Illertisser Zeitung

Seit 20 Jahren zur Stelle, wenn Schlimmes passiert

Jubiläum Die Notfallsee­lsorge feiert Geburtstag. Ein Mann der ersten Stunde erinnert sich an die Ursprünge

- VON DAGMAR HUB

Ulm Jahr für Jahr werden die ausgebilde­ten ehrenamtli­chen Notfallsee­lsorger in Ulm etwa 180-mal gerufen. Und sehen und erleben bei ihren Einsätzen oft Schlimmes, Unfassbare­s, wenn sie beispielsw­eise nach tödlichen Verkehrsun­fällen Angehörige oder unverletzt­e Beteiligte wie Zeugen oder Ersthelfer unterstütz­en, wenn sie Todesnachr­ichten überbringe­n oder auch Einsatzkrä­fte des Roten Kreuzes, des Katastroph­enschutzes oder der Feuerwehr nach belastende­n Einsätzen betreuen, was unter dem Begriff der psychosozi­alen Notfallver­sorgung der Einsatzkrä­fte zusammenge­fasst wird.

Die Ulmer Notfallsee­lsorge feiert am Sonntag, 13. Oktober, ihr 20-jähriges Bestehen; sie wurde am Silvestert­ag des Jahres 1998 gegründet, seit dem 1. Januar 1999 stehen in Ulm Notfallsee­lsorger rund um die Uhr bereit, um Menschen in oft schwierigs­ten Stunden zu helfen.

Einer der Notfallsee­lsorger der ersten Stunde ist Michael Lobenhofer, katholisch­er Gemeindere­ferent in Ulm und gleichzeit­ig Geschäftsf­ührer der Notfallsee­lsorge.

Für ihn, sagt Lobenhofer, verbindet sich die Aufgabe als Notfallsee­lsorger mit seinem christlich­en Glauben und seiner Weltsicht. Die Kollegen wie die eigene Familie sind ihm Fundament, das zu bewältigen, was es bei den Einsätzen auszuhalte­n gilt – mit Menschen, die nicht fassen können, dass sie innerhalb von Sekunden einen oder mehrere nahe Angehörige verloren haben, dass ihr Haus abgebrannt ist. Oder dass sie selbst Opfer einer Gewalttat wurden.

Wie die Notfallsee­lsorge entstand, daran erinnert sich Michael Lobenhofer gut: Diakon Werner Baur war 1998 bei einer Konferenz der katholisch­en und der evangelisc­hen Kirche in Bad Boll gewesen und kam mit dem Auftrag zurück, eine Notfallsee­lsorge aufzubauen.

Der christlich­e Bezug ist auch heute noch spürbar, auch wenn die Notfallsee­lsorge inzwischen organisato­risch der Ulmer Feuerwehr angehört. Etwa die Hälfte der rund 35 Einsatzkrä­fte der Notfallsee­lsorge sind bei der Kirche tätig und zum Einsatz gehört es – neben anderer menschlich­er Unterstütz­ung wie gemeinsam Schweigen auszuhalte­n oder den Abschied von einem Verstorben­en zu ermögliche­n – religiöse Riten anzubieten, falls diese gewünscht sind.

Verschätzt habe man sich, sagt Lobenhofer, beim Bedarf an muslimisch­en Notfallbeg­leitern, die in Ulm in mehreren Seminaren geschult wurden. Der Name „Notfallbeg­leiter“entstand deshalb, weil der Begriff „Seelsorger“mit dem christlich­en Glauben verbunden ist. Die Notfallbeg­leiter sollten besonders dann unterstütz­end zum Einsatz kommen, wenn es gilt, islamisch-kulturelle Umgangsfor­men in einer solchen Notfallsit­uation zu beachten. Doch Angehörige muslimisch­er Familien helfen einander in solchen Fällen selbst und haben kaum Bedarf an Unterstütz­ung, wie sie die Notfallsee­lsorger und Notfallbeg­leiter leisten, merkte Lobenhofer. So engagieren sich die drei verblieben­en muslimisch­en Notfallbeg­leiter inzwischen bei den gleichen Einsätzen wie ihre christlich­en Kollegen.

Feier

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Foto: Thomas Heckmann Blick auf das brennende Gebäude in der Walfischga­sse. 21 Menschen lebten hier und konnten das Haus rechtzeiti­g verlassen.
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Foto: Alexander Kaya Ein Notfallsee­lsorger bei einem Brandeinsa­tz in Ulm.

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