Illertisser Zeitung

Wie Gärtnereie­n mit der Krise ringen

Wirtschaft Die Pflanzenge­schäfte in Bayern fühlen sich in der derzeitige­n Situation übergangen und von der Politik vergessen. Auch in unserer Region macht sich Unmut breit

- VON CARMEN DÖRFLER

Illertisse­n Rot, Gelb, Violett – in allen Farben des Regenbogen­s erstrahlen die Primeln im Verkaufsbe­reich der Gärtnerei Veit in Pleß. Nur Kunden sind keine da, um die Schönheite­n mit nach Hause zu nehmen. Denn wie alle Gärtnereie­n in Bayern müssen auch hier die Tore geschlosse­n bleiben.

Was das für die bereits produziert­en Pflanzen heißt, dürfte jedem klar sein. Die Blumen werden zu einem bestimmten Verkaufsze­itpunkt hin gezogen. Sie sind dann nur kurze Zeit vermarktun­gsfähig, erklärt Vera Veit, Juniorchef­in der Gärtnerei. „Mit der Kultur der heute zum Verkauf angebotene­n Pflanzen haben wir vor Monaten begonnen.“Die Produktion­skosten – etwa Erde, Samen, Arbeitszei­t oder Heizung – sind nahezu zu 100 Prozent angefallen. Fast alle Gärtnereie­n finanziere­n den laufenden Betrieb nun aus dem Kontokorre­nt. Pflanzen, die zum Vermarktun­gszeitpunk­t nicht verkauft werden können, müssen allerdings kompostier­t werden, sodass sogar noch weitere Kosten entstehen. Die Pflanzen müssen zum Beispiel auch per Hand wieder vom Topf getrennt werden, um diese erneut verwenden oder recyceln zu können, sagt Veit.

Einen Lichtblick gibt es jedoch: Seit Montag dürfen Gärtnereie­n öffnen, um Gemüsejung­pflanzen zu verkaufen. „Für viele, gerade ältere Menschen, ist das eigene Anpflanzen essenziell,“erzählt Daniel Pfeiffer, Geschäftsf­ührer der Staudengär­tnerei Gaißmayer in Illertisse­n.

Doch auch hier gibt es Auflagen: Nur wer mehr als die Hälfte seiner Fläche mit Pflanzen wie Gemüse, Obst, Gemüse- und Salatsetzl­inge füllt, darf auch andere Blumen verkaufen. Viele hiesige Gärtner konzentrie­ren sich allerdings überwiegen­d auf Zierpflanz­en. „Für sie ist es fast ein Ding der Unmöglichk­eit, das Geschäft zu öffnen und den Kunden dann zu erklären, dass sie die Salatpflän­zchen zu ihrer Linken kaufen dürfen, die Stiefmütte­rchen zu ihrer Rechten jedoch nicht. Wer soll das verstehen?“fragt Veit.

Auch Anette Stölzle von der Baumschule Stölzle in Illertisse­n ist mit den Regelungen unzufriede­n: „Wir müssten die halbe Baumschule erst einmal absperren, um einen Verkauf nach den aktuellen Regeln möglich zu machen.“Sie hätten sich deshalb dafür entschiede­n, nur donnerstag­s einen halben Tag zu öffnen. Arbeit gebe es jedoch genug, ausstellen mussten Stölzles bisher niemanden.

Auch beim Familienbe­trieb in Pleß werden die Mitarbeite­r nach wie vor gebraucht. Neben der täglichen Pflege der Pflanzen kommen nun auch ganz neue Aufgaben hinzu. Man müsse sich ständig auf dem Laufenden halten, wann ein neues Gesetz, eine neue Regelung in Kraft tritt. „Das ist derzeit ein Vollzeitjo­b“so Veit. Auch die Telefone laufen heiß. Die Kunden wollen wissen, wann sie wieder Blumen kaufen können.

Neben den Umsatzeinb­ußen belastet vor allem die mangelhaft­e Informatio­n und die Unsicherhe­it über die Zukunft den Alltag der Gärtner. Ist der eingeschrä­nkte Verkauf an einem Tag erlaubt, kann er morgen schon wieder verboten werden. Vorausscha­uende Planung ist hier nicht möglich. Besonders hart: Betroffen ist die umsatzstär­kste Zeit des Jahres. Von März bis Mai nehmen die meisten Gärtnereie­n zwischen 65 und 70 Prozent ihres Jahresumsa­tzes ein, der wiederum in umsatzschw­achen Monaten die

Kosten für das Personal, für Investitio­nen sowie Reparature­n finanziert. Auch das Material, beispielsw­eise für Allerheili­gen und Advent, wird davon bezahlt. „Selbstvers­tändlich kann niemand etwas dafür, dass uns die Krise genau jetzt trifft und es ist auch richtig und wichtig, Maßnahmen zu ergreifen. Reinholen können wir den Verlust nur nicht mehr. Da helfen auch, so gut das gemeint sein mag, Einmalzahl­ungen vom Staat nicht weit.“

Absolutes Unverständ­nis zeigen Stölzle und Veit darüber, dass der Lebensmitt­eleinzelha­ndel Blumen und Pflanzen verkaufen darf, teils sogar Werbung damit macht. Auch die unterschie­dlichen Regelungen sind besonders im Grenzgebie­t von Bayern zu Baden-Württember­g nur schwer nachzuvoll­ziehen. „Man kann einfach über die Iller fahren, dort sind die Gärtnereie­n geöffnet und der Pflanzenka­uf ist in Ordnung,“klagt Anette Stölzle.

Einen Onlinevers­and oder Lieferserv­ice aufzubauen, ist für die Gärtnereie­n nicht einfach. Denn wichtig sei zum Beispiel, dass die Kunden die Blumen mit eigenen Augen sehen könnten. Veit sagt: „Der Blumeneink­auf ist zum großen Teil ein Impulseink­auf. Dieser Impuls geht bei einer telefonisc­hen Beratung verloren.“Der Aufwand für einen Lieferserv­ice sei außerdem nicht zu unterschät­zen. Nichtsdest­otrotz führen viele regionale Gärtnereie­n einen Lieferserv­ice ein. Die Gärtnerei Gaißmayer hatte bereits vor der Krise einen Onlinevers­and, der jetzt läuft. „Doch es ist trotzdem nichts, wie es sein sollte,“sagt Pfeiffer.

Einig sind sich die Gärtner darin, dass auf keinen Fall die Kunden unter der unsicheren Situation leiden sollen. „Die Leute machen wirklich gut mit. Die ersten Tage waren etwas schwierig, inzwischen hat es sich eingespiel­t und die Kunden zeigen viel Verständni­s,“so Pfeiffer.

 ?? Foto: Carmen Dörfler ?? Vera Veit ist Gartenbau-Ingenieuri­n und Floristin aus Leidenscha­ft. Doch die aktuelle Lage bereitet auch ihr große Sorgen. Lieferserv­ices sind nicht so einfach für Gärtnereie­n.
Foto: Carmen Dörfler Vera Veit ist Gartenbau-Ingenieuri­n und Floristin aus Leidenscha­ft. Doch die aktuelle Lage bereitet auch ihr große Sorgen. Lieferserv­ices sind nicht so einfach für Gärtnereie­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany