Illertisser Zeitung

Scheuers Maut-Probe

Affären Für den CSU-Minister geht es im Untersuchu­ngsausschu­ss um das politische Überleben. Nach dem Debakel um die gescheiter­te Pkw-Abgabe tauchen immer mehr brisante Fragen auf

- VON MICHAEL POHL

Berlin Lange hat die Opposition gedroht, am Dienstagna­chmittag machten die Abgeordnet­en von Linken, Grünen und FDP ernst: Auf ihren Fraktionss­itzungen setzten die Parlamenta­rier eigenhändi­g ihre Unterschri­ft unter den Antrag eines Untersuchu­ngsausschu­sses. Denn mindestens ein Viertel aller Abgeordnet­en müssen es sein, damit das viel zitierte „schärfste Schwert der Opposition“zum Einsatz kommt.

Es baumelt nun an einem dünnen Faden über der Karriere von CSUVerkehr­sminister Andreas Scheuer. Denn der forsche Niederbaye­r hat bei dem Prestigepr­ojekt seiner Partei deutlich mehr aufs Tempo gedrückt als sogar sein CSU-Vorgänger Alexander Dobrindt, der einst die „Ausländerm­aut“als Wahlkampfs­chlager für die Bundestags­wahl 2013 erfunden hatte.

Dobrindt brachte zwar das an einer Klage Österreich­s vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f gescheiter­te Gesetz auf den Weg. Doch als Minister zögerte er bis zum Ende seiner Amtszeit, die Auftragsve­rgabe für den Mautbetrie­b unterschri­ftsreif festzuklop­fen. Obwohl es Dobrindt zur Überraschu­ng seiner Kritiker, aber auch vieler Koalitions­politiker, schaffte, nach zähem Ringen das Okay der Brüsseler EU-Kommission einzuholen.

Scheuer könnte es nun zum Verhängnis werden, dass er nicht nur vor der Entscheidu­ng des EuGH die Verträge mit den Betreiberf­irmen unterzeich­nete. Auch der Inhalt der Verträge ist brisant: So sollen die beiden Betreiberf­irmen, der ausgerechn­et aus dem Klägerland Österreich stammende Mautspezia­list Kapsch TrafficCom und der deutsche Konzerttic­ket-Händler CTS Eventim, nicht nur hohe Schadeners­atzansprüc­he ausgehande­lt haben, falls die Maut scheitert.

Laut Berechnung­en von Experten beinhalten die Verträge außergewöh­nliche Gewinnspan­nen angesichts einer gewaltig hohen Umsatzrend­ite von bis zu 24 Prozent. Einen Vorgeschma­ck auf die zu erwartende­n Schadeners­atzforderu­ngen lieferte Kapsch bereits am Dienstag: Die österreich­ische Aktiengese­llschaft schraubte ihre Gewinnerwa­rtung für das Geschäftsj­ahr 2019/20 wegen der geplatzten Maut von über 60 auf 35 Millionen Euro herunter. Da die Betreiber garantiert­e Einnahmen über zwölf Jahre zugesicher­t bekommen haben, könnten die Schadeners­atzansprüc­he beider Firmen in die hunderte von Millionen Euro gehen: Der Bund müsste damit teuer für nichts bezahlen.

Zum gefährlich­sten Punkt für Scheuer könnte allerdings noch ein weiterer Punkt werden. Laut verschiede­nen Medienberi­chten soll Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenber­g bei einem lange geheim gehaltenen Treffen am 22. November 2018 im Verkehrsmi­nisterium dem Minister angeboten haben, die Betreiberv­erträge erst nach dem EuGH-Urteil zu unterzeich­nen, was Scheuer jedoch abgelehnt habe.

Dabei soll der Minister ausgerechn­et wahltaktis­che Gründe genannt haben: Der Start der Maut sollte wegen möglicher Anlaufprob­leme nicht in den Bundestags­wahlkampf 2021 fallen. Scheuer weist diese Darstellun­g entschiede­n als Verleumdun­g zurück. Im Ausschuss dürfte die Opposition darauf drängen, nicht nur den Minister und einen anwesenden Staatssekr­etär, sondern auch Eventim-Chef Schulenber­g unter Eid zu vernehmen.

Lange hatte insbesonde­re die Linke gezögert, den vielfach von Grünen und FDP angedrohte­n Untersuchu­ngsausschu­ss mit zu unterstütz­en. Scheuer hatte nach mehrfachen Ultimaten der Opposition die Maut-Verträge offengeleg­t und stapelweis­e Akten kameragere­cht auf Karren dem Bundestag übergeben. Nachdem aber der Minister weitere zuvor nicht genannte Geheimtref­fen mit den Mautbetrei­bern einräumen musste, war die Entscheidu­ng für den Untersuchu­ngsausschu­ss klar.

„Minister Scheuer hat durch sein Handeln erhebliche­n finanziell­en Schaden für alle Steuerzahl­er verursacht, deshalb muss er die politische Verantwort­ung übernehmen und für Transparen­z sorgen“, begründet Linke-Fraktionsv­izechefin Gesine Lötzsch die Entscheidu­ng. „Das hat er bisher nicht getan, deshalb ist ein Untersuchu­ngsausschu­ss unumgängli­ch“, betont sie. „Wenn ein normaler Beschäftig­ter grob fahrlässig handelt und eine schwere Pflichtver­letzung begeht, dann kann er finanziell zur Verantwort­ung gezogen werden oder sogar seine Arbeit verlieren.“

Insgesamt 13 Hauptpunkt­e wollen Linke, FDP und Grüne in dem Ausschuss untersuche­n. Die meisten zielen dabei auf Scheuer selber ab. Auch die Höhe des Schadens soll untersucht werden: Hier werden die Opposition­spolitiker aber womöglich schnell Antworten bekommen: Wie es heißt, haben die beiden Firmen Kapsch und Eventim nur noch bis Dezember Zeit, um ihre Ansprüche anzumelden.

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Foto: Michael Kappeler, dpa CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer: Muss der Bund hunderte Millionen Euro für nichts bezahlen?
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Foto: Uli Deck, dpa Hält sich für durchaus ministrabe­l: Starköchin Sarah Wiener.

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