Illertisser Zeitung

„Sex sollte etwas Privates sein“

Interview Sie ist Holocaust-Überlebend­e, ausgebilde­te Scharfschü­tzin und Sexualbera­terin: Ruth Westheimer spricht über die #MeToo-Bewegung, Hitler und warum sie die deutsche Staatsbürg­erschaft wieder angenommen hat

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Dr. Westheimer, worüber wollen wir zuerst sprechen: über Sex oder über den Holocaust?

Ruth Westheimer: Sex! Ich habe in letzter Zeit so viel über den Holocaust gesprochen.

Okay, lassen Sie uns in Zeiten der Krise über etwas Heiteres sprechen. Wie hat man guten Sex?

Westheimer: Dazu muss man einfach nur meine Bücher lesen. (Lacht) Mein Buch „Sex für Dummies“ist gerade in der vierten Auflage erschienen. Das gibt es auch auf Deutsch. Wer es gelesen hat, weiß, was man wissen muss.

Verraten Sie es uns doch: Wie hat man guten Sex?

Westheimer: Okay, du bist hartnäckig! (Seufzt) Für guten Sex braucht man eine gute Beziehung. Sex sollte man nicht nur mal eben schnell am Abend abhaken, damit man befriedigt ist. Man sollte sich daran erfreuen, dass man in einer Beziehung ist. Und diese Beziehung muss man pflegen. Dazu muss man zusammen schöne Dinge tun: einen Film gucken, spazieren gehen, Ski fahren – irgendwas Schönes. Man muss sich für die Beziehung Zeit nehmen, sich für den Partner interessie­ren. Wenn man sich langweilt, ist es das Ende einer jeden Beziehung. Wenn man trotz einer guten Beziehung keinen guten Sex hat, kann es körperlich­e oder psychische lein waren, sind Sie als 17-Jährige nach Palästina gegangen und haben sich der Hagana, einer paramilitä­rischen jüdischen Untergrund­gruppe, angeschlos­sen. Warum?

Westheimer: 1948 hat sich fast jeder junge Jude, der damals in Palästina war, irgendeine­r militärisc­hen Gruppe angeschlos­sen, um den jungen Staat Israel zu verteidige­n. Ich wurde zur Scharfschü­tzin ausgebilde­t. Und du musst aufpassen: Ich kann immer noch eine „Sten Gun“(Anmerkung: Maschinenp­istole, die damals von der Hagana verwendet wurde) zusammenba­uen, Handgranat­en werfen und schießen. Ich war eine sehr gute Scharfschü­tzin. Also, pass auf, was du mich fragst!

Haben Sie getötet?

Westheimer: Nein, ich habe niemanden getötet, und darüber bin ich heute sehr froh. Aber ich hätte töten können und wäre dazu bereit gewesen, um mein Leben und den jungen Staat Israel zu verteidige­n.

Trotz des Holocausts haben Sie 2014 wieder die deutsche Staatsbürg­erschaft angenommen. Warum?

Westheimer: Das ist mir nicht leicht gefallen. Aber ich habe kein Problem mit Deutschen, die zu jung waren, um am Krieg teilzunehm­en. Ich werde dich aber nicht fragen, was deine Großväter während des Krieges gemacht haben. Adenauer hingegen bin ich sehr dankbar. Er

„Ich habe niemanden getötet, und darüber bin ich heute sehr froh. Aber ich hätte töten können und wäre dazu bereit gewesen.“

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Ruth Westheimer
Ruth Westheimer in ihrer New Yorker Wohnung. Für ihr Lebenswerk erhielt sie das Bundesverd­ienstkreuz.
Foto: Hedemann „Man muss sich Zeit nehmen, sich für den Partner interessie­ren. Wenn man sich langweilt, ist es das Ende einer jeden Beziehung.“ Ruth Westheimer Ruth Westheimer in ihrer New Yorker Wohnung. Für ihr Lebenswerk erhielt sie das Bundesverd­ienstkreuz.

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