Kurioses rund um die Wahlurne
Auch ohne Gegenkandidaten muss eine Wahl keine ausgemachte Sache sein. Ein Eishockeyprofi schafft es in den Gemeinderat. Und mancher Wähler in Wallerstein hätte sich wohl doch einen muslimischen Bürgermeister gewünscht
Um sich vor dem Coronavirus und einer Ansteckung zu schützen, hat eine Wahlhelferin bei der Kommunalwahl am Sonntag in München mit Handschuhen und Pestmaske ausgezählt. Das ist nicht die einzige kuriose, überraschende oder tragische Geschichte rund um die Wahl. Hier eine Auswahl:
Sener Sahin hat noch Fans Obwohl er gar nicht angetreten war, erhielt Sener Sahin am Sonntag 37 Stimmen bei den Bürgermeisterwahlen in Wallerstein (Landkreis Donau-Ries). Sahin käme damit auf 2,3 Prozent. Der Wallersteiner wollte für die CSU als Bürgermeisterkandidat antreten, doch der parteiinterne Widerstand war zu groß, auch aufgrund Sahins muslimischen Glaubens. Sahin zog seine Kandidatur daraufhin zurück. Neuer wie alter Bürgermeister in der Gemeinde Wallerstein ist Joseph Mayer (Parteifreie Wählergruppe), er kam auf 90,7 Prozent der Stimmen.
Ohne Gegner, ohne Mehrheit Einen bitteren Wahlabend erlebte Martina Göttler, Kandidatin in Hohenaltheim (Landkreis DonauRies). Obwohl sie die einzige Kandidatin für das Amt des Bürgermeisters war, muss Göttler in knapp zwei Wochen in der Stichwahl antreten. Grund ist, dass 185 Wähler einen anderen Namen auf den Wahlzettel geschrieben haben, davon 104 Mal den des ehemaligen Bürgermeisters Friedrich Bauer. Dadurch erhielt Göttler nur 48,9 Prozent der Stimmen und wird sich mit Bauer in der Stichwahl messen. Vorausgesetzt, Bauer nimmt den Wahlkampf an. Er hat bis Dienstag Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
Vandalen beim Bürgermeister Nicht lange freuen über seine Wiederwahl als Bürgermeister von Aislingen (Landkreis Dillingen) konnte sich Jürgen Kopriva. Während er seinen Wahlerfolg noch im Aislinger Schützenverein feierte, warfen Unbekannte an seinem Haus mit einem Backstein eine Fensterscheibe ein. Koprivas Frau und ein Sohn waren bereits zu Hause, als sie von dem lauten Klirren aufgeschreckt wurden. Obwohl der Sohn direkt auf die Straße rannte, konnte er die Täter nicht sehen. Jürgen Kopriva fuhr nach Hause und alarmierte die Polizei, die die Ermittlungen aufgenommen hat. Für den Aislinger Bürgermeister war das nicht die einzige negative Überraschung am Sonntagabend. Nach dem Schaden an seinem Haus fuhr Kopriva noch einmal ins Rathaus. Dort stellte er fest, dass sein Porträt aus der Ahnengalerie gestohlen wurde. Auch hier konnten die Täter flüchten.
Fünf Frauen schaffen den Sprung In Ustersbach (Landkreis Augsburg) bringen die „Aktiven Bürger Ustersbach“(ABU) ordentlich in den Gemeinderat. Aus dem Nichts gelang es der neuen Gruppierung, gleich fünf der zwölf Plätze im Gemeinderat zu ergattern. Das Besondere daran ist: Die Gewählten der ABU sind allesamt Frauen.
Reicherzer und die wilde 13
Einer der wohl jüngsten Bürgermeister Deutschlands dürfte sich künftig in der 2500-Einwohner-Gemeinde Wittislingen im Landkreis Dillingen finden. Dort hat sich der SPD-Kandidat Thomas Reicherzer, der selbst nicht aus der Marktgemeinde kommt, mit nur 24 Jahren auf Anhieb gegen seinen Kontrahenten, den amtierenden Zweiten Bürgermeister Paul Seitz, durchgesetzt. Und das denkbar knapp. Reicherzer erhielt 694 Stimmen, Seitz 681. Damit gewann der Sozialdemokrat mit 50,5 Prozent die Wahl zum Bürgermeister – zumindest nach aktuellem Stand. Denn jetzt werden alle Wahlzettel noch einmal ausgezählt. Das hatte der Verlierer der Wahl noch am Sonntagabend gefordert. Laut Gesetz muss die Gemeinde darauf zwar nicht eingehen, weil ein knappes Ergebnis kein Grund für eine Wahlanfechtung ist. Man wolle aber auf Nummer sicher gehen, heißt es. Das endgültige Ergebnis steht aller Voraussicht nach am Dienstag fest.
