Illertisser Zeitung

Sehnsucht nach Geschirrsp­ülen

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Der Bücherwurm kocht gern, besonders für Gäste. Und er weiß, dass es den Freunden bei ihm richtig gut schmeckt – auch, wenn er manchmal Ungewöhnli­ches zaubert wie mit Granatapfe­lkernen gefüllten Fisch. Freilich, nachts, wenn die Gäste gegangen sind, steht das Bücherwurm-Ehepaar dann manchmal vor all den Gläsern und Töpfen, die nicht in den Geschirrsp­üler dürfen und spült. Weil der Bücherwurm es in Zeiten der Epidemie für wichtig erachtet, sich wirklich an die Regeln zu halten, wird natürlich jetzt nur für zwei gekocht – die erwachsene­n Kinder sind ja aus dem Haus und können auch nicht zum Essen kommen.

Früher war der Bücherwurm ständig auf Kulturterm­inen unterwegs und freute sich besonders auf die Abende mit Kindern oder Gästen. Jetzt ist er jeden Abend daheim – und oft vermittelt Skype wenigstens das Gefühl, dass die vermissten Menschen doch da sind. Aber ein richtig leckeres Essen und ein gutes Glas Wein dazu schaffen eine Atmosphäre, die virtuell nicht möglich ist. Inzwischen ist es schon so, dass sich der Bücherwurm verträumt nach den Spülorgien sehnt – oder sie zumindest in Kauf nähme, dürfte er die Menschen sehen und in den Arm nehmen, die ihm lieb sind.

Nie mehr, hat er sich vorgenomme­n, wird er nach solchen Abenden angesichts des Geschirrs stöhnen. Dass ihm das Geschirrsp­ülen niemals Spaß machen wird, weiß er auch. Aber der Wert der gemeinsame­n Zeit steigt durch den Verzicht so, dass er schmutzige Gläser in Zukunft sicher eher mit einem leisen Lächeln angehen wird.

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