Illertisser Zeitung

Sind Gutscheine die Lösung?

Flugreisen Die Bundesregi­erung dringt bei der EU-Kommission auf eine Ausnahmere­gelung für annulliert­e Flüge. Verbrauche­rschützer protestier­en. Und die FDP ist auch dagegen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Für abgesagte Veranstalt­ungen im Kulturbere­ich gibt es sie bereits, nun will die Bundesregi­erung auch bei annulliert­en Flügen infolge von Corona eine Gutscheinr­egelung einführen. Berlin hat die EU-Kommission um eine Regelung gebeten, mit der Gutscheine temporär „auch ohne Zustimmung des Fluggastes“ausgegeben werden können, wie es in einem Brief an EU-Verkehrsko­mmissarin Adina Vaˇlean heißt, der unserer Redaktion vorliegt. Der Chef der Verbrauche­rzentralen, Klaus Müller, protestier­t energisch. Auch in der Opposition gibt es Kritik. Bislang ist eine Airline grundsätzl­ich verpflicht­et, den Ticketprei­s zu erstatten.

In dem Schreiben der Minister Christine Lambrecht (Justiz, SPD), Andreas Scheuer (Verkehr, CSU) und Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU) wird die Kommission gebeten, wegen der Corona-Pandemie „alsbald Maßnahmen zu ergreifen, um einen weiteren existenzge­fährdenden Liquidität­sabfluss bei den Luftfahrtu­nternehmen zu verhindern“. Das gemeinsame Ziel müsse es jetzt sein, den europäisch­en Flugverkeh­rsmarkt über die Krise hinaus in seiner Struktur zu erhalten und dabei die Interessen der Fluggäste im Blick zu behalten. Brüssel soll regeln, dass bei abgesagten Flü

statt der Rückerstat­tung des Ticketprei­ses Gutscheine ausgegeben werden. Erst wenn diese nicht bis Ende 2021 eingelöst wurden, soll der Preis erstattet werden.

Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht sagte unserer Redaktion auf Anfrage, der Anspruch auf finanziell­e Erstattung ergebe sich aus der Fluggastre­chteverord­nung. „Die Ansprüche der Kunden sind natürlich grundsätzl­ich gerechtfer­tigt und sollen in der Sache auch nicht beeinträch­tigt werden“, betonte die SPD-Politikeri­n. Sie wies aber darauf hin, dass diese Ansprüche weitgehend wertlos wären, „wenn ihre Geltendmac­hung die Fluguntern­ehmen massenhaft in die Insolvenz treiben würde“. Mit dem Vorschlag werde den Fluguntern­ehmen geholfen und die Verbrauche­rinteresse­n würden berücksich­tigt.

Deutschlan­ds oberster Verbrauche­rschützer sieht das ganz anders. „Freiwillig können und sollen Verbrauche­r das auch gerne mit Fluggesell­schaften so handhaben“, sagte der Vorstand des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­andes (VZBV), Müller, unserer Redaktion. Gleichzeit­ig betonte er: „Von Zwangsguts­cheinen – das heißt Zwangsanle­ihen – für Airlines halten wir aber gar nichts.“Gutscheine würden das Liquidität­sproblem doch nur verschiebe­n, erklärte Müller.

Der VZBV-Chef räumte ein, dass der Branche besonders geholfen werden müsse. „Wir haben deshalb die Einrichtun­g eines Reisesiche­rungsfonds vorgeschla­gen – zusätzlich zu den jetzt schon verfügbare­n KfW-Krediten“, sagte er. Mit dem durch Staatskred­ite finanziert­en Fonds könne Liquidität sichergest­ellt werden. Deshalb müssten Verbrauche­r nicht zwangsweis­e zu „Nullzins-Kreditgebe­rn“gemacht werden. „Denn auch viele Verbrauche­r leiden derzeit an den Folgen der Pandemie. Viele Menschen benötigen derzeit selber ihr Geld und sie müssen weiterhin frei entscheide­n können, wofür sie ihr Geld ausgeben“, sagte er.

FDP-Fraktionsv­ize Christian Dürr sah das ähnlich. „Viele Menschen müssen sich durch die Corona-Pandemie finanziell einschränk­en, da sollten sie wenigstens das Geld für bereits bezahlte Flugreisen erstattet bekommen“, sagte er unserer Redaktion und erklärte: „Eine Gutscheinr­egelung würde in die privatrech­tliche Vertragsfr­eiheit eingreifen und die Verbrauche­r einschränk­en.“Natürlich stelle die Krise auch die Airlines vor wirtschaft­liche Probleme, daher sollte es die Möglichkei­t geben, Entschädig­en gungszahlu­ngen zu stunden und damit aufzuschie­ben, meinte der Finanzexpe­rte, warnte aber vor „Sonderrege­lungen für die Reisebranc­he“, denn damit öffne man Tor und Tür für andere Wirtschaft­sbereiche.

Anders als bei der Gutscheinl­ösung im Veranstalt­ungsbereic­h ist bei Flügen „nur der europäisch­e Gesetzgebe­r“zuständig, wie Lambrecht betonte. VZBV-Chef Müller sieht das genauso: „Die EU-Fluggastre­chte-Verordnung und die EU-Richtlinie für Pauschalre­isen kann die Bundesregi­erung – zum Glück – nicht national ändern.“

Auf die Frage, ob die Pandemie zu einer Art Konsolidie­rung in der Luftverkeh­rsbranche führen werde und womöglich sogar eine Chance sei, im Sinne des Klimaschut­zes vom Billigflug­betrieb wegzukomme­n, reagierte Müller zurückhalt­end: „Warten wir mal ab, wie tief greifend die Konsolidie­rung tatsächlic­h ausfallen wird.“Die Krise dürfe jedenfalls nicht dazu führen, „dass wieder einige wenige Fluggesell­schaften den Markt und die Preise diktieren“. Gesunder Wettbewerb sei immer belebend. „Wenn dieser Wettbewerb zukünftig durch ökologisch verträglic­he Angebote und verstärkt von der Schiene kommt, sind wir auch klimapolit­isch auf dem richtigen Weg“, sagte der Verbrauche­rschützer.

Freiwillig­keit wäre eine ganze andere Sache

 ?? Fotomontag­e: Adobe Stock, Nina Emering ?? Gutscheine statt Kostenerst­attung? Bei Flugreisen ist diese Lösung besonders umstritten. Die Verbrauche­rzentralen sind dagegen, die Airlines hingegen argumentie­ren, die Rückzahlun­g von Ticketprei­sen würde sie finanziell überforder­n.
Fotomontag­e: Adobe Stock, Nina Emering Gutscheine statt Kostenerst­attung? Bei Flugreisen ist diese Lösung besonders umstritten. Die Verbrauche­rzentralen sind dagegen, die Airlines hingegen argumentie­ren, die Rückzahlun­g von Ticketprei­sen würde sie finanziell überforder­n.

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