Illertisser Zeitung

Die Kühe sind zurück im Stall

Tradition Buntes Treiben beim Viehscheid in Oberschöne­gg: Los ging das Spektakel bereits am Samstag mit einem viel beachteten Wettbewerb im Kuhfladen-Weitwurf

- VON CLAUDIA BADER UND SABRINA SCHATZ

Oberschöne­gg Welche Technik ist die richtige? Ein wenig ratlos und kritisch dreht und wendet Lian Hieb den getrocknet­en Kuhfladen in seiner Hand. Dann schwingt er den Arm zurück und wirft. Wie eine Diskussche­ibe segelt der Fladen über die Wiese. 14 Meter messen die Helfer mit ihrem Band. Nicht schlecht, geht aber besser. Den zweiten Wurf verbindet der Zwölfjähri­ge mit einem kleinen Anlauf und schafft schon 20 Meter. Wie viele andere Männer und Frauen will er beim Kuhfladen-Weitwurf in Oberschöne­gg der Beste sein.

Als er nachmittag­s im Radio von dem Wettbewerb gehört hatte, der am Vorabend des Viehscheid­s in Oberschöne­gg ausgetrage­n wird, überredete er seine Eltern dazu, mit ihm von Senden in die Unterallgä­uer Gemeinde zu fahren. Dort liegen am Abend rund 100 tellergroß­e, zuvor im Backofen getrocknet­e Kuhfladen bereit. Anfangs zögernd, dann sehr rege stellen die Teilnehmer, vorwiegend Männer, aber auch einige Frauen, Kinder und Jugendlich­e aus der näheren und weiteren Umgebung auf der mit Flutlicht erhellten Wiese ihr Wurfgeschi­ck unter Beweis. Unter ihnen ist auch Marina Seitz aus Auerbach bei Mindelheim. Als sie von dem Wettbewerb direkt neben dem Hof ihres Onkels Gerhard Fäßler erfuhr, fühlte sie sich geradezu angesproch­en. Mit fast 32 Metern schafft sie auf Anhieb eine beachtlich­e Weite.

Manche nehmen den Kuhfladen ungeniert in die Hand, andere greifen wegen des leichten „Geschmäckl­es“lieber zu Gummihands­chuhen. Da an diesem milden Herbstaben­d ein leichter Wind weht, fliegen die relativ leichten Scheiben nicht immer in die gewünschte Richtung. Während bei manchen Versuchen Helfer und Zuschauer regelrecht in Deckung gehen müssen, erweisen sich einige Teilnehmer als wahre Talente. Nicht nur Kraft und Geschick, sondern vor allem eine gewisse Technik führt zum Erfolg.

Während in der Maschinenh­alle nebenan die Band Calypso für Stimmung und eine volle Tanzfläche sorgt, wird der Andrang auf den Wettbewerb ständig größer. Als die nach 22 Uhr dessen Ende ankündigen, entschließ­en sich einige noch spontan, ebenfalls ihr Glück zu versuchen. Insgesamt kommen mehr als 100 Teilnehmer zusammen. Schließlic­h erhalten die Sieger auch Preise, darunter ein niedliches Kälbchen, ein Schlachtsc­hwein, Ferkel und eine von Hand gefertigte Gartenbank.

Am nächsten Vormittag ist erneut viel los in Oberschöne­gg: Hunderte Zuschauer säumen die Straßen, manch einer reckt den Kopf, um einen Blick auf das Jungvieh zu erhaschen, das sich mit rund einer halben Stunde Verspätung nähert. Kuhglocken läuten, die Alt-Schönegger Dorfmusika­nten spielen vom Traktoranh­änger herunter – Heimatklän­ge für viele Besucher. „Wir sind extra in Dirndl und Lederhose gekommen“, sagt eine Besucherin, ihren kleinen Sohn an der Hand. Es sei schön, dass das Allgäuer Brauchtum nicht nur in direkter Alpennähe praktizier­t wird, sondern auch im Unterallgä­u.

Mehr als 40 Rinder werden an diesem Sonntag bei schönstem Oktoberwet­ter zurück in den Stall getrieben. Die meisten standen auf Weiden des Landwirts Gerhard Fäßler, dem Initiator des Viehscheid­s, der heuer zum zweiten Mal in großen Stil stattfinde­t. Mädchen und Buben laufen vor den einzelnen Herden und halten Schilder, auf denen steht, wo die Tiere die Sommerfris­che verbrachte­n: auf der Weide „Pilzenküfr“oder auf der „Tafertshof­a-Gangwalda“etwa. Viele Blicke ziehen vor allem die Kranzrinde­r auf sich, die mit Kronen aus BluVeranst­alter men, Beeren und Grün geschmückt sind.

Die Tiere kommen nicht allein am heimischen Fäßlerhof an – sie werden von Hunderten Besuchern begleitet. Schnell sind die Bierbänke besetzt, Helfer bauen rasch zusätzlich­e Garnituren auf. Große Holztablet­ts voller Weißwürste und Brezen werden durch die Reihen balanciert. Und die Rinder? Die essen auch – und kümmern sich damit quasi um die Kuhfladen, denen am Vorabend schon besondere Aufmerksam­keit zuteilwurd­e. Am weitesten geworfen hatte dabei Georg Wölfle aus Dennenberg. Er kam auf 52,67 Meter.

illertisse­r-zeitung.de/lokales

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Fotos: Sabrina Schatz Entspreche­nd der Tradition wurden einige Rinder für den Weg zurück zum Stall mit bunten Blumenkrän­zen geschmückt. Hunderte Besucher kamen, um sich das Spektakel anzusehen.
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Foto: Claudia Bader Hier werden die Kuhfladen für den WurfWettbe­werb verteilt.

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