. Seit 19 Monaten ist er Ministerpr­äsident. Seit neun Monaten ist er CSU-Chef. Da fand er es offenbar höchste Zeit, sich unter die Titanen der Landespoli­tik einzureihe­n. Und weil es kein anderer macht, macht er es halt selber – per Regierungs­erklärung.

Von dem Bekenntnis zur Demut, mit dem Söder seine Ämter übernommen hat, ist nicht mehr viel zu spüren. Schon sein Weg an die Macht folgte einer ausgeklüge­lten Strategie. Es war eine breit angelegte Charme-Offensive: Unterstütz­er gewinnen, Abgeordnet­e an sich binden, Netzwerke knüpfen, Wissen anhäufen. Doch das war nur der Anfang. Macht zu erringen, ist das eine, sie zu festigen und auszubauen das andere. Zielstrebi­g wie ein Architekt errichtete Söder sein Herrschaft­ssystem. Es ruht auf drei Säulen: Staatskanz­lei, Parteizent­rale, CSU-Fraktion.

Die selbstbewu­ssten Spitzenbea­mten der Staatskanz­lei hatten, als Söder kam, eine harte Zeit hinter sich. Sein Vorgänger Horst Seehofer behandelte zwar die Amtschefin, Staatsräti­n Karolina Gernbauer, mit höchstem Respekt – auch weil er wusste, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Spitzenjur­istin lieber heute als morgen zu sich nach Berlin geholt hätte. Doch den Apparat ließ Seehofer immer wieder spüren, dass die Politik regiert, nicht die Verwaltung. Nicht nur einmal machte er sich öffentlich lustig über die „grünen Zettel“, die seine Beamten für seine Termine vorbereite­t hatten: „Was die mir da wieder alles aufgeschri­eben haben ...“

Auf ihren neuen Chef allerdings freuten sich die Staatskanz­listen auch nur bedingt. Ihm eilte der Ruf voraus, ein sehr ungeduldig­er und fordernder, manchmal sogar jähzornige­r Vorgesetzt­er zu sein. In früheren Zeiten soll schon mal ein Handy an der Wand zerschellt sein. Doch die Befürchtun­gen bestätigte­n sich nicht. Über Wutanfälle ist nichts mehr bekannt geworden. Die Anforderun­gen dagegen seien, wie es heißt, eher noch größer geworden.

Wie sein Vorbild Edmund Stoiber hat Söder einen kleinen Kreis enger Vertrauter um sich geschart, allen voran Staatsräti­n Karolina Gernbauer und Büroleiter Gregor Biebl. Sie exekutiere­n den Willen des Chefs. Staatsmini­ster Florian Herrmann, der Leiter der Staatskanz­lei, hält ihm den Rücken frei.

Auch in der CSU-Zentrale haben Söder-Leute das Kommando. Generalsek­retär Markus Blume, der schon Seehofers Vertrauen genoss, durfte bleiben. Der Bundestags­abgeordnet­e Florian Hahn kam als Vize neu hinzu. Und als Pressespre­cher wurde der Seehofer-Intimus Jürgen Fischer durch Franz Stangl ersetzt, der bisher für die CSULandtag­sfraktion arbeitete.

Erste Priorität in diesem System hat die Kontrolle. Alle stehen unter Beobachtun­g. Die Minister, die eigene Fraktion, die Opposition, Journalist­en sowieso. Söders Pressespre­cher zum Beispiel sind auch Pressehöre­r. Zu ihrem Job gehört es, den Chef möglichst in Echtzeit darüber zu informiere­n, wonach Journalist­en fragen. Das ist Teil einer Gesamtstra­tegie. PR-Experten nennen sie „Message Control“. Will heißen: Themen setzen, Themen lenken und, wenn es gerade mal sein muss, von Themen ablenken.

Wie das im Detail funktionie­rt, zeigte sich diese Woche bei der Verkündung der „Hightech Agenda Bayern“. Es gehört zum guten Ton im Landtag, der Opposition eine Regierungs­erklärung spätestens am Vorabend zur Verfügung zu stellen, um ihr die Chance auf eine qualifizie­rte Erwiderung zu geben. Söders Leute warteten damit bis eine Stunde vorher.

Den Ministern geht es kaum besser. Oft bleiben ihnen und ihren Mitarbeite­rn, wie es heißt, nur wenige Stunden, um ihre Stellungna­hmen zu den Kabinettsv­orlagen vorzuberei­ten. Halbe Nachtschic­hten in Ministerie­n seien keine Seltenheit mehr. Ob das der Qualität der Regierungs­entscheidu­ngen dient? Vermutlich nicht. Der Zweck allerdings ist offenkundi­g: Der Chef will verhindern, dass Entscheidu­ngen vorab bekannt werden. Er will frohe Botschafte­n selbst verkünden. Im Ernstfall twittert Söder sie aus der Kabinettss­itzung heraus, wie zuletzt bei der Entscheidu­ng über einen „Großeltern­tag“.

Hinzu kommt eine etwas eigenwilli­ge Definition des Begriffs „Teamwork“. Bei Söder heißt das: Alle müssen zuarbeiten, Ideen und Konzepte abliefern. Die Entscheidu­ng aber, was gemacht wird, liegt allein beim Chef – und zwar nicht nur im Grundsatz, sondern auch in den Details.

Wenn es um so weitreiche­nde Entscheidu­ngen geht, wie diese Woche bei der Forschungs­förderung, verlässt Söder sich nicht nur auf seine Minister und ihren Beamtenapp­arat. Er will auch inhaltlich der Chef sein, redet mit Wissenscha­ftlern, Unternehme­rn und Experten, um seine Entscheidu­ngen auf ein möglichst festes Fundament zu stellen. Auch das ist eine Verfeineru­ng der Arbeitsmet­hode seines großen Vorbilds. Stoiber hatte für seine

Der Jähzorn ist weg, die Ungeduld ist geblieben

Hightech-Offensive Experten an einen Tisch zusammenge­holt. Da wissen dann alle alles. Söder führte überwiegen­d Einzelgesp­räche. Da weiß dann nur einer alles.

Die CSU-Landtagsfr­aktion, die von dem Allgäuer Thomas Kreuzer mit harter Hand geführt wird, lässt das zu. Söders Erfolg ist offenkundi­g. Seine Umfragewer­te gehen nach oben. Solange das so ist, werden die Abgeordnet­en ihm folgen und keine seiner Entscheidu­ngen infrage stellen. Auch das zeigte sich diese Woche. Wie eine Monstranz hat die CSU jahrelang die Tilgung der Staatsschu­lden vor sich her getragen. Nicht ein einziger Abgeordnet­er erhob seine Stimme, als Söder sie jetzt faktisch auf Null stellte, um zusätzlich­e Milliarden für die Forschung locker zu machen.

Ein gewisses Unwohlsein gibt es nur in einem Punkt. Die CSU als Partei kommt in den Umfragen nicht vom Fleck. Sie verharrt bei den 37 Prozent, die sie bei der Landtagswa­hl geholt hat. Ein paar Köpfe mehr, die die Breite einer Volksparte­i abbilden, könnten da nicht schaden, sagen Skeptiker. Zur Zeit gibt es nur einen.

Nur in den Umfragen kommt die CSU nicht vom Fleck

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Seit 19 Monaten ist Markus Söder Ministerpr­äsident, seit neun Monaten CSU-Chef. Seinen Machtappar­at hat er in dieser Zeit nach einer ausgeklüge­lten Strategie ausgebaut.
Foto: Ulrich Wagner Seit 19 Monaten ist Markus Söder Ministerpr­äsident, seit neun Monaten CSU-Chef. Seinen Machtappar­at hat er in dieser Zeit nach einer ausgeklüge­lten Strategie ausgebaut.

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