Welche Rechte haben Kreuzfahrer?
Coronavirus Ganze Weltregionen werden nicht mehr angelaufen, Schiffe unter Quarantäne genommen. Die Situation wirft völlig neue Fragen für Kreuzfahrt-Passagiere auf
Ein ganzes Schiff steht unter Quarantäne, Hunderte infizierter Passagiere sind an Bord: Die Ereignisse auf der „Diamond Princess“zeigen, was passieren kann, wenn Tausende Menschen auf engem Raum zusammen Urlaub machen. Wir fassen die Lageeinschätzungen führender Reiserechtler zusammen.
Welche Rechte haben Kreuzfahrtgäste auf einem unter Quarantäne stehenden Schiff?
Das kommt auf das angelaufene Land an. Im Hafen sind im Gegensatz zur hohen See die lokalen Behörden zuständig. Verlassen dürfen die Passagiere das Schiff nicht – das ist ja das Wesen einer Quarantäne. Was an Bord geschieht, bestimmt der Kapitän. Er entscheidet, wie freizügig sich Passagiere an Bord bewegen dürfen. Der Reederei obliegt es, das Risiko der Passagiere möglichst gering zu halten. Sie wird das Unterhaltungsangebot zurückfahren, von Buffets auf Tellergerichte umstellen und die Hygiene an Bord hochfahren. Wieder zu Hause, kann der Reisende Schadenersatz fordern, meint Fachanwalt Kay Rodegra. Für ihn ist die Quarantäne ein Reisemangel, auch wenn Reiseveranstalter bzw. Reederei für die Quarantänemaßnahme nichts können.
Viele Reedereien verlangen schriftliche Erklärungen von Gästen zu deren Gesundheit. Dürfen sie das? Da gibt es wohl eine gewisse Kooperationspflicht des Passagiers. Immerhin hat der Reiseveranstalter bzw. die Reederei eine Verkehrssicherungspflicht: Sie sind verantwortlich, das Risiko zu minimieren. Und dazu kann auch eine Gesundheitsabfrage und sogar die Pflicht gehören, an einem Schnelltest teilzunehmen, meint die ADAC-Juristin Silvia Schattenkirchner. Umgekehrt würde sich die Reederei haftbar machen, wenn sie die Passagiere nicht schützen würde.
Müssen Reisende hinnehmen, wenn Routen geändert oder Häfen nicht mehr angelaufen werden?
Beides ist ein Reisemangel. Der Urlauber bekommt nicht das vertraglich Vereinbarte und kann deshalb den Reisepreis mindern. Auf ein Verschulden des Reiseveranstalters kommt es dabei nicht an. Die Gerichte sprechen beim Ausfall eines Hafens unterschiedliche Minderungshöhen zu, eine Sammlung von Urteilen hierzu findet sich unter www.würzburger-tabelle.de – geführt von Fachanwalt Kay Rodegra. Danach könnte beim Ausfall eines Hafens als Tagesziel eine Preisminderung von 50 Prozent des Tagesreisepreises gerechtfertigt sein – wenn Start- oder Zielhafen betroffen sind, auch mehr. Rodegra sieht den Reisenden auch im Recht, beim Ausfall zugesagter Häfen ganz von der Reise zurückzutreten.
Was ist, wenn eine Kreuzfahrt ganz abgesagt wird?
Ob bei abgesagter Kreuzfahrt ein
Anspruch auf Schadenersatz wegen ungenützter Aufwendungen und entgangener Urlaubsfreuden besteht, hängt von Details ab. Dazu muss ein Verschulden des Reiseveranstalters vorliegen. Wenn z.B. Häfen auf der Route gesperrt sind, wird ein Gericht den Veranstalter wohl entlasten. Anders dürfte es aussehen, wenn die Kreuzfahrt aus wirtschaftlichen Gründen abgesagt wird, technisch aber möglich wäre.
Kann man als Passagier von der ganzen Reise zurücktreten? Eigentlich nicht. Aber bei „außergewöhnlichen Umständen“(früher „höhere Gewalt“) ist das wohl möglich. Solche Umstände sind insbesondere gegeben, wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für das gebuchte Ziel ausspricht. Nach Ansicht des Kemptener Reiserechtlers Ernst Führich kann man derzeit auch aus anderem Grund von außergewöhnlichen Umständen bei allen Kreuzfahrten mit chinesischen und ostasiatischen Häfen ausgehen: Die
Situation vor Ort ist nicht mehr unter Kontrolle des Veranstalters.
Was ist, wenn ich den Zubringerflug separat gebucht habe und die Kreuzfahrt abgesagt wird?
Wer seinen Zubringerflug nicht als Teil des Kreuzfahrtpakets gebucht hat, der muss entstehende vergebliche Aufwendungen wie Stornokosten oder geplante oder nicht geplante Zwischenübernachtungen grundsätzlich selbst tragen, so Führich.
Wie sieht es aus, wenn die Kreuzfahrt nicht abgesagt wird, der Zubringerflug aber storniert ist?
Da muss sich der Reisende laut Führich auf eigene Kosten um eine Ersatzanreise bemühen. Aber der Reiserechtler erwartet ein kostenfreies Rücktrittsrecht für die Kreuzfahrt, wenn ein individuell gebuchter Zubringerflug zum Abreisehafen wegen der Epidemie abgesagt wird. Ein bereits gezahlter Reisepreis sei binnen 14 Tagen vollständig zurückzuzahlen.