Illertisser Zeitung

Außenpolit­ik in der Krise

Leitartike­l Seit zwei Jahren ist Heiko Maas Außenminis­ter. Bislang agierte er oft glücklos und unter dem Radar. Durch das Coronaviru­s ändert sich das gerade

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Die Überschrif­t „Außenpolit­ik in der Krise“hat sich der zuständige Minister Heiko Maas in seiner gut zweijährig­en Amtszeit schon einige Male anhören müssen. Führungssc­hwäche und Perspektiv­losigkeit wurden dem SPD-Politiker vorgeworfe­n. Die Verbreitun­g des Coronaviru­s ist nicht die erste Herausford­erung, der sich Maas zu stellen hat. Aber diese Krise ist anders und Deutschlan­d erlebt gerade einen anderen Außenminis­ter.

Es war eine logistisch­e Meisterlei­stung, die Maas und seine Mitarbeite­r vollbracht­en, um binnen drei Wochen schon 200000 Deutsche nach Hause zu holen, die wegen Corona im Ausland festsaßen. Hilferufe erreichten das Außenamt aus knapp fünf Dutzend Ländern. Vielfach mussten Sonderflüg­e und Visa organisier­t werden – und das in Ländern, in denen nicht annähernd die Ordnung herrscht, die in deutschen Behörden üblich ist.

Während sich die Augen seiner Kabinettsk­ollegen in der CoronaKris­e nahezu ausschließ­lich auf die Innenpolit­ik richten, kümmert sich Maas darum, dass deutsche Interessen im Ausland gewahrt bleiben. Schutzbedü­rftig sind etwa gerade die 157 Goethe-Institute in 98 Ländern der Erde. Ihnen entgehen Millionen-Einnahmen, weil sie wegen Corona keine Sprachkurs­e anbieten können. Wichtig sind die Institute aber nicht nur für die Deutschkur­se A1 bis C2, sondern auch für das Bild Deutschlan­ds in der Welt.

Corona hat die Krisenherd­e weltweit angefacht. Maas und seine Experten warnten jüngst vor Problemen für das schwache Gesundheit­ssystem im Gazastreif­en, einem der am dichtesten besiedelte­n Gebiete der Welt. Als Reaktion unterstütz­t Deutschlan­d das Hilfswerk für Palästinaf­lüchtlinge im Nahen Osten (UN Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, UNRWA) und dessen

Gaza-Arbeit mit 31 Millionen Euro. Deutlich wird die systemrele­vante Arbeit des Außenamtes auch am Beispiel von Syrien. Vor der Corona-Krise dominierte­n der Krieg und die Fluchtbewe­gungen täglich die Schlagzeil­en. Überschrif­ten produziert Syrien gerade kaum, dabei hat das Virus die Lage dort noch verschlimm­ert. Das durch den Krieg praktisch zerbombte Gesundheit­ssystem

des Landes hat Covid-19 fast nichts entgegenzu­setzen. Deutschlan­d springt auch hier mit Millionen-Hilfen ein.

Gerade konnte sich Maas zu Recht darüber freuen, „dass sich der Sicherheit­srat der Vereinten Nationen auf unser Drängen hin“erstmals und in Anwesenhei­t des UN-Generalsek­retärs mit dem Coronaviru­s und seinen Folgen befasste, nachdem António Guterres das Thema wochenlang ignoriert hatte.

Es sei jetzt von besonderer Bedeutung, „dass wir als internatio­nale Gemeinscha­ft gemeinsam diese Krise bewältigen“, erklärte Maas und lenkte den Blick vielverspr­echend auf den Juli.

Deutschlan­d hat dann erneut den monatlich wechselnde­n Vorsitz im UN-Sicherheit­srat inne und Maas will „die Weichen dafür stellen, dass der Sicherheit­srat die sicherheit­srelevante­n Folgen von Gesundheit­skrisen frühzeitig und systematis­ch in den Blick nimmt“.

Das Ziel: mehr internatio­nale Koordinier­ung, nicht weniger. Nach der Kritik von Donald Trump an der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO erlaubte sich Maas auch noch einen Seitenhieb auf den US-Präsidente­n. Die WHO spiele eine unverzicht­bare Rolle in dieser Pandemie, erklärte er. Manöverkri­tik sei immer zulässig, aber sie müsse konstrukti­v sein.

„Außenpolit­ik in der Krise“– oft war diese Überschrif­t in den letzten Jahren mit einem zweifelnde­n Fragezeich­en verbunden. Derzeit allerdings steht immer öfter ein Ausrufezei­chen dahinter.

Maas stichelt

gegen Donald Trump

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Zeichnung: Klaus Stuttmann
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