„Ich fühle mich freier“
Interview Die Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier über die Gründe, ihre Karriere zu beenden, ihre neue Aufgabe als Fernseh-Expertin und ihr neues Leben als Studentin in München
Sie haben vor einigen Wochen Ihren mit Mitte zwanzig völlig überraschenden Rücktritt aus dem Leistungssport verkündet. Inzwischen läuft die Weltcup-Saison im Biathlon. Wie fühlt es sich an, nicht mehr Teil des Skizirkus zu sein?
Laura Dahlmeier: Schöööön, ich fühle mich freier. Ich habe das jetzt lange genug gehabt. Ich habe jedes Jahr im März und April schon gewusst, was in der kommenden Saison passiert. Wann bin ich weg, wann sind die Wettkämpfe, die Lehrgänge und und und. Deshalb bin ich schon sehr froh, dass mein Leben nicht mehr so krass durchgetaktet ist. Das fühlt sich gut an. Natürlich bin ich schon gespannt auf die neue Saison im Biathlon-Weltcup. Aber ich werde jetzt eine andere Rolle einnehmen und in einem anderen Blickwinkel auf den Sport schauen. Aber ich bin sehr glücklich und würde mich immer wieder so entscheiden.
Was waren die Gründe für Ihren abrupten Schlussstrich?
Dahlmeier: Nach Olympia habe ich mir die Frage gestellt, ob ich wirklich bereit bin, Biathlon auf höchstem Niveau zu machen. Brenne ich noch dafür? Ich war schon ein wenig ausgezehrt nach den Spielen in Südkorea. Ich habe zuerst überlegt, mir eine Auszeit zu nehmen. Aber so einfach wollte ich es mir nicht machen und noch mal angreifen. Aber dann hatte ich eine sehr anstrengende letzte Saison mit einigen Verletzungen. Ich habe angefangen zu zweifeln, viel mehr als je zuvor. Bei der Weltmeisterschaft wollte ich noch einmal Medaillen gewinnen. Das ist mir mit zweimal Bronze gelungen. Für mich war das ein sehr großer Erfolg. Danach habe ich gemerkt: Ich stehe nicht mehr zu einhundert Prozent dahinter. Und vor allem diese Fremdbestimmtheit, das war schon das Anstrengendste.
Sie haben früher angemerkt, dass es schwierig ist, als Hochleistungssportler private Kontakte zu pflegen und auch während der Wintersaison mit Freunden auszugehen. Inwieweit hat sich Ihr Privatleben geändert?
Dahlmeier: Es war schon möglich, etwas mit Freunden zu unternehmen. Ich war immer recht gut darin, dass ich trotz meiner sportlichen Kariere auch mal nach rechts und links geschaut und andere Sachen gemacht habe. Egal was man macht, es hat einen Einfluss auf die sportliche Leistung. Man muss sich disziplinieren und kann nicht andauernd fortgehen. Das haut nicht hin.
Sie meinen damit auch Ihre mehrtägigen Bergtouren in Nepal oder in Südamerika mitten in der Vorbereitungsphase auf die neue Biathlon-Saison? Dahlmeier: Ja. Man muss auch da sehr professionell sein. Ich konnte die eine oder andere Lücke durch das richtige Training oder eine professionelle Einstellung wieder ausmerzen. Aber jetzt ist das anders und ich kann „normaler“leben.
Dahlmeier:
Nachdem Sie Ihren Rücktritt vom Biathlon-Leistungssport verkündet hatten, haben Sie das Gewehr und die Langlaufski in den Keller verfrachtet. Liegen Ihre Sportgeräte noch dort? Dahlmeier: Das Gewehr ist tatsächlich erst einmal in den Waffenschrank gesperrt und die Ski in den Keller gebracht worden. Ich habe ein Zeitlang Gewehr und Ski nicht mehr sehen können und auch nicht herausgeholt. Aber am Ende des Sommers habe ich meine Sachen wieder herausgeholt. Ich war im Trainingslager am Dachstein zum Hospitieren dabei und durfte mit den Athleten trainieren. Aber es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man die Sachen benutzen darf und nicht mehr benutzen muss.
Gibt es auch Dinge, die Sie vermissen werden?
