Illertisser Zeitung

Ein Torjubel für das Militär

Fußball Die Nationalsp­ieler der Türkei feiern das Tor mit einem „Gruß an das Militär“. Ilkay Gündogan und Emre Can liken zuerst das Bild, nehmen ihre Likes später aber zurück

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Aus rein sportliche­r Sicht ist die Lage der türkischen Nationalma­nnschaft bestens: In der EMQualifik­ationsgrup­pe führt das Team die Gruppe H punktgleic­h mit Weltmeiste­r Frankreich an – dank eines späten Tors von Cenk Tosun gegen Albanien am Freitagabe­nd. In der 90. Minute traf der Stürmer zum 1:0. Was direkt danach geschah, sorgte für Aufsehen: Der in Deutschlan­d geborene Tosun, der als Vertrauter des Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan gilt, feierte seinen Treffer zusammen mit einigen Mitspieler­n mit einem Militärgru­ß. Die türkische Armee hatte unter der Woche in Nordsyrien eine Militäroff­ensive gestartet, um dort gegen die Kurden vorzugehen – ein Vorgehen, das internatio­nal für Empörung gesorgt hatte. Die Arabische Liga sprach gar von einer „Invasion in das Land eines arabischen Staates und ein Angriff auf seine Souveränit­ät“.

Für Aufregung sorgte auch die Reaktion von Ilkay Gündogan und Emre Can auf das Jubelfoto. Die deutschen Nationalsp­ieler hatten bei Instagram das Foto mit einem sogenannte­n Like versehen. Gündogan und Can nahmen ihre Likes bei Instagram später wieder zurück. Er habe gehandelt, „ohne jegliche Intention und auf den Inhalt zu achten“, sagte Can der Bild und fügte hinzu: „Ich bin ein absoluter Pazifist und gegen jede Art von Krieg.“ Gündogan betonte, er habe sein Like für das umstritten­e Bild „bewusst zurückgeno­mmen“, als er gesehen habe, dass seine Reaktion „politisch gewertet wurde. Wahr ist, dass ich mich für meinen ehemaligen Teamkolleg­en aus der DFB U21 gefreut habe, dass er das Siegtor gemacht hat.“

Nach dem Spiel veröffentl­ichte die türkische Nationalma­nnschaft zudem noch ein Foto auf ihrem Twitter-Account. Darauf zu sehen sind Spieler und Betreuer in einer ähnlichen Pose wie die Nationalsp­ieler beim Jubel. Der Sieg sei „den tapferen Soldaten und Märtyrern“gewidmet, die gerade im Einsatz für das Land sind, heißt es im Tweet.

Der Fall beschäftig­t mittlerwei­le auch den europäisch­en Fußballver­band Uefa. Nach deren Regularien sind politische Äußerungen während des Spiels streng verboten. Philip Townsend, der Pressechef der Uefa, sagte der italienisc­hen Nachrichte­nagentur Ansa, dass er die Geste selbst zwar nicht gesehen habe, sie aber zweifellos als Provokatio­n gedeutet werden kann. Weil politische Äußerungen nicht erlaubt sind, „werden wir dem Verdacht definitiv nachgehen“, so Townsend. Während des Wochenende­s gab die Uefa vorerst keine Stellungna­hme ab. In den mehrheitli­ch staatstreu­en türkischen Medien wurde der Kontinenta­lverband für die Kritik an der Jubelgeste aber scharf kritisiert.

Laut des Nationaltr­ainers der Türkei, Senol Günes, hatte Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan nach Spielende in der Kabine angerufen, um der Mannschaft zum Sieg zu gratuliere­n. Günes bedankte sich öffentlich dafür und sagte im türkischen TV: „Wir sind bereit, Soldaten zu sein.“Emre Belözoglu, der Kapitän der türkischen Nationalma­nnschaft, fügte an: „Unsere Gebete sind mit den Soldaten. Möge Gott sie siegreich sein lassen.“

Der Jubel von Tosun und seinen Mitspieler­n war nicht der einzige Vorfall dieser Art. Bei der TurnWM in Stuttgart hatte Ibrahim Colak am Samstag an den Ringen den historisch­en ersten Titel seines Landes geholt. Bei der Siegerehru­ng hatte er ebenfalls den Gruß gezeigt. Und beim FC St. Pauli hat sich Stürmer Cenk Sahin in einem Instagram-Post mit der türkischen Armee solidarisi­ert. Während der Verein sich distanzier­t, fordern die Fans des Klubs den Rauswurf Sahins.

Am Montagaben­d könnte der Sport im türkischen Verband wieder im Vordergrun­d stehen: In Paris tritt die Türkei gegen Frankreich an. (mit dpa)

Kommentar

 ?? Foto: Mahmut Burak Burkuk, Imago ?? Ein Sieg der Nationalma­nnschaft ist in der Türkei derzeit auch ein Sieg für Erdogan: Kurz vor Schluss erzielte Cenk Tosun (vierter von links) den Siegtreffe­r gegen Albanien. Zusammen mit seinen Mitspieler­n feierte er das Tor mit einer militärisc­hen Geste.
Foto: Mahmut Burak Burkuk, Imago Ein Sieg der Nationalma­nnschaft ist in der Türkei derzeit auch ein Sieg für Erdogan: Kurz vor Schluss erzielte Cenk Tosun (vierter von links) den Siegtreffe­r gegen Albanien. Zusammen mit seinen Mitspieler­n feierte er das Tor mit einer militärisc­hen Geste.

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