Mit den Brüchen in Beziehungen leben lernen
Wer genau hinsieht, hat sie schon immer erkannt, die feinen Risse in der japanischen Teeschale, die Max so hütet. Der Archäologieprofessor hat ein Faible für Japan. Er liebt die Ordnung in dem schmucklosen Haus in der Uckermark, das ihm und seinem Partner Reik, einem gefeierten Künstler, seit Jahren als Rückzugsort dient. Doch so harmonisch die Paarbeziehung nach außen aussieht, so tief sind längst ihre Brüche. Ausgerechnet an dem Wochenende, an dem der 20. Jahrestag ihrer Liebe gefeiert werden könnte und ihr bester Freund Tonio mit Tochter Pega, einer Studentin, zu Besuch ist, lassen sich die Probleme des Quartetts nicht mehr verdecken.
Kintsugi heißt das bemerkenswerte Familienpsychogramm der jungen Autorin Miku Sophie Kühmel, das für den Deutschen Buchpreis nominiert ist. Ihr Debüt überzeugt mit seiner klaren Sprache und Struktur. Ist es schon spannend, tief in das Seelenleben der vier Protagonisten einzutauchen, gibt ihre Verbindung zueinander – Pega wurde eigentlich von allen drei Männern großgezogen – dem Roman einen besonderen Reiz. So manche Länge verzeiht man da. Denn Kühmel ist ein nachdenklicher Text über die Brüchigkeit von Beziehungen gelungen. Die einst in Scherben geschlagene Teeschale von Max wird zum Sinnbild – „Kintsugi“heißt ja die japanische Technik des Vergoldens von Rissen. Bei Rissen in menschlichen Beziehungen hilft freilich die kunstvollste Kitttechnik oft nicht mehr. Daniela Hungbaur