Dahlmeier: Ja, schon einiges. Dieses Gefühl, das perfekte Rennen hingelegt zu haben und dass man vor dem Publikum über die Ziellinie fahren darf. Das ist unbeschreiblich und das wird so in der Form wahrscheinlich auch nie mehr wieder kommen. Auch mit den Sportlerkollegen unzu sein wird mir fehlen. Wir ticken alle sehr ähnlich und das hat mir viel Spaß gemacht.
Sie haben die Sportart gewechselt und sind zu den Leichtathleten in den Berglauf gegangen. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Beruflich gibt es eine neue Herausforderung als Biathlon-Expertin für das ZDF. Wie werden Sie dafür geschult? Dahlmeier: Ich werde mir das ansehen, bisher sind es noch nicht zu viele Termine. Bei drei Stationen soll ich aktiv dabei sein. Ob ich eine große Schulung bekomme, weiß ich noch nicht. Ich hoffe, dass es nicht zu umfangreich wird.
Ist O-Ton Süd aus Garmisch-Partenkirchen im Fernsehen erwünscht oder eher verpönt?
Dahlmeier: Ich hoffe schon, dass es erwünscht ist. Wenn es ein Tabu gewesen wäre, dann hätten sie wohl kaum bei mir angefragt und die Partnerschaft wäre nicht zustande gekommen. Ich möchte nicht Auskünfte geben, die dann nur fünf Prozent der Zuschauer verstehen. Andererseits: A bisserl Mundart ist hoffentlich erlaubt.
Sie wechseln bald die Seite und werden vielleicht auch ein kritisches Wort über eine ehemalige Teamkollegin verlieren müssen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Dahlmeier: Hoffentlich darf ich nur zu tollen Leistungen gratulieren. Nein – im Ernst, ich habe bereits als aktive Sportlerin eine kritische Betrachtungsweise an den Tag gelegt. Es ist wichtig zu analysieren, was richtig und was falsch gelaufen ist. Man muss da schon hinschauen. Aber als ehemalige Leistungssportlerin weiß ich ganz genau, wie es in den Athleten aussieht. Ich denke, dass ich den Zuschauern etwas mit auf den Weg geben kann, was ein anderer Kommentator nicht auf dem Schirm hat. Ich will ehrlich sein, aber keinen in die Pfanne hauen.
Es gibt noch immer Menschen, die den Klimawandel und die Erderwärmung leugnen. Wie argumentieren Sie gegenüber solchen Leuten?
Dahlmeier: Es ist schwer, sich mit erhobenem Zeigefinger hinzustellen. Bei mir selbst registriere ich, dass ich selbst in meinem Verhalten nicht alles richtig mache. Ich bin notgedrungen selbst oft mit dem Flugzeug unterwegs, das muss ich einräumen. Aber sichtbar machen kann man den Klimawandel am besten anhand von Bildern oder Videos. Es gibt das hervorragende Projekt „EagleWings – protecting the alps“, das das Bewusstsein für die Werte der Natur wecken will und die Veränderung aus drei atemberaubenden Perspektiven zeigt. Zum einen mit Bildern der großartigen Fotografin Nomi Baumgartl. Dann mithilfe eiterwegs ner Kamera, die ein Adler auf dem Rücken trägt, und schließlich mit Satellitenbildern aus dem All. Wer diese Bilder einmal gesehen hat, der überlegt nicht mehr, ob sich etwas wandelt oder nicht. Das ist nicht zu übersehen. Und eben nicht mit erhobenem Zeigefinger. Sondern man sieht die Schönheit der Natur und die Veränderung auf eine sehr elegante Weise. Das hat in mir ausgelöst, dass ich viel zum Nachdenken gekommen bin.
Sie haben sich zum Wintersemester in München an der Universität eingeschrieben. Was studieren Sie und wie sind Ihre ersten Eindrücke?
Es ist anstrengend und macht zugleich Spaß. Ich studiere Sportwissenschaft an der Technischen Universität. Mein Hirnkastl rattert, weil es sehr theoretisch und wissenschaftlich ist. Es fällt mir nicht immer leicht und ich muss erst in das Thema reinkommen, aber ich denke, dass es den meisten Studenten so ergeht. Ich denke, dass ich ganz gut bin, mich selbst zu organisieren, das bin ich vom Biathlon gewohnt. Aber das Lernen an sich ist eine Herausforderung.