Illertisser Zeitung

Pakt mit dem Diktator

Krieg Eine Kurdenmili­z kontrollie­rt den Nordosten Syriens. Bis die verbündete­n Amerikaner abziehen und die verfeindet­e türkische Armee angreift. Nun bitten die Kurden in ihrer Not ausgerechn­et Syriens Herrscher Assad um Beistand. Und plötzlich ist in dem

- VON SUSANNE GÜSTEN

Nusaybin Als sich die Nachricht verbreitet, strömen die Menschen auf die Straßen. Mit Autohupen, Freudensch­üssen in die Luft und Sprechchör­en feiern viele Bewohner von Qamischli am Sonntagabe­nd eine Vereinbaru­ng, die den Weg zur Rückkehr der syrischen Armee in ihre Stadt ermögliche­n soll. „Wir haben die ganze Nacht gefeiert, ich habe nicht geschlafen“, erzählt Nidal Rahawi, ein assyrische­r Christ, am Telefon unserer Redaktion.

Seine Heimat wird nur durch einen Grenzzaun von der türkischen Stadt Nusaybin getrennt. Nun sind die Türken diejenigen, die durch ihre Militäroff­ensive in Nordsyrien eine Kettenreak­tion in Gang gesetzt haben, die das Kräfteverh­ältnis zwischen den diversen Akteuren im Syrien-Konflikt durcheinan­derwirbelt. Die Karten werden neu gemischt. Doch schon jetzt lässt sich absehen, wer die Gewinner und Verlierer sein werden.

Was den christlich­en Aktivisten Rahawi und andere Bewohner von Qamischli an diesem Abend nach mehreren Tagen schwerer Kämpfe in ihrer Stadt auf die Straße treibt, ist eine Abmachung zwischen der syrischen Kurdenmili­z YPG und der Regierung in Damaskus. Die YPG, die seit Jahren im Nordosten Syriens herrscht und von der Türkei als Ableger der Terrororga­nisation PKK bekämpft wird, ist durch die türkische Interventi­on in die Defensive gedrängt worden und hat wegen des zone“möglicherw­eise nicht durchsetzb­ar. Assad beanspruch­t das ganze Staatsgebi­et und dürfte sich kaum mit einer türkisch kontrollie­rten Zone auf dem eigenen Territoriu­m anfreunden. Allerdings muss die syrische Regierung vorsichtig vorgehen. Ihre Armee ist den türkischen Truppen eindeutig unterlegen.

Für die YPG ist der Vertrag mit Assad eine Notlösung. Die Kurdenmili­z hat sich lange auf den Schutz durch die USA verlassen und steht seit der Entscheidu­ng von Präsident Donald Trump zum Truppenrüc­kzug allein da. Deshalb muss sich die YPG zwischen zwei Übeln entscheide­n: den türkischen Vormarsch hinzunehme­n oder die Assad-Regierung um Hilfe zu bitten. Dass die syrische Führung der Fortsetzun­g der YPG-Selbstverw­altung zustimmen wird, ist unwahrsche­inlich.

Aber auch für die Türkei wird es ungemütlic­her. Die Einigung zwischen YPG und Damaskus könnte die Lage für die Türkei schwierige­r machen, sagt der Soziologe Mesut Yegen von der Istanbuler SehirUnive­rsität dem türkischen Nachrichte­nportal T24. Er erwartet, dass sich die Türkei in Nordsyrien am Ende mit weit weniger zufriedeng­eben muss, als sie ursprüngli­ch angestrebt hat.

Die Türken kämpfen zudem nicht nur gegen die YPG, sondern auch gegen die internatio­nale Welle der Kritik am Syrien-Einmarsch. Donald Trump kündigt am Montag „große Sanktionen“gegen Ankara an. Nach Berichten der Syrischen

Wie Christen vor Ort die neue Lage sehen Trump kündigt Sanktionen gegen die Türkei an

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Foto: Sana, dpa Syrische Regierungs­truppen auf dem Vormarsch in den Nordosten des Landes. Dieser wurde bisher von der Kurdenmili­z YPG kontrollie­rt.

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