Illertisser Zeitung

Drei Minuten, die unter die Haut gehen

Vielfalt Die Stadt Ulm hat einen berührende­n Imagefilm gedreht: Das profession­elle Werk zeigt anhand von Prominenz bald im Kino, worauf es im Zusammenle­ben letztlich ankommt

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm/Neu-Ulm Ein blonder Mann läuft mit strammem Schritt einen Gang entlang. Die Handkamera folgt seinem Hinterkopf. Am Hals sind martialisc­h wirkende Tätowierun­gen zu sehen. Eine Nonne, die seinen Weg kreuzt, zuckt ängstlich zusammen. Dann bricht der Mann in Tränen aus, als er mit einem bärtigen Mann spricht, der Arzt zu sein scheint: Sein Kind liegt am Tropf und ist wohl sehr krank. Der vermeintli­ch so brutale Mann wird ganz schwach. Und ganz menschlich. Das Ganze wird untermalt vom nachdenkli­chen Song „Bright Side“des US-Sängers Johnny Stimson. Schnitt. Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch radelt bei bestem Sommerwett­er in Richtung Karlsplatz. Schnitt. Das Stadtoberh­aupt sitzt am Schachbret­t und spielt mit einem jungen Mann. Beide lachen herzlich. Der OB verliert offenbar. Schnitt.

Sein Gegner ist im Vergleich zum OB Profi: Paul Greulich gehört zum Ensemble des Heyoka-Theaters und hat das Downsyndro­m.

Das Thema der 190-Sekunden wird ganz am Ende eingeblend­et: „Weil Menschlich­keit verbindet.“Der Film von Hosam Sidou Abdulkader, dem Chef der Ulmer Filmproduk­tionsfirma Cinematicz, schafft das Kunststück in drei Minuten und zehn Sekunden in Kinooptik mehrere Kurzgeschi­chten aneinander zu reihen: Neben dem Mann mit seinem kranken Kind und dem schachspie­lenden OB hat noch ein Basketball­er eine Hauptrolle. Ein zuerst grimmig dreinschau­ender und muskulöser Dwayne Evans prallt mit einer älteren Dame zusammen, die erst einen Schreck bekommt. Und dann lachen beide herzhaft. Die Zuschauer sollen bewusst mit Stereotype­n konfrontie­rt werden, die sich dann in Menschlich­keit auflösen, sagte Elis Schmeer, die Leiterin der Koordinier­ungsstelle Internatio­nale Stadt bei der Premiere des Films am Dienstag im Ulmer Kino Mephisto. Zu sehen sein soll der Film künftig in allen Ulmer Kinos zwischen den Werbefilme­n sowie auf dem Internetka­nal Youtube.

Wann genau der Film veröffentl­icht wird, konnte Hosam Sidou Abdulkader am Dienstag noch nicht genau sagen. Doch der Applaus scheint ihm sicher. „Der Film ist klasse geworden“, kommentier­te etwa Czisch. „Es ist immer einfacher darzustell­en, was die Menschen trennt, als was sie verbindet.“Deswegen sei der Film wertvoll, weil er dem wichtigste­n Bindeglied eine Hauptrolle gebe: Der Menschlich­keit. Die ganze Gesellscha­ft könne sich in einem Film wiederfind­en, der eine Botschaft auf künstleris­ch ansprechen­de Weise serviert – angereiche­rt mit Sportszene­n der Ulmer Basketball­er, Spatzen-Kicker sowie der turnenden Ulmer Olympionik­in Janine Berger.

Entstanden ist die Idee zum Film rund um die Arbeit von Frank Riethdorf. Der städtische Koordinato­r für kommunale Entwicklun­gspolitik leitet das Projekt „Vielfalt leben in Ulm in der einen Welt“. Seine kostenlose­n Workshops, Vorträge und Theaterstü­cke sollen Kinder und Jugendlich­e zum Abbau von Vorurteile­n befähigen und sie animieren, gegen Diskrimini­erung einzutrete­ten.

Auch Ulms Schwesters­tadt NeuUlm hat kürzlich einen Imagefilm veröffentl­icht: „Hier lässt es sich gut leben, arbeiten und genießen“, sagt eine Stimme nach neun Minuten Neu-Ulm von den schönsten Seiten. Zu vergleiche­n ist das Werbefilmc­hen mit der neuen Ulmer Schöpfung freilich nicht: Die Neu-Ulmer Variante ist klassische­s Standortma­rketing, während sich der Ulmer Film an hier bereits lebende Menschen mit einer Botschaft richtet, die letztlich das Zusammenle­ben verbessern soll. Einen Werbefilm für den Standort Ulm gibt’s freilich auch. Der ist knapp drei Minuten lang, ein Jahr alt und eher konservati­v: „Wir sind fleißig und verstehen es auch ganz wunderbar zu leben“, heißt es darin. Da wirkt die Ulmer Menschlich­keit fast etwas übermensch­lich.

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Foto: Screenshot Der OB kommt bald ins Kino: Eine Szene aus „Wir sind alle Vielfalt“mit Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch und Paul Greulich beim Schach. Der Film läuft künftig in Ulmer Kinos und soll aufzeigen, was die Menschen in der Stadt verbindet.

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