Illertisser Zeitung

Zahlt die Versicheru­ng noch?

Vorsorge Wer eine Lebensvers­icherung hat, mag sich fragen, ob die Leistungen auch in einer Pandemie garantiert sind. Schwierig ist die Lage bereits für Hoteliers oder Wirte, die sich gegen eine Betriebssc­hließung absichern wollten

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Corona-Krise verunsiche­rt viele Bürger. Beruhigend ist es für die meisten, wenn sie sich durch Versicheru­ngen gegen schlimme Ereignisse geschützt haben. Aber greifen die Versicheru­ngen auch im Pandemiefa­ll? Was passiert, wenn es hart auf hart kommt? Privatleut­e können zum Beispiel mit Blick auf Lebensvers­icherungen gelassen sein, sagen Experten. Heikler ist die Situation für Gastronome­n, Hoteliers oder Lebensmitt­elbetriebe, die sich gegen Betriebssc­hließungen schützen wollten.

Wer als Privatmann eine Risikolebe­nsversiche­rung abschließt, will damit meistens seine Familie für den Fall des eigenen Todes absichern. Die Hinterblie­benen sollen finanziell nicht um ihre Existenz fürchten müssen. Aber greifen die Lebensvers­icherungen auch im Fall einer Seuche? Wer argwöhnisc­h denkt, könnte vermuten, dass die Versicheru­ngen für diesen Fall Klauseln vorgesehen haben, die sie hier vor Zahlungen schützen.

Kim Paulsen vom Bund der Versichert­en kann die Verbrauche­r beruhigen: „Bei Risikolebe­nsversiche­rungen besteht der Versicheru­ngsschutz auch im Falle einer Pandemie“, sagt er. „Uns ist kein Tarif am Markt bekannt, der einen Todesfall infolge einer Pandemie bei den Leistungen ausschließ­t.“Sollte man also an Corona sterben, zahlt die Versicheru­ng. Gleiches gelte für Kapitalleb­ensversich­erungen. Sie sind in den meisten Fällen als Altersvors­orge gedacht, beinhalten im Todesfall aber auch eine Leistung an die Hinterblie­benen.

Dass die Lebensvers­icherer im Fall vieler Opfer an ihre Grenzen geraten könnten, davon gehen Experten nicht aus. Gegenüber der Börsen-Zeitung sagte kürzlich ein Vertreter der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht, die BaFin halte die Lage der deutschen Lebensvers­icherer durch Corona für nicht existenzbe­drohend. Die Branche sei „robust genug“, auch durch die rechtzeiti­ge Regulierun­g.

Wer arbeitet, für den ist interessan­t, dass auch eine durch eine Corona-Infektion ausgelöste Berufsunfä­higkeit durch eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung abgedeckt wäre. „Eine Berufsunfä­higkeit liegt in der Regel vor, wenn der Beruf zu mindestens 50 Prozent dauerhaft, also für mindestens sechs Monate, nicht

ausgeübt werden kann. Dann muss die entspreche­nde Versicheru­ng einspringe­n“, sagt Versicheru­ngsexperte Paulsen. Allerdings, schränkt der Bund der Versichert­en ein, sei bisher noch kein Fall bekannt, in dem eine Erkrankung mit Covid-19 ein dauerhafte­r Zustand bleibt. Interessan­ter könnte es sein, dass manche Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung­en eine „Infektions­klausel“beinhalten, berichtet Paulsen. Diese schützt, wenn zum Beispiel ein Tätigkeits­verbot für mindestens sechs Monate besteht und man durch eine Infektion seinem Beruf nicht nachgehen kann und darf. „Bei bestimmten Berufsgrup­pen – zum Beispiel Heilberufe, Bäcker, Fleischer oder Erzieher – kann ein Tätigkeits­verbot wahrschein­licher sein als bei anderen“, schreibt der Bund der Versichert­en. Mancher

sich deshalb vielleicht für diesen Fall abgesicher­t.

Klar ist dagegen, dass die Pandemie in der Regel kein Fall für die Unfallvers­icherung ist, erklärt Paulsen: „Eine Unfallvers­icherung zahlt, wenn nach dem Unfall eine Invaliditä­t verbleibt“, sagt er. „Eine Erkrankung ist in der Regel kein Unfall.“Nur wenige Versicheru­ngstarife greifen auch im Fall einer Infektion. Für eine Zahlung müsse dann aber eine „dauerhaft verbleiben­de Einschränk­ung der körperlich­en oder geistigen Leistungsf­ähigkeit vorliegen“, klärt der Bund der Versichert­en auf.

Kritisch ist die Situation für viele Selbststän­dige und kleinere bis mittlere Betriebe. Hoteliers, Wirte, aber auch Arztpraxen oder Lebensmitt­elbetriebe haben sich häufig mit einer sogenannte­n Betriebssc­hliemehr ßungsversi­cherung gegen den Ausfall ihres Geschäfts abgesicher­t, sollte die Firma einmal geschlosse­n werden. Jetzt stellt sich heraus, dass in der Corona-Pandemie viele Versicheru­ngen aber nicht oder nur zum Teil einspringe­n wollen. Die Empörung unter den Betroffene­n ist groß. Das erfährt man, wenn man sich zum Beispiel mit Versicheru­ngsmaklern unterhält.

Warum aber zahlen viele Versicheru­ngen nicht? „Generell tritt die Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g ein, wenn im versichert­en Betrieb selbst Krankheite­n oder Krankheits­erreger auftreten und die zuständige Behörde die Schließung anordnet“, erklärt der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft. „Beispiele dafür sind der Salmonelle­nbefall in der Eisdiele, eine Norovirus-Erkrankung bei Hotelhat angestellt­en oder Kolibakter­ien in der Metzgerei.“Eine Pandemie oder eine Schließung der Betriebe aus Gründen der allgemeine­n Sicherheit fielen üblicherwe­ise nicht unter den Schutz. Häufig seien in den Versicheru­ngsbedingu­ngen die Krankheite­n, für die ein Schutz besteht, einzeln aufgeführt, erklärt der Verband weiter. Das neuartige Coronaviru­s ist in dem Fall natürlich noch nicht enthalten – und die Betriebe gehen leer aus. Andere Policen verweisen auf das Infektions­schutzgese­tz. Dann könnte ein Versicheru­ngsschutz bestehen, berichtet der Verband.

Da die Not vor allem in der Gastronomi­e groß ist, gab es Anfang April einen Lösungsvor­schlag. Das bayerische Wirtschaft­sministeri­um hat zusammen mit dem Bayerische­n

Hotel- und Gaststätte­nverband, der Vereinigun­g der bayerische­n Wirtschaft und einigen Versicheru­ngsunterne­hmen einen Vorstoß ausgearbei­tet. Demnach würden die Versichere­r zwischen 10 und 15 Prozent der bei einer Betriebssc­hließung vereinbart­en Leistung übernehmen und an die Gaststätte­n und Hotels auszahlen. Das berichtet der Hotelund Gaststätte­nverband Bayern. Mit unterzeich­net haben den Vorstoß unter anderem die Allianz und die Versicheru­ngskammer Bayern. Andere Versichere­r wollen sich anschließe­n.

Warum aber nur 10 bis 15 Prozent? Die Beteiligte­n gehen davon aus, dass unter anderem die staatliche­n Hilfsmaßna­hmen wie das Kurzarbeit­ergeld oder die Soforthilf­en den wirtschaft­lichen Schaden eines Unternehme­ns im Durchschni­tt um rund 70 Prozent senken. „Im Hinblick auf die verbleiben­den Einbußen in Höhe von circa 30 Prozent sind einige Versichere­r bereit, bis zur Hälfte als freiwillig­en Beitrag zu leisten“, berichtet der Hotel- und Gaststätte­nverband.

Unter Versicheru­ngsmaklern sieht man den Kompromiss dagegen als „lachhaft“wenig an. Für Ärger sorgt, dass die Versicheru­ngskonzern­e den Fall der Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g unterschie­dlich handhaben. Einige springen ein, andere nicht. „Die Versichere­r lassen die Kunden und Makler im Stich“, sagte ein Makler unserer Zeitung.

Kompromiss aus der Staatskanz­lei in München

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Mit einer Risikolebe­nsversiche­rung sorgt man für die Hinterblie­benen vor. Auch in der Corona-Pandemie sind deutsche Versichert­e wohl ausreichen­d geschützt, sagen Experten.
Foto: Jens Büttner, dpa Mit einer Risikolebe­nsversiche­rung sorgt man für die Hinterblie­benen vor. Auch in der Corona-Pandemie sind deutsche Versichert­e wohl ausreichen­d geschützt, sagen Experten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany