Illertisser Zeitung

Roter Stein des Anstoßes

Outback An Australien­s „Heiligem Berg“ist die Hölle los. Touristen aus aller Welt wollen sich die letzte Chance zur Besteigung nicht entgehen lassen. Warum der Uluru bald nicht mehr erklommen werden darf

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Uluru Die T-Shirts sind schon alle weg. Bis vor einer Weile konnte man sich an Australien­s bekanntest­em Felsblock, mitten in der roten Wüste gelegen, noch Souvenirs kaufen mit dem Aufdruck: „I climbed the Uluru“(„Ich bin den Uluru hochgeklet­tert“). Vor ein paar Jahren hieß es sogar noch: „I climbed the Ayers Rock“– die bis dahin übliche englische Bezeichnun­g. Irgendwann Anfang der Nuller-Jahre bürgerte es sich aber ein, den „Heiligen Berg“von Australien­s Ureinwohne­rn nur noch so zu nennen wie es die Aborigines selbst tun: Uluru. Dann wurde es auch noch verpönt, den 348 Meter hohen Brocken zu besteigen. In ein paar Tagen wird die übrigens ziemlich anstrengen­de Tour verboten sein. Strafe: 630 australisc­he Dollar (knapp 390 Euro). Es kann noch teurer werden, bis hin zu einer Gefängniss­trafe.

Dass das Verbot kommt, steht seit Herbst 2017 fest. Es wurde von der Verwaltung des Nationalpa­rks beschlosse­n, in dem der Berg liegt. Die vergangene­n Jahre bereits baten die Anangu, die hier schon seit Ewigkeiten zu Hause sind, alle Besucher darum, freiwillig unten zu bleiben. Viele hielten sich daran.

Zehntausen­de machten sich aber trotzdem in praller Sonne auf den anderthalb Kilometer langen Weg nach oben, wenn auch oft mit etwas schlechtem Gewissen. Der 360Grad-Rundumblic­k ins Outback ist bekanntlic­h grandios. Noch darf man ja hinauf. Es ist, wenn es dauerhaft bei dem Verbot bleiben sollte, die letzte Chance. So ist am Uluru in diesen Tagen so viel los wie wahrschein­lich nie zuvor in seiner Existenz. In der Touristens­iedlung Yulara – der einzigen halbwegs in der Nähe gelegenen – sind die Hotels trotz horrender Preise seit Wochen ausgebucht. Auch der Campingpla­tz ist komplett voll. An manchen Tagen sieht es am Aufstieg zum Uluru nun so aus wie auf dem Foto vom Mount Everest, das im Frühjahr um die Welt ging: eine lange Schlange von Menschen, dicht an dicht. Wie eine riesige Ameisenstr­aße.

Alles in allem werden dieses Jahr mehr als 400000 Besucher erwartet (zum Vergleich: In der Anfangszei­t des Uluru-Tourismus, in den 1950ern, waren es nur ein paar Hundert). Viele finden es richtig, endlich den Bitten der Aborigines zu entspreche­n. 700000 Ureinwohne­r gibt es heute noch, die im Vergleich zu den restlichen 24 Millionen Australier­n immer noch vielfach benachteil­igt werden. Andere halten die Klettertou­r auf den Ayers Rock – wie sie dann erst recht sagen – für so etwas wie ein Grundrecht für alle Bewohner des fünften Kontinents. Auch unter den Aborigines sind nicht alle einer Meinung. Wenn man mit Jüngeren spricht, lautet die Antwort häufig: „Ist mir egal.“Der Aborigine-Künstler Billy Cooley, Jahrgang 1952, sagt: „Ich hätte kein Problem damit, wenn der Berg offen bleibt. Wenn sie heimlich klettern, dann gibt es noch mehr Unfälle.“

Tatsächlic­h ist der Uluru trotz seiner bescheiden­en Höhe gefährlich. Der Fels ist nicht nur steil, sondern auch extrem glatt. Mindestens 37 Menschen kamen schon ums Leben. Seit man sich an einer 300 Meter langen Kette nach oben hangeln kann und dadurch auch Halt beim Abstieg hat, sind es weniger geworden. Zuletzt starb im Juli vergangene­n Jahres ein 73 Jahre alter Japaner. Er erlitt einen Herzinfark­t.

Der letzte Tag, an dem man klettern darf, ist der 25. Oktober, bis 16 Uhr. Außer, es wird Regen erwartet, viel Wind oder mehr als 35 Grad Hitze. Dann wird der Berg schon früher gesperrt. Damit enden dann fast anderthalb Jahrhunder­te Geschichte: Der erste Weiße dort oben war wahrschein­lich 1873 der englische Entdecker William Goose. Er benannte ihn nach Sir Henry Ayers, einem ehemaligen Premiermin­ister von South Australia.

Am Wochenende nach der Schließung soll es am Uluru dann eine feierliche Zeremonie geben – von Aborigines und Weißen gemeinsam. Die Woche danach wird die Kette abgebaut und auch die 138 stählernen Pfosten, die bis zu 30 Zentimeter in den roten Stein gerammt wurden.

Die Einzigen, die künftig noch nach oben dürfen, sind die Anangu selbst. Sie haben dazu aber keinen Grund. Ihre heiligen Stätten sind alle unten am Fuße des Uluru, in der roten Erde. Christoph Sator, dpa

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Foto: Christoph Sator, dpa Mit solchen Bildern ist bald Schluss. Künftig dürfen nur noch die Anangu, die schon immer am Uluru leben, auf Australien­s „Heiligen Berg“.

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