„Die Lindenstraße war immer am Puls der Zeit“
Interview Moritz A. Sachs spielte 35 Jahre die Rolle von Klaus, dem Sohn von Mutter Beimer in der TV-Serie. Am Sonntag läuft die letzte Folge. Ein Gespräch über große Momente, den Schweinekopf von Onkel Franz und das Leben danach
Herr Sachs, was machen Sie am kommenden Sonntag, wenn die letzte Folge der „Lindenstraße“ausgestrahlt wird? Moritz A. Sachs: Wir wollten die letzte Folge mit dem Team und vielen Ehemaligen schon am Samstag gucken. Das hat sich mit Corona erledigt. Ich werde am Sonntag daheim eine Flasche Schampus aufmachen und früh ins Bett gehen, weil ich am nächsten Tag zur Arbeit muss.
Und wie haben Sie reagiert?
Sachs: Ich war völlig überrascht und dachte mir: Oha! Ich habe sofort die Produktion angerufen, habe aber keinen erreicht, weil alle Telefone logischerweise besetzt waren. Dann bin ich zur Produktion gefahren. Ich musste mich ja informieren, damit ich mich in der Öffentlichkeit korrekt äußern kann und keinen Plunder erzähle. Von mittags, 13 Uhr, bis abends um 21 Uhr habe ich durchgehend telefoniert. Danach habe ich mich zum Team gesellt, und wir sind im Innenhof der Produktion in Köln bis in die Morgenstunden zusammengesessen und haben gefeiert. Solchen Nachrichten kann man nur mit einer Party begegnen.
man als Schauspieler allein von der „Lindenstraße“leben? Was bekam man denn so pro Folge?
Sachs: Darüber sprechen wir nicht. Aber so viel kann ich verraten: Wir sind alle nicht reich geworden. Aber wir konnten gut davon leben. Das war natürlich von der Anzahl der Drehtage abhängig.
Es heißt, sie haben einen Anschlussjob als Regieassistent gefunden.
Sachs: Meine erste Regieassistenz habe ich 2002 gemacht. Dann bin ich in die Produktionsleitung von Theatern und im Fernsehen gewechselt. Eigentlich wollte ich ja in Richtung Regie. Aber vor allem Bürotätigkeiten ließen sich zeitlich besser arrangieren. Ich habe auch Festivals organisiert, Videos produziert und Theater gespielt. Auch die Arbeit als Regieassistent hinter der Kamera habe ich immer sehr genossen, ich freue mich darauf, nun wieder
loszulegen.
Wie war das?
Sachs: Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Heute ist ja die „Lindenstraße“eine von vielen Serien. Damals aber hatte sie Alleinstellungscharakter. Da waren bis zu zwölf Millionen Zuschauer, das kann man sich heute fast nur noch bei Endspielen von Fußballgroßereignissen vorstellen.
Haben Sie mal Ihren Bekanntheitsgrad recherchiert? Mutter Beimer liegt doch sicher bei fast 100 Prozent? Sachs: Die meisten, die Mutter Beimer kennen, werden mich ebenfalls kennen. Mein echter Name kam jedoch erst mit dem RTL-Tanzformat „Let’s Dance“mehr in Umlauf. Es gab mal eine Umfrage für eine Zeitschrift über die Beliebtheit von Seriencharakteren in Deutschland. Da lag ich auf Platz acht, einen Platz vor Vater Beimer. back der „Lindenstraße“? Ist doch blöd, eine so bekannte Fernsehmarke sterben zu lassen.
Sachs: Die meisten Kulissen sind abgebaut, das Team ist auseinander, die Presseabteilung und das Archiv werden die Letzten sein, die dann im Mai gehen. Wenn die erst mal alle weg sind, wird es schwer, sie wieder zu reaktivieren. Aber selbst, wenn es klappen würde, bliebe die Frage: Braucht es das wirklich? Ich würde erst einmal eine Weile warten. Was gut funktionieren könnte, sind, mit ein paar Jahren Abstand, Sonderproduktionen, beispielsweise über eineinhalb Stunden. Das kann ich mir schon vorstellen.
Haben Sie ein „Lindenstraßen“-Andenken mit nach Hause genommen? Sachs: Ich habe mir den Schweinekopf von Onkel Franz mitgenommen. Nein! Spaß! (er lacht) Tatsächlich habe ich einige Möbelstücke aus dem Nachlass herausgekauft. So steht Angelinas Sofa jetzt bei mir herum oder der Schreibtisch von Marcella, in dem sogar noch Szenenfotos in der Schublade waren. Wir hatten nämlich eine kleine Wohnung einzurichten und die ist tatsächlich nur mit „Lindenstraßen“-Möbeln bestückt. Die will ich an Kollegen vermieten, wenn sie in Köln arbeiten.