Mit 50 Prozent in die Stichwahl
Im Unterallgäu war die Kommunalwahl so spannend wie selten zuvor. Das lag zum einen an der Landratswahl, bei der vier Kandidaten angetreten waren – weshalb eine Stichwahl als wahrscheinlich galt. Schon kurz nach Beginn der Auszählung erzielte der Kandidat der Freien Wähler, Alex Eder, jedoch in mehreren Gemeinden weit mehr als 50
Prozent der Stimmen. Längere Zeit sah es so aus, als würde er die Wahl bereits im ersten Anlauf für sich entscheiden. Dann fiel er auf 49,9 Prozent zurück – und das Ergebnis des letzten der 215 Stimmbezirke ließ auf sich warten. Es traf erst kurz vor 23 Uhr ein – und bescherte Eder ein vorläufiges Endergebnis von 50,0 Prozent. Weil jedoch nur als gewählt gilt, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt, ist die Stichwahl damit nicht vom Tisch. Dafür hätte er geSchwung nau 14 Stimmen mehr gebraucht. Trotz dieses knappen Ergebnisses werden die Stimmen nicht noch einmal einzeln ausgezählt. Bei der Stichwahl in zwei Wochen stehen sich nun Alex Eder und der Zweitplatzierte, CSU-Kandidat Rainer Schaal, gegenüber.
Starke Nerven dringend nötig Starke Nerven brauchten im Unterallgäu auch vier Bürgermeisterkandidaten. Sie wussten bis Montagnachmittag noch nicht, ob sie gewählt sind. Der Grund dafür ist kurios: In den Gemeinden Erkheim, Kammlach, Lauben und Westerheim, die alle zur Verwaltungsgemeinschaft Erkheim gehören, stand jeweils nur ein Bürgermeisterkandidat zur Wahl. Wer nun glaubt, dass die Auszählung dann schnell vonstattengeht, irrt. Das Gegenteil war der Fall: Außergewöhnlich viele Wähler nutzten die Möglichkeit, ihren jeweiligen Wunschkandidaten auf den Stimmzettel zu schreiben. Weil es die VG zudem genau nahm und der Wahlleiter bei der Verkündung des vorläufigen Wahlergebnisses alle Genannten aufführen sollte, mussten diese erst einmal eindeutig identifiziert und überprüft werden, ob sie überhaupt wählbar sind.
Enttäuscht über 49 Prozent
Nur ganz knapp ist Edgar Kalb (Unabhängige Wählergruppe) in Dinkelscherben mit 49,2 Prozent an seiner direkten Wiederwahl gescheitert. Ulrich Fahrner (CSU) kam auf 32,9 Prozent. Der Kandidat der SPD und der Freien Wähler, Markus Weil, erreichte 17,9 Prozent. Das Ergebnis von knapp der Hälfte der Stimmen ist für Kalb aber alles andere als ein Grund zum Feiern. „Wenn keine breite Mehrheit hinter einem steht, muss man sich Gedanken machen“, sagt der amtierende Bürgermeister am Sonntagabend: „Das ist für mich eine Enttäuschung“. Zur Stichwahl müsse er antreten, auf einen erneuten Wahlkampf will Kalb verzichten. Er hat erst einmal einen zweiwöchigen Urlaub angetreten.
Vom Eishockey in die Politik Eishockey-Profi Steffen Tölzer ist in Graben im Landkreis Augsburg für die Liste „Wir für Graben“in den Gemeinderat gewählt worden. Der Spieler der Augsburger Panther bekam die fünftmeisten Stimmen seiner Partei, die insgesamt fünf Plätze im Gremium hat. Insgesamt erhielt Tölzer 565 Stimmen. (baus, thia, daho, mayjo, dolli)
Bürger nominieren ihre Wunschkandidaten