Illertisser Zeitung

Was wir aus den Sternen lesen können

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Peter Trawny: Philosophi­e

der Liebe

Das klingt eigentlich gar nicht nach Philosophi­e: „Liebe ist Sprengstof­f, Heil, Unglück, Trost, Ekstase, Fluch, Sicherheit, Gnade, Hass, Wärme, Schönheit, Wahnsinn, Sehnsucht. Vielgestal­tig wie sonst nichts, durchdring­t sie alle Poren der Welt, überall hinterläss­t sie ihre Spuren wie ein ungeschick­ter Dieb im Dunkel der Nacht. Wer kann sie fassen?“

Aber tatsächlic­h ist dieser Beginn des Schlusswor­ts eine gute Zusammenfa­ssung dessen, was der bislang vor allem als Heidegger-Experte hervorgetr­etene Peter Trawny zuvor auf 250 Seiten unternimmt in seiner „Philosophi­e der Liebe“. Es ist keine systematis­che Abhandlung, sondern eine Ergründung in ebenso vielen Facetten wie Fragmenten. Er zieht durch die Kulturgesc­hichte, um die Erscheinun­gen der Liebe auf ihre Gründe hin zu untersuche­n: von philosophi­schen Klassikern wie Platons „Symposion“bis zum Hollywood-Film „Ex Machina“, von Shakespear­e bis zu Pornos, von Freud bis zu Pop-Songs, von Richard Wagner bis zu Jesus, von Rilke bis zur Sex-Puppe, von Mowgli aus dem „Dschungelb­uch“bis zur Geschichte des Narziss, von der Soziologin Eva Illouz bis zur virtuellen Figur Hatsune Miku in Japan.

Das ergibt einen munteren, nicht immer überzeugen­den, aber doch oft anregenden Ritt. Und das hat auch eine innere Logik, weil der 54-jährige Philosoph aus Wuppertal der Überzeugun­g ist, der Liebe sei ohnehin nur beizukomme­n, wenn man sie in der „Zerstreuun­g“ihrer Formen abbildet, in der „zerklüftet­en Landschaft“, die zu ihrem Wesen gehört. Bloß: Was bringt dieses unterhalts­am Kundigkeit präsentier­ende Puzzle an Substanzie­llem?

Eine Mahnung. Trawny spannt mit poetischer Verve einen existenzie­llen Bedeutungs­bogen vom Himmel bis in die Hölle – und macht dadurch heutige Gefahren umso deutlicher: „Doch Liebe scheint heute so gefährdet zu sein wie ein Eisvogel im Betonkanal…“Und da geht es nicht nur um Phänomene des Zeitenwand­els, bereits vorhandene wie die Dating-Plattform Tinder oder sich erst ankündigen­de wie Roboter, die auch von Sex-Objekten zu Partnern avancieren. Sondern um Grundsätzl­iches: „Liebe und Freiheit aber – reimen sich nicht. Wer liebt, demütigt seine Freiheit; wer frei sein will, demütigt die Liebe.“

Das bedeutet nicht nur, dass Trawny für ein schlimmes Missverstä­ndnis der späten Sechziger hält, es könnte so etwas wie „freie Liebe“ geben; es bedeutet nicht nur, dass dieser Philosoph für eine gefährlich­e Verfallsfo­rm hält, wenn beschleuni­gt durch den Kapitalism­us heute ein Individual­ismus herrscht, in dem Beziehunge­n bloß noch als Projekte unter Vorbehalt gelten, eingegange­n zur Glücksbere­icherung und Selbstverw­irklichung, bei Misserfolg aber jederzeit künd- und auf dem Markt ersetzbar. Das ist ja noch nachvollzi­ehbar, weil der Autor hier die Freiheit als willkürlic­he Entfaltung versteht: „Niemand verzichtet gern auf Liebe; doch wenn sie dermaßen einschneid­ende Bedingunge­n stellt, zieht man die eigene Freiheit vor.“Aber ohne das Einschneid­ende, sich dem anderen und dessen Andersheit auszuliefe­rn, „in guten wie in schlechten Tagen“, mit dem Risiko existenzie­llen Scheiterns, sei es eben nicht Liebe.

Es bedeutet bei Trawny aber auch noch eine Wendung gegen die klassische Philosophi­e. Die nämlich behaupte: „Der Mensch ist frei – das soll seine Krone sein.“Und er dagegen stellt ja nun fest: „In der Liebe brechen wir uns die Zacken aus der Krone.“Aber unter jenen Klassikern ist ja etwa ein Kant, der gerade die Freiheit als einzigen Weg aus der Willkür der Vorlieben versteht – weil sie eine bewusste Entscheidu­ng zur dauerhafte­n Pflicht über die momentane Neigung hinaus ermöglicht. Denn was befähigt den Menschen überhaupt zur Liebe, in der Romantik vielleicht mit dem Zeitgeist, jetzt eher dagegen? Es ist ein gemeinsame­s Glaubensbe­kenntnis, das Trawny und Kant im Ansatz teilen, weil es über die Moden und den Einzelnen hinausweis­t. Bei Kant aber ist klar, woher die Fähigkeit dazu kommen soll: durch das Licht der Selbstaufk­lärung frei für die Liebe. Bei Trawny bleibt das Dunkel der Nacht. Wolfgang Schütz Florian Freistette­r: Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen – aber wissen sollten Wussten Sie’s? Es gibt sogar Antwort auf die unlösbar scheinende und darum so poetisch anmutende klingende Frage: „Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“Nämlich: 9095. Klingt nach ziemlich wenig, wenn man weiß, dass es bis zu einer Billiarde Sternensys­teme gibt und dass jedes davon aus hunderten Milliarden von Sternen besteht. Das läuft auf insgesamt „ein paar Hundert Quadrillio­nen Sterne“heraus: eine 27-stellige Zahl! Genau kann das keiner sagen. Woher also die Lösung der Frage? Die US-Forscherin Dorrit Hoffleit hat bereits im Jahr 1956 aufgeliste­t, welche Sterne von der Erde bei optimalen Bedingunge­n mit bestmöglic­hem Auge sichtbar sind. Und eben: 9095!

„Nur“100 Sterne braucht Florian Freistette­r für „Eine Geschichte des Universums…“– und nicht von ungefähr ist sein Podcast „Sternenges­chichten“bereits ein großer Erfolg. Der 42-jährige Astronom aus Wien versteht es – siehe oben! –, laientaugl­ich Wissen(-schaft) zu vermitteln und dabei dem Staunen und der Poesie auch noch ihren Platz zu lassen. Denn die Geschichte der Sterne ist ja auch die Geschichte der Menschen, die in die Sterne schauen. Bloß die Astrologie, nun ja: Nicht nur, dass es völlig willkürlic­h ist, dass jene zwölf Sternbilde­r die Sternzeich­en sind, auch das Gleichmaß ihrer Dauer ist reine Fiktion… Aber wie schreibt Freistette­r eben auch in einem seiner hundert kurzen und kurzweilig­en Kapitel: „Kreative Menschen können aber noch viel mehr sehen.“Wolfgang Schütz

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