Die Region im Krisenmodus
Corona Viele Geschäfte im Kreis müssen wegen der Pandemie nun schließen. In Ulm ist die Lage nicht ganz so klar, dort wurde noch kein Katastrophenfall ausgerufen. Vor vielen Fragen steht nun etwa die Glacis-Galerie
Landkreis/Ulm Der nun offiziell ausgerufene Katastrophenfall hat massive Folgen für die Region: Von Illertissen bis Elchingen werden sämtliche öffentlichen Einrichtungen geschlossen. Große Teile des Einzelhandels müssen ab Mittwoch dichtmachen. Ausgenommen sind Supermärkte, Getränkemärkte, Banken, Postfilialen, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tierbedarfsgeschäfte, Bau- und Gartenmärkte, Tankstellen, Reinigungen und der Online-Handel. Einkaufszentren und Kaufhäuser dürfen nur für diese genannten Bereiche öffnen. „Bei mir steht das Telefon nicht still“, sagt Torsten Keller, als Manager der Glacis-Galerie Herr über knapp 90
Geschäfte. „Vermutlich“, so Keller, werde das Einkaufszentrum in Corona-Zeiten zu einem Geister-Center. Rewe, dm, die Apotheke und Optiker werden öffnen – sie dürfen sogar länger als bisher: werktags von 6 bis 22 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 12 bis 18 Uhr.
Der „Foodcourt“hingegen wird – so wie aller andere gastronomischen Betriebe im Kreis – in Sachen Öffnungszeiten beschränkt: Nur von 6 bis 15 Uhr darf geöffnet werden. Wenn er überhaupt wieder aufmacht. Das konnte Centermanager Keller am Montag noch nicht bestätigen. Der Betreiber ECE strebe eine einheitliche Regelung für ganz Bayern an. Komplizierte Regelungen müssen eingehalten werden: In Innenbereichen dürften sich maximal 30 Gäste aufhalten, zudem muss ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Gästen sichergestellt werden.
„Für Hysterie gibt es keinen Anlass“, sagte Neu-Ulms OB Gerold Noerenberg am Montag bei einer Pressekonferenz im Rathaus. Nicht zuletzt als Kreisvorsitzender des Bayerischen Roten Kreuzes habe er einen Einblick. Es gebe auf vielen Ebenen bereits Krisenstäbe. Dieses Land mit einem der besten Gesundheitssysteme der Welt sei sehr gut auf steigende Erkrankungsfälle eingerichtet.
Seine Frau habe Hamsterkäufe von Klopapier beobachtet. „Das sind Idioten.“Die Versorgung der Menschen sei sichergestellt. Das größte Problem derzeit seien „Fake News“, die unverantwortlicherweise über die sozialen Netzwerke verbreitet würden. Die Stadt Neu-Ulm stimme sich eng mit dem Kreis, Ulm und dem Alb-Donau-Kreis ab, um
„einigermaßen“gemeinsam zu handeln. Die baden-württembergische Landesregierung will aber vorerst keinen Katastrophenfall ausrufen. So geht Guido Reuter, der Chef des Blautalcenters, davon aus, in den kommenden Tagen ganz normal das Einkaufszentrum öffnen zu können. Nur die Schau der Terrakotta-Armee habe als kulturelle Einrichtung geschlossen. Doch ob die Geschäfte in Ulms Fußgängerzonen offenbleiben, ist dennoch offen: In jüngster Vergangenheit zog Baden-Württemberg in Sachen Corona Bayern nach.
Die Kinder im Kreis-Neu-Ulm hatten bereits ab Montag coronafrei, die Ulmer musste noch für einen Tag zur Schule gehen. Und am Abend „empfahl“die Bundesregierung die Schließung von Geschäften ähnlich dem bayerischen Vorstoß. So oder so: Die Liste der Absagen ist lang und reicht vom Glacis-Programm, Kultur in der Capponiere bis Rock in den Mai.
Sämtliche Veranstaltungen bis zum 19. April werden abgesagt, das habe aufgrund der langen Vorbereitungsphase auch Auswirkungen auf spätere Termine. Doch Noerenberg hält diese Terminierung für „mehr als optimistisch“. „Wir werden länger rauchen.“Um die Funktionsfähigkeit der Gemeindeverwaltung nicht durch eine Infektion zu gefährden, beschränken Rathäuser den Zugang zu Rathaus.
Sämtliche städtischen Einrichtungen sind ab Dienstag, 17. März, geschlossen. Für Neu-Ulm bedeutet das unter anderem, dass Kindermuseum und Edwin-Scharff-Haus den Betrieb einstellen. Auch Sport- und Spielplätze werden gesperrt. Gerade bei Spielplätzen hat aber Noerenberg Zweifel, ob das durchsetzbar – und überhaupt sinnvoll – ist. „Wenn Kinder schon nicht in Einrichtungen betreut werden, brauchen sie woanders Platz zum Toben.“Zumal die Stadt Neu-Ulm gar kein Personal hätte, um ein Verbot der Benutzung von Spielplätzen durchzusetzen.
Komplizierte Aufgabe für ein Einkaufszentrum
Auch das Landratsamt in NeuUlm und Illertissen sowie alle Kreiseinrichtungen sind bis auf Weiteres für den Publikumsverkehr geschlossen. Die vier kreiseigenen Museen sind bis Ende der Osterferien am 19. April zu. Das hat die Bayerische Staatsregierung angeordnet. Betroffen sind das Bayerisches Bienenmuseum Illertissen, das Museum für bildende Kunst in Oberfahlheim, das Klostermuseum Roggenburg, der Archäologische Park in Kellmünz.
Der Illertisser Pfarrer Andreas Specker bittet Gläubige schriftlich darum, Taufen und Trauungen abzusagen. So weit möchte die Stadt Neu-Ulm nicht gehen, standesamtliche Trauungen finden weiter statt, sagt Anton Bullinger, Fachbereichsleiter der Bürgerdienste. Allerdings würden Paare darum gebeten, nur die engsten Angehörigen mitzunehmen.
Über eine Ausgangssperre möchten derzeit weder Bullinger noch Noerenberg nachdenken. Zumal die Kommunen dafür gar nicht zuständig sind. Diese müsste nach dem Infektionsschutzgesetz der Landkreis beschließen. Und dieser wird sich wohl an die Empfehlungen des Robert-Koch-Insituts halten, das in zehn bis zwölf Tagen erwartet, zu sehen, ob die Eindämmungsmaßnahmen in Deutschland ausreichen. Bis dahin erinnert Noerenberg auch an die Eigenverantwortung: soziale Kontakte einschränken.
Im Landkreis Neu-Ulm sind Stand Montagnachmittag insgesamt zehn Fälle für eine Erkrankung am neuen Coronavirus gemeldet. Eine Person befindet sich in stationärer Behandlung.
Wer soll Benutzung von Spielplätzen kontrollieren?