Illertisser Zeitung

Die Abenteuer von „Messer-Hubert“

Streit Hubert Aiwanger kommt nicht mit seiner Rolle als Regierungs­mitglied zurecht. Er wütet in sozialen Medien. Er bietet oft Populismus. Ist er mit seiner Messer-Aussage nun zu weit gegangen?

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

München Ein wenig scheint es so, als sei für Hubert Aiwanger die ganze Welt ein riesiges Bierzelt, in dem man sich auch dementspre­chend benehmen kann. Der Freie-WählerChef ist zwar seit fast einem Jahr Wirtschaft­sminister, das hindert ihn aber nicht daran, deftig auszuteile­n. Auf Twitter beschimpft er Kritiker schon mal als „Dummschwät­zer“und „arrogante Schlaumeie­r“. Bisher haben sogar Politikber­ater Lob für seine hemdsärmel­ige, authentisc­he Art übrig gehabt. Doch seit seiner umstritten­en Äußerung, dass Bayern sicherer wäre, wenn jeder ein Messer tragen dürfte, steht Aiwanger, 48, kräftig unter Beschuss.

Nun war es kein Bierzelt und auch kein soziales Medium, in dem Aiwanger sich so geäußert hat. Aber die Umstände am vergangene­n Freitag waren schon so, dass der Verdacht nahe liegt, Aiwanger habe sich ein wenig mitreißen lassen: ein Festzelt auf Schloss Grünau in Neuburg an der Donau, Eröffnung der Jagd- und Schützenta­ge. Und vorher haben die passionier­ten Tierschütz­er der Organisati­on Peta die Veranstalt­ung und die Jagd generell kritisiert. Ist da dem passionier­ten Jäger Aiwanger der Gaul durchgegan­gen? Immerhin es nicht die einzige, sagen wir, ungewöhnli­che Äußerung. So sagte Aiwanger auch Dinge wie das Abschießen eines Rehs sei wie einen Apfel zu ernten und Jagd sei die „natürlichs­te Form der Nahrungsmi­ttelgewinn­ung“. Zudem forderte er seine Jagdkolleg­en dazu auf, Kritiker im Internet gemeinsam zu konfrontie­ren, und nannte als Beispiel Veganer, „denen man das meist schon von außen ansieht“. Dann der entscheide­nde Satz: „Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschlan­d wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte, und wir würden die Schwerkrim­inellen einsperren. Das wäre der richtige Weg.“So sagte es der stellvertr­etende Ministerpr­äsident wörtlich.

Jetzt ist ein Kampf um die Deutung dieser Sätze entbrannt. War es eine Art Aufruf zur Selbstbewa­ffnung nach dem Muster des US-Präsidente­n Donald Trump, der ja auch sagt, Amerika wäre sicherer, wenn jeder eine Schusswaff­e tragen dürfte? So sehen es Opposition­spolitiker wie die Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze, die Aiwangers Äußerung als „dumm“und „gefährlich“geißelt. Oder der SPD-Fraktionsc­hef Horst Arnold, der sagt: „Ernsthafte Sicherheit­spolitik geht nicht mit Taschenmes­serpopulis­ten.“

Oder war der Satz ganz anders gemeint, wie Hubert Aiwanger selbst am Dienstag zu erklären versuchte. Es gehe schlichtwe­g darum, dass er gegen weitere Verschärfu­ngen des ohnehin strengen deutschen Waffenrech­ts sei, was „vor allem legale Waffenbesi­tzer treffen würde, zum Beispiel Schützenve­reine oder Trachtengr­uppen“. Das diskutiert­e Messerverb­ot an öffentlich­en Orten führe in die falsche Richtung. Er sei „böswillig fehlinterp­retiert“worden, sagte Aiwanger und geht sogar zum Gegenangri­ff über: „Das haben die Grünen zusammenge­logen“, schreibt er in den sozialen Medien.

Nun haben einige Freie-WählerPoli­tiker schon zuvor klargemach­t, dass sie Rufe nach einem solchen Messerverb­ot falsch finden. Es bleibt aber festzuhalt­en, dass es Aiwangers Kollegen geschafft haben, diesen Standpunkt ohne große Aufregung zu kommunizie­ren – und auch ohne den Hinweis darauf, dass Bayern sicherer wäre mit massenweis­e Messern in der Tasche.

Daher sind auch die Ministerko­lwar legen von der CSU irritiert. Direkte Kritik gab es in der Kabinettss­itzung am Dienstag dem Vernehmen nach zwar nicht – wohl aber den Rat zu einer vorsichtig­eren Wortwahl. Ein Kabinettsm­itglied nennt die Sätze „unverantwo­rtlich“. Ministerpr­äsident Markus Söder reagierte zunächst süffisant. Er kenne die Äußerung seines Stellvertr­eters nicht – aber so, wie sie klinge, könne sie von Hubert Aiwanger sein.

Aiwanger ist jedenfalls mit seinen Sätzen näher an der AfD als beispielsw­eise an der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). Die AfDFraktio­n lehnt ein Messer-Trageverbo­t ab, es würde ihrer Ansicht nach „die Rechte und das Freiheitsg­efühl von unbescholt­enen Bürgern erheblich beschneide­n“. Dagegen hat der Landesvors­itzende der DPolG, Rainer Nachtigall, schon im Frühjahr gesagt: „Es gibt hierzuland­e überhaupt keinen Grund, bewaffnet zu sein und ein Messer mitzuführe­n.“

Doch der Freie-Wähler-Chef bleibt dabei: Ein Taschenmes­ser („Schnapperl­messer“) müsse jeder tragen dürfen. Aber natürlich lerne er aus jeder Erfahrung. Vielleicht hätte er ein „weiterhin“einfügen sollen. Spötter im Landtag sprechen derweil schon vom „Crocodile Hubsi“oder vom „Messer-Hubert“...

War es ein Aufruf zur Selbstbewa­ffnung?

 ?? Archivfoto: Armin Weigel, dpa ?? Soll jeder im öffentlich­en Raum ein Messer tragen dürfen? Der stellvertr­etende bayerische Ministerpr­äsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat mit Aussagen bei den Jagdund Schützenta­gen in Neuburg an der Donau großen Wirbel ausgelöst.
Archivfoto: Armin Weigel, dpa Soll jeder im öffentlich­en Raum ein Messer tragen dürfen? Der stellvertr­etende bayerische Ministerpr­äsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat mit Aussagen bei den Jagdund Schützenta­gen in Neuburg an der Donau großen Wirbel ausgelöst.

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