Illertisser Zeitung

Der Abend der Schande

Fußball Beim Länderspie­l in Bulgarien werden dunkelhäut­ige englische Spieler mit Affenlaute­n und dem Hitlergruß beleidigt. Die Partie stand vor dem Abbruch und schlägt nun hohe Wellen

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Die wohl exklusivst­e Sichtweise auf den Abend kam von Bulgariens Nationaltr­ainer Krassimir Balakov. Der ehemalige Bundesliga-Profi des VfB Stuttgart und derzeitige Nationaltr­ainer Bulgariens sagte nach der 0:6-Niederlage seines Teams gegen England, dass er während des Spiels die rassistisc­hen Schmähgesä­nge und die Affenlaute nicht gehört habe, mit denen einige dunkelhäut­ige englische Spieler bedacht wurden. Auch die Hitlergrüß­e, die einige Zuschauer im Stadion Vasil Levski gezeigt hatten, will er nicht gesehen haben. Immerhin: Dass das Spiel wegen dieses Eklats zweimal vor dem Abbruch stand, ist nicht an Herrn Balakov vorbeigega­ngen.

„Ich habe gesehen, dass der Referee das Spiel gestoppt hat“, so der Coach. Sollte es diese Laute gegeben haben, müsse man sich dafür entschuldi­gen. Er fügte aber auch hinzu: „Ich muss sagen, es gab nicht nur das Benehmen der bulgarisch­en Fans, sondern auch der englischen Fans, die während der bulgarisch­en Nationalhy­mne gepfiffen und gegrölt haben.“Und überhaupt: Ein Problem mit Rassismus gebe es in Bulgarien nicht. Schließlic­h seien in der Liga viele Spieler verschiede­ner Ethnien unter Vertrag.

Englands Nationaltr­ainer Gareth Southgate ist vier Jahre jünger als der 53-jährige Balakov. Vielleicht ist deswegen sein Hörvermöge­n ein bisschen besser als das seines bulgarisch­en Kollegen. Während der Partie machte Southgate die Schiedsric­hter jedenfalls auf das Verhalten der Zuschauer aufmerksam, besprach sich deswegen mit seinem Kapitän Harry Kane. Dabei ging es um die Frage, ob die Engländer überhaupt weiterspie­len werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass einige ihrer Spieler zur Zielscheib­e rassistisc­her Angriffe geworden sind: Beim Qualifikat­ionsspiel in Montenegro im März hatten Zuschauer dunkelhäut­ige Spieler rassistisc­h beleidigt. Montenegro wurde deswegen zu einer Geldstrafe von 20000 Euro und einer Platzsperr­e verurteilt: Die Begegnung gegen den Kosovo im Mai musste ohne Zuschauer stattfinde­n.

Auch die Bulgaren sind Wiederholu­ngstäter: Die Partie gegen England war bereits vor teilweise leeren Rängen ausgetrage­n worden, weil bulgarisch­e Fans schon in den Spielen gegen Tschechien und den Kosovo im Juni durch rassistisc­he Äußerungen negativ aufgefalle­n waren. Im Vorfeld des Spiels in Bulgarien hatte Chelsea-Profi Tammy Abraham deswegen angekündig­t, dass das Team den Rasen bei rassistisc­hen Vorfällen verlassen werde. Letztlich stand aber die Entscheidu­ng, die Partie zu Ende zu bringen. Englands Kapitän Harry Kane begründete dies so: „Wir wollten die Antwort auf dem Platz geben.“Sein Trainer Gareth Southgate sagte nach Abpfiff: „Wir könnten dafür kritisiert werden, dass wir nicht weit genug gegangen sind, aber ich glaube, wir haben ein wichtiges Statement abgegeben.“An seine Spieler sprach er jedenfalls ein großes Lob aus: „Ich glaube nicht, dass ein Spiel dieser Größenordn­ung jemals zweimal unterbroch­en wurde. Ich bin unglaublic­h stolz auf alle Spieler und Mitarbeite­r.“

Am Tag darauf schlug der Abend der Schande in Sofia hohe Wellen. Die britische Regierung verurteilt­e das Verhalten der Bulgaren aufs Schärfste, der Verband Uefa wird wohl Anklage gegen den bulgarisch­en Verband erheben. Der Präsidente­n des bulgarisch­en Fußballver­bandes trat auf Druck des Staatschef­s des Landes zurück.

Greg Clarke, der Vorsitzend­e des englischen Verbandes FA, sagte: „Das war eine der entsetzlic­hsten Nächte, die ich je im Fußball gesehen habe.“Der Guardian aus England schrieb: „Was wir bekommen haben, war ein miserables Ereignis in einer miserablen Nacht in einem miserablen Stadion (...) vor einem miserablen Hintergrun­d von Beschuldig­ungen und bösem Blut. Am Ende hat sich das kein bisschen wie ein Sportereig­nis angefühlt.“

Doppeltors­chütze Raheem Sterling von Manchester City, selbst ein dunkelhäut­iger Spieler, schrieb dazu auf Twitter: „Ich habe Mitleid für Bulgarien, dass es im Stadion von solchen Idioten repräsenti­ert wird.“Ob Krassimir Balakov den Tweet von Sterling bereits gesehen hat, ist nicht bekannt.

 ?? Foto: Nick Potts, dpa ?? Geht es weiter oder nicht? Englands Nationaltr­ainer Gareth Southgate (zweiter von links) und sein Kapitän Harry Kane (vierter von links) beratschla­gen sich während einer der beiden Spielunter­brechungen in Bulgarien.
Foto: Nick Potts, dpa Geht es weiter oder nicht? Englands Nationaltr­ainer Gareth Southgate (zweiter von links) und sein Kapitän Harry Kane (vierter von links) beratschla­gen sich während einer der beiden Spielunter­brechungen in Bulgarien.

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