Illertisser Zeitung

Millionen gegen Antisemiti­smus

Politik Wie die bayerische Staatsregi­erung verhindern will, dass sich judenfeind­liche Anschläge wie der in Halle wiederhole­n

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München Knapp eine Woche nach dem antisemiti­sch motivierte­n Anschlag in Halle hat die bayerische Staatsregi­erung angekündig­t, den Schutz von Juden in Bayern zu verstärken und antisemiti­sche Straftaten härter verfolgen zu wollen.

Konkret will Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) drei Millionen Euro zusätzlich für den baulichen und technische­n Schutz der rund 170 Synagogen und jüdischen Einrichtun­gen in Bayern zur Verfügung stellen. „Der Schutz jüdischen Lebens ist Kernanlieg­en bayerische­r Sicherheit­spolitik“, sagte der Minister. Direkt nach dem Anschlag war bereits der Objektschu­tz kurzfristi­g verstärkt worden. Herrmann verwies auf eine „traditione­ll gute Zusammenar­beit“der Polizei mit den jüdischen Gemeinden. Auf dieser Basis werde die Gefährdung­slage nach dem Anschlag neu bewertet.

Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) will zudem durch eine Bundesrats­initiative für eine härtere Bestrafung judenfeind­licher Straftaten in ganz Deutschlan­d sorgen: So sollen antisemiti­sche Beweggründ­e künftig im Strafgeset­zbuch als eigener Punkt für die Strafzumes­sung erfasst werden. Schon heute werde bei antisemiti­schen Straftaten in Bayern immer ein öffentlich­es Interesse festgestel­lt – und damit eine strafrecht­liche Verfolgung durch die Staatsanwa­ltschaft sichergest­ellt, erklärte Eisenreich.

Die Zahl der antisemiti­schen Straftaten in Bayern hatte im vergangene­n Jahr mit 219 einen neuen Höchststan­d erreicht. Der Antisemiti­smus-Informatio­nsstelle „Rias“wurden zudem im ersten Halbjahr dieses Jahres 96 Vorfälle gemeldet: 40 Mal wurde der Holocaust geleugnet, 14 Mal Juden für das Böse in der Welt verantwort­lich gemacht. „Wir gehen von einer weit größeren Dunkelziff­er aus“, sagt Rias-Leiterin Annette Seidel-Arpaci.

Im Landtag warfen SPD und Grüne der CSU/FW-Regierung am Dienstag vor, zu wenig gegen den stärker werdenden Rechtsextr­emismus in Bayern zu tun: Radikalisi­erung laufe nicht mehr „in kleinen Zirkeln am Rande der Gesellscha­ft“ab, sondern vor allem im Internet „mitten unter uns“, warnte der SPD-Abgeordnet­e Florian Ritter. Notwendig sei deshalb etwa ein eigenes „Landesprog­ramm für Demokratie und Vielfalt“.

Mehrere Redner anderer Parteien warfen zudem der AfD eine Mitverantw­ortung für die Tat von Halle vor: Die von der AfD befeuerte „Verrohung in Wort und Tat“habe eine Stimmung erzeugt, „die den Täter motiviert hat“, kritisiert­e FDP-Fraktionsc­hef Martin Hagen. „Wie können Sie es wagen, der AfD geistige Mittätersc­haft an der Tat eines geistig verwirrten Einzeltäte­rs zuzuweisen?“, schoss AfD-Mann Richard Graupner zurück. Vielmehr seien es die „Alt-Parteien“, die durch falsche Toleranz und unkontroll­ierte Zuwanderun­g erst „Angstträum­e für Juden“hätten entstehen lassen, so Graupner.

Der Rechtsauße­n-Flügel der AfD, zu der auch Graupner zählt, positionie­re sich „ganz bewusst neben dem demokratis­chen Spektrum“, hielt Innenminis­ter Herrmann dagegen. Tabubrüche, wie das Verächtlic­hmachen des Holocaust-Gedenkens, seien dabei zentraler Bestandtei­l. Das Ziel sei ein anderes Deutschlan­d: „Wir wollen aber kein anderes Deutschlan­d“, beteuerte Herrmann. Demokraten würden deshalb dem Treiben der AfD „nicht tatenlos zuschauen“.

Parteien wettern gegen die AfD

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Foto: Lino Mirgeler, dpa „Nie wieder“steht auf einer Kerze vor der Türe der Münchner Synagoge. Hunderte Menschen hatten eine Menschenke­tte um die Synagoge gebildet, um Solidaritä­t nach den Angriffen in Halle zu zeigen.